Neue Linke zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an Israel

Robert Holzer

[Aus: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Fernwald (Annerod), No. 19 (2011), S. 266–334. In der Einleitung „Zu diesem Heft“, S. 11/12, schreibt der Redakteur Wolfgang Braunschädel: „In den diversen Fraktionen der Linken hat man sich lange Zeit der Illusion hingegeben, daß die eigenen Parteigänger(innen) aus welchen obskuren Gründen auch immer gegen gerne ausschließlich in konservativen oder rechten Milieus lokalisierte weltanschauliche Unsinnigkeiten gefeit seien. Seit geraumer Zeit scheint sich zunehmend herumzusprechen, daß eine der widerwärtigsten dieser Unsinnigkeiten, der Antisemitismus, in der ein oder anderen Form auch in der historischen und gegenwärtigen Linken, von Frühsozialisten über Sozialdemokraten, Kommunisten bis zu den völkische Befreiungsbewegungen unterstützenden Antiimperialisten der Gegenwart eine Heimstatt gefunden hat(te). Für manch einen, der in den Jahren zuvor in solche Unsinnigkeiten verbreitenden Gruppierungen aktiv gewesen sein mag, ist diese plötzliche Entdeckung schon lange bekannter Tatsachen ganz nebenbei ein wie herbeigesehnter Grund, sich von der Linken und dem keineswegs veralteten Projekt der radikalen Kritik sozialer Verhältnisse in der Manier mancher früherer Renegaten zu verabschieden und sich genüßlich in der Mitte der neuen neoliberalen Heimat einzurichten. Robert Holzer gibt in seinem Beitrag einen Überblick über verschiedene Ausprägungen dieser ideologischen Verwirrungen, wobei der in der Linken tradierte und über Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichen historischen Kontexten immer wieder aktualisierte, dabei aber auf im wesentlichen gleich bleibende Motive zurückgreifende Antizionismus im Milieu der bundesdeutschen Neuen Linken im Zentrum steht.“]

I. Einleitung

Am 25. Juli 1969 veröffentlichte der aus Österreich stammende und seinerzeit in Belgien lebende Emigrant, Widerstandskämpfer, Auschwitz-Überlebende und bekennende Linke Jean Améry in der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter dem Titel „Der ehrbare Antisemitismus“ einen Artikel, in dem er sich mit einer für die damalige Zeit recht neuen und bei manch einem zuerst bloß Verwunderung und später eher Entsetzen hervorrufenden Entwicklung beschäftigte. „Das klassische Phänomen des Antisemitismus“, schrieb Améry, „nimmt aktuelle Gestalt an. Die alte besteht weiter, das nenn ich mir Koexistenz. Was war, das blieb und wird bleiben. Der krummnasige, krummbeinige Jude, der vor irgend was – was sag ich? Der vor allem davonläuft. So ist er auch zu sehen auf den Affichen und in den Pamphleten der arabischen Propaganda, an der angeblich braune Herren deutscher Muttersprache von einst, wohlkaschiert hinter arabischen Namen, mitwirken sollen. Die neuen Vorstellungen aber traten auf die Szene gleich nach dem Sechs-Tage-Krieg und setzen langsamerhand sich durch: der israelische Unterdrücker, der mit dem ehernen Tritt römischer Legionen friedliches palästinensisches Land zerstampft. Anti-Israelismus, Anti-Zionismus in reinstem Vernehmen mit dem Antisemitismus von dazumal. Der ehern tretende Unterdrücker-Legionär und der krummbeinige Davonläufer stören einander nicht. Wie sich endlich die Bilder gleichen! Doch neu ist in der Tat die Ansiedlung des als Anti-Israelismus sich gerierenden Antisemitismus auf der Linken. Einst war das der Sozialismus der dummen Kerle. Heute steht er im Begriff ein integrierender Bestandteil des Sozialismus schlechthin zu werden, und so macht jeder Sozialist sich selber freien Willens zum dummen Kerl.“1

Zwei Jahre zuvor, im Juni 1967 hatte Israel im sogenannten „Sechs-Tage-Krieg“ die Armeen seiner ihm seit seiner Gründung die Vernichtung androhenden Nachbarländer besiegt und hielt seitdem die ägyptische Sinaihalbinsel, den bis dahin unter ägyptischer Verwaltung stehenden Gazastreifen, das bis dahin von Jordanien annektierte Westjordanland einschließlich Ostjerusalem und die syrischen Golanhöhen besetzt. In der Folge begann sich auch in der vorwiegend akademischen bundesrepublikanischen Neuen Linken, die bis 1967 durchweg proisraelisch eingestellt war, eine Solidarität mit dem etwas plötzlich einsetzenden Befreiungskampf des sich erst über diesen Kampf definierenden palästinensischen Volkes, den es als solchen zuvor gegen Ägypten bzw. Jordanien nicht gegeben hatte, herauszukristallisieren, die sich nahtlos in die damalige Begeisterung für die antikolonialistischen und vorgeblich sozialistischen Befreiungsbewegungen in Ländern der Dritten Welt (Algerien, Vietnam, Angola, Mozambique u.a.) einzureihen schien. Die von „zahlreichen pseudointellektuellen arabischen Veröffentlichungen“,2 aber auch von angesehenen linken zum Teil jüdischen Intellektuellen angeregte und unterstützte Begeisterung für den palästinensischen Befreiungskampf sollte sich in den folgenden Jahren im linken Milieu der Bundesrepublik quer durch alle ansonsten zerstrittenen Fraktionen weitgehend durchsetzen. Seit 1968 publizierte der Rastatter „Verlag für zeitgeschichtliche Dokumentation“ die Reihe „Palästina Monographien“,3 1969 erschien ohne Verlagsangabe eine nahezu zweihundertseitige Dokumentation eines „Kolloquiums arabischer Juristen über Palästina“ über „Die Palästina-Frage“, das vom 22.–27. Juli 1967 in Algier stattgefunden hatte,4 und die „General-Union der Palästinensischen Studenten“ veröffentlichte bis zu ihrem Verbot im Zusammenhang mit der tödlich endenden Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Sommerspiele in München im Jahre 1972 in einer „Studien-Reihe“ unter dem Titel „Resistentia – Schriften“ eine lose Folge antizionistischer bzw. antiisraelischer Broschüren.5 Seit Ende der sechziger Jahre konstituierten sich zudem in zahlreichen bundesdeutschen Universitätsstädten Palästinakomitees die u.a. Zeitschriften wie „Al-Djabah. Die Front“ (Heidelberg, seit 1972 „Die Front“), „Al-thaura“ („Die Revolution“, Bonn), „Palästina-Nachrichten“ (Freiburg) „Al Tahrir. Befreiung“ oder „Al-Karamah. Antiimperialistische Zeitschrift“ (1986-1989) herausgaben und mit Kongressen, Veranstaltungen und zahllosen Flugblättern für den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes bzw. für die diversen untereinander durchaus zerstrittenen palästinensischen Organisationen Werbung betrieben.6

Solche vorwiegend propagandistischen Publikationen und Aktionen, aber auch eher wissenschaftlich-analytische Arbeiten wie die von linken, zumeist in der Arbeiterbewegung aktiven jüdischen Antizionisten wie Abraham Léon,7 Isaac Deutscher,8 Nathan Weinstock9 oder Jakob Taut,10 die zudem zum Teil von linken jüdischen Aktivisten der Studentenbewegung herausgegeben wurden, beflügelten die plötzliche Überzeugung, bei dem „zionistischen Staatengebilde“ Israel handele es sich um einen kolonialistischen, rassistischen, gar faschistischen, von der Bundesrepublik im Rahmen der sogenannten „Wiedergutmachung“ aufgerüsteten Vorposten des US-Imperialismus, der mit einem „langandauernden Volkskrieg“ zwecks Befreiung des unterdrückten palästinensischen Volkes zu eliminieren sei. Ulrike Meinhof hatte 1968 noch geschrieben, daß es „für die europäische Linke keinen Grund (gibt), ihre Solidarität mit den Verfolgten aufzugeben, sie reicht in die Gegenwart und schließt den Staat Israel ein, den britische Kolonialpolitik und nationalsozialistische Judenverfolgung begründet haben“; die arabische „Drohung, Israel vernichten zu wollen“, war in ihren Augen „unerträglich“ und sie distanzierte sich infolgedessen von jedem, der „den Bestand dieses Staates glaubt zur Disposition stellen zu sollen“.11 Nur Vier Jahre später jedoch entdeckte sie in ihrem anläßlich der tödlich endenden Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Sommerspiele in München im November 1972 verfaßten Text „Die Aktion des ‚Schwarzen September‘ in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes“ auf der Basis einer von keinerlei analytischer Denkanstrengung zeugenden kruden Imperialismusanalyse einen von der Gruppe „Schwarzer September“ durch ihre auf „ungeheuer hohem Niveau von marxistischer Theorie und revolutionärer Praxis“ durchgeführten Aktion angeblich bewußt gemachten „Widerspruch zwischen dem Faschismus des entfalteten Imperialismus und Israels Nazi-Faschismus“.12

Die bis 1967 mehr oder weniger unausgesprochen geltende Erkenntnis, daß die Gründung des Staates lsrael auch etwas mit dem deutschen Projekt „Endlösung der Judenfrage“ zu tun hatte, schien der bundesdeutschen Linken in einer merkwürdig anmutenden Amnesie nach und nach entfallen zu sein. Gewissermaßen über den Jordan gegangen war dabei auch ganz beiläufig die analytische Fähigkeit, zwischen israelischen Staatsbürgern, Juden und Zionisten zu unterscheiden. Als im Sommer 1976 ein von zwei deutschen Mitgliedern der „Revolutionären Zellen“ verstärktes palästinensisches Kommando ein Flugzeug der Air France nach Uganda entführte, beteiligten sich die beiden Deutschen an der vorgeblich dem antizionistischen Befreiungskampf dienlichen „Selektion“ der aus verschiedenen Ländern stammenden jüdischen Passagiere, darunter eine KZ-Überlebende, die schließlich als einzige die Befreiungsaktion des israelischen Militärs nicht überlebte.13

Jean Améry hat bis zu seinem Freitod im Oktober 1978 noch mehrfach vor dem von der „Junglinken“ gepflegten „naiven proarabischen Manichäismus“ gewarnt und dabei u.a. die Frage aufgeworfen, „wie es geschehen (ist), daß marxistisch-dialektisches Denken sich dazu hergibt, den Genozid von morgen vorzubereiten?“14 Einige Jahre nach dieser bis heute unbeantwortet gebliebenen Frage hat er noch einmal eindringlich darauf hingewiesen, „daß es im Konflikt zwischen den Linken und den Juden den immer noch hartnäckig ihre politische Identität bekräftigenden linken Juden zukommt, den Genossen von einst ein paar grundeinfache Wahrheiten vorzuhalten… Wer die Existenzberechtigung Israels in Frage stellt, der ist entweder zu dumm, um einzusehen, daß er bei der Veranstaltung eines Über-Auschwitz mitwirkt, oder er steuert bewußt auf dieses Über-Auschwitz hin.“15 Und schließlich hat er in weiser Vorausschau und sicherlich ohne zu ahnen, daß dies zu einem veritablen und zunehmend komplexer werdenden Langzeitprojekt werden würde, darauf hingewiesen, „daß die Linke sich am israelischen, id est: am jüdischen Problem neu zu definieren“ hat.16

Andere haben sich diesen Warnungen angeschlossen, so z.B. Hans Mayer in seinem 1975 erschienenen Werk „Außenseiter“, indem er, ohne direkten Verweis auf die damalige linke Solidarität mit den Palästinensern, darauf hinwies, daß „wer den ,Zionismus‘ angreift, aber beileibe nichts gegen die ‚Juden‘ sagen möchte, sich oder andern etwas vor(macht). Der Staat Israel ist ein Judenstaat. Wer ihn zerstören mochte, erklärtermaßen oder durch eine Politik, die nichts anderes bewirken als solche Vernichtung, betreibt den Judenhaß von einst und von jeher.“17 Es scheint, daß die in allen möglichen sonstigen Fragen oft genug zutiefst gespaltene oder gar verfeindete radikale Linke solche Hinweise lange Zeit nicht wahrgenommen oder zumindest nicht ernst genommen hat. Möglicherweise war es erst oder zumindest insbesondere Henryk M. Broder, der mit seinem 1986 erschienenen Buch „Der ewige Antisemit“, indem er zahlreiche Beispiele antizionistischer, antiisraelischer und auch offen antisemitischer Argumentationsweisen aus längst nicht mehr nur linken, sondern auch liberalen Milieus zitierte, ein Problembewußtsein für die Fragwürdigkeit so mancher manchmal vielleicht bloß naiver, oft genug aber auch von tiefster Überzeugung geprägter antizionistischer oder antiisraelischer Anschauungen zu schaffen half, indem er diese auf ihren antisemitischen Gehalt hin hinterfragte.18 „Antisemitismus“, so hatte Broder geschrieben, „(gibt es) nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, weil die Täter und deren Erben permanent an ihre Untaten und zugleich an ihr Versagen erinnert werden.“19

Und damit diese permanente Erinnerung an eigene Untaten und eigenes Versagen kompensiert werden konnte, suchte man geradezu zwanghaft nach Anlässen, die ehemaligen Opfer zu Tätern umdefinieren zu können, denn wenn die ehemaligen Oper erst einmal zu Tätern geworden sind, dann dürfen sich die ehemaligen Täter entlastet fühlen. Und es bereitete offensichtlich vielen Linken keine besonderen Schwierigkeiten, im Kontext der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen in ideologisch verblendeter Manier die Palästinenser zum Opfer und die Israelis zu Tätern zu. stilisieren: „Was früher das Weltjudentum war, das ist heute der Zionismus und seine Zentrale: Israel.“20

Wie unbeholfen man indes in der Linken mit Broders bestens belegten Argumenten umging, zeigt beispielhaft ein Beitrag von Knut Mellenthin, einem Mitglied des „Kommunistischen Bundes“ (KB), in einem 1988 von der Redaktion des „Arbeiterkampf“, der Zeitung des KB, herausgegebenen Sammelband. Auf das im März 1988 von der Freiburger „Initiative für ein sozialistisches Forum veröffentlichte Flugblatt „Antizionismus – ein neuer Antisemitismus von links“ ging er nicht inhaltlich ein, sondern kommentierte es wie folgt: „Man hat das einfach bei H. Broder abgeschrieben. Wenn dies so wäre, gäbe es erstens heute kaum noch Antisemiten und sie wären zweitens überwiegend bei den extremen Linken anzutreffen.“21 Das war in seiner kruden Logik keineswegs selbstkritisch gemeint, sondern hilfloser Ausdruck einer klassischen Abwehrstrategie in dem Sinne, daß nicht sein kann was nicht sein darf; als guter Linker, noch besserer Antifaschist und somit – da Antisemitismus mit Faschismus kurzgeschlossen wurde – quasi per definitionem Gegner eines jeden Antisemitismus hatte man natürlich von dem zu Unrecht August Bebel zugeschriebenen Verdikt gehört, demzufolge es sich beim Antisemitismus um einen „Sozialismus der dummen Kerls“ handele, und ein „dummer Kerl“ wollte und konnte man als linker Antifaschist natürlich nicht sein.22

Zu den bis heute immer wieder vorgebrachten klassischen Argumenten gegen die Thematisierung eines Zusammenhangs von Antizionismus und Antisemitismus gehört die Behauptung, daß damit jegliche Kritik am Staat Israel bzw. an der Politik der wechselnden Regierungen des Staates Israel unterbunden werden solle. Einmal abgesehen davon, daß dieses Argument insofern unstimmig ist, als es in einer geradezu klassischen Abwehrreaktion unterschiedliche und analytisch durchaus zu differenzierende Sachverhalte unzulässig miteinander verkoppelt, haben z.B. sowohl Améry als auch Broder in aller Deutlichkeit und mehrfach darauf verwiesen, daß dies keineswegs die Absicht ihrer Analysen und Warnungen sein soll. Insofern es sich bei dem Staat Israel – im Gegensatz zu den ihn umgebenden, mittlerweile zum Teil islamistisch geprägten und trotz der seit kurzem anhaltenden Protestbewegungen immer noch weitgehend autoritär strukturierten arabischen Staaten – in seinem institutionellen und rechtlichen Gefüge um einen ganz normalen bürgerlich-demokratischen Staat westlicher Provenienz mit allen diesem eigenen Institutionen inklusive frei zu wählender Parteien und freier Presse handelt, ist es nur logisch, daß einem solchen Staat Kritik immanent ist; frei gewählte Abgeordnete unterschiedlicher Parteien bilden eine Regierung der – wie es in Demokratien üblich ist – eine Opposition gegenübersteht, die ihrer Existenz wiederum dadurch Ausdruck verleiht, daß sie die Politik der Regierung gegebenenfalls zu kritisieren und sich als Alternative vorzustellen in der Lage ist. Darüber hinaus ist es natürlich jedem an der Politik Israels interessierten Erdenbürger freigestellt die Politik der einen israelischen Regierung – wie auch z.B. die der amerikanischen chinesischen‚ argentinischen oder angolanischen Regierung – anzuerkennen und die der nächsten abzulehnen. So wie aber höchstwahrscheinlich keiner dieser interessierten Erdenbürger bei seiner mehr oder minder kritischen Betrachtung und Kommentierung der amerikanischen, chinesischen, argentinischen oder angolanischen Regierungspolitik auch nur auf die Idee kommt, das Existenzrecht der Staaten USA, China Argentinien oder Angola in Frage zu stellen, so gilt dieses Tabu ganz selbstverständlich ebenso im Hinblick auf das Existenzrecht des Staates Israel. Wenn aber die Berufung auf den Antizionismus mehr oder weniger explizit dazu dient, die Legitimation des Staates Israel grundsätzlich in Frage zu stellen und somit tatsächlich sein Existenzrecht zu negieren – und dies war und ist bei der propalästinensischen und antizionistischen Linken immer wieder der Fall –‚ dann stellt sich nicht nur die Frage nach den Motiven für einen solchen Tabubruch, sondern insbesondere auch danach, ob und gegebenenfalls inwiefern eine solche antizionistisch argumentierende Kritik am Staat Israel bzw. an der Regierungspolitik des Staates Israel zugleich mit tradierten, gegebenenfalls zeitgemäß angepaßten antisemitischen Ressentiments einhergeht. Mit anderen Worten: Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern es einen notwendigen, wie auch immer vermittelten Zusammenhang zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an der Politik des Staates Israel gibt oder aber, ob es möglich ist, zwischen diesen zumindest begrifflich unterschiedlichen Argumentationsebenen analytisch so zu differenzieren, daß eine bewußte oder unbewußte Verwirrung möglichst vermieden werden kann.

Hans Mayers Hinweis darauf, daß jede „Klausel zugunsten der Existenz dieses Staates (Israel), also ein Bekenntnis zur Nichtvernichtung… das Weitergelten“ der Vernichtungsdrohung zumindest implizit dokumentiert, ist weiterhin aktuell.23 Auch in den seit einigen Jahren geführten Debatten über einen „neuen Antisemitismus“ trotz Auschwitz spielt die Frage nach der Zulässigkeit einer Kritik am Staat Israel bzw. an der Politik israelischer Regierungen eine offensichtlich zunehmend wichtige, wenn nicht gar die zentrale Rolle.24 Von einem „sekundären“ bzw. „neuen Antisemitismus“ ist in diesen Debatten insofern die Rede, als die klassischen religiösen und insbesondere rassistischen Argumentationsweisen des Antisemitismus seit und mit der Shoah als delegitimiert gelten und zum Teil sogar gesetzlich verfolgt werden (können). Im Zentrum dessen, was als „neuer Antisemitismus“ diskutiert wird, steht der Nahostkonflikt, wobei zum einen der Antisemitismus in der islamischen Welt, zum anderen der Antisemitismus in der westlichen Linken thematisiert werden, die wiederum über die Kritik am Zionismus und an Israel miteinander vermittelt sind – letztendlich geht es also immer um die Existenz bzw. das Existenzrecht Israels; daß in diesem Kontext auch klassische antisemitische Ressentiments, z.B. verschwörungstheoretische Phantasien im Hinblick auf eine jüdische Weltherrschaft, wieder aufgegriffen und politisch instrumentalisiert werden, ist nicht weiter verwunderlich.

Trotz aller volks- und sozialpädagogischen Maßnahmen ist, ähnlich wie in anderen westeuropäischen Ländern, auch in der seit 1990 wieder vereinigten deutschen Gesellschaft kein Rückgang antisemitischer Ressentiments festzustellen. In den Jahren seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums und der DDR scheint angesichts eines neu erwachten Nationalismus und wachsender rechtsextremer Milieus der Bedarf an antisemitisch unterfütterten Welterklärungsmodellen im Gegenteil zuzunehmen.25 Dabei sind es insbesondere die politische Konfrontation zwischen dem Westen, speziell den USA, und dem fundamentalistischen Islam im allgemeinen und zwischen Israel und den untereinander zerstrittenen palästinensischen Organisationen im besonderen, die einen zum Teil offen an die bekanntermaßen vom zaristischen Geheimdienst um die vorletzte Jahrhundertwende gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“26 anknüpfenden verschwörungstheoretischen Antisemitismus fördern, der sich verbal weiterhin als Antizionismus ausgibt und keinen Hehl daraus macht, daß die Vernichtung Israels auf seiner Agenda steht; auffällig dabei ist die auch empirisch festgestellte zunehmende Resonanz eines solchen Antizionismus unter muslimischen Einwanderern in Westeuropa. In einer solchen religiös und kulturell aufgeladenen Konfrontation gewinnt die Debatte um Zusammenhänge zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik – verglichen etwa mit den siebziger und achtziger Jahren, als es diesbezüglich „nur“ oder zumindest vorwiegend um eine mit eher säkular-nationalistischen Argumenten ausgetragene Kontroverse zwischen Israel und den Palästinensern ging – eine ganz eigene Dynamik, die über den ursprünglichen Konflikt weit hinausreicht.

Auf diesem Hintergrund stellt sich in der Tat die Frage, ob und inwieweit Kritik an israelischer Politik gewollt oder ungewollt politischen Kräften in die Hände spielt, die, wie z.B. das iranische Regime, die libanesische Hisbollah oder die palästinensische Hamas, das Konzept eines totalitären islamistischen Gottesstaats vertreten und mehr oder weniger unverhohlen die Vernichtung des Staates Israels propagieren.27 Dabei läuft ein mit dem Vorwurf des Antisemitismus begründetes Verbot jeglicher Kritik an politischen Entscheidungen des Staates Israel allerdings Gefahr, mit der darin letztlich implizierten Gleichsetzung von Juden, Zionisten und Bürgern des Staates Israel der gleichen Logik zu verfallen wie der Antisemitismus selbst. Zu Recht hat Judith Butler darauf hingewiesen, daß „es eben die Trennung von Zionismus und Judentum ist, die die Bedingungen für kritisches Denken in dieser Frage garantiert“.28 „Es ist eine Sache“, so schreibt sie weiter, „sich gegen Israel in seiner heutigen Gestalt und mit seinen aktuellen Praktiken auszusprechen oder sogar kritische Fragen zum Zionismus selbst zu stellen, doch es ist eine völlig andere Sache, gegen ‚Juden‘ zu sein oder sich vor ‚Juden‘ zu fürchten beziehungsweise anzunehmen, daß alle ‚Juden‘ der gleichen Auflassung sind, daß sie alle für Israel sind, mit Israel identifiziert sind oder durch Israel repräsentiert sind.“29 Jede kritische Äußerung zu israelischer Politik kann jedoch vom jeweiligen Rezipienten entgegen den eigentlichen Intentionen des Kritikers auch antisemitisch verwertet werden; jede diesbezügliche Äußerung ist somit offensichtlich Mißverständnissen ausgesetzt und ob es möglich ist, die kommunikativen Akte so zu gestalten, daß auch der Rezipient unabhängig von seiner eigenen Einstellung jeweils eindeutig zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an israelischer Politik differenzieren kann oder will, muß vorerst fraglich bleiben.

Den Aporien dieser sicherlich nicht nur kommunikativen Probleme soll im folgenden in ideologiekritischer Absicht nachgespürt werden, wobei im ersten Kapitel (II.) Entstehung und Entwicklung des Staates Israel von den Anfängen des Zionismus bis zu den Konflikten mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarländern sowie den daraus folgenden linken Verwirrungen und Verirrungen skizziert werden. In den folgenden drei Kapiteln (III.–V.) werden Entstehungskontexte und inhaltliche Ausprägungen verschiedener Varianten von antisemitischen oder antisemitisch konnotierten Argumentationen ausgelotet, wobei der Begriff Antisemitismus im Sinne eines je nach politischem, religiösem oder kulturellem Kontext unterschiedlich begründbaren Ressentiments gegen Juden als Juden bzw. gegen den Staat Israel als Staat der Juden verstanden wird.30 In einem abschließenden Kapitel (VI.) werden Positionen vorgestellt die sich sowohl mit der Entwicklung des politischen Zionismus als auch mit der israelischen Politik kritisch auseinandersetzen, wobei eine solche Kritik an den dem zionistischen Projekt immanenten Widersprüchen ansetzen und von dort aus Lösungsvorschläge machen kann, die nicht mit einer Vernichtungsdrohung gegenüber dem Staat Israel einhergehen, oder aber sich auf Positionen beziehen kann, die im Kontext der palästinensischen Befreiungsbewegungen insofern von außen an den Zionismus und den Staat Israel herangetragen werden, als diese auf der Basis gewisser Kriterien (Kolonialismus, Rassismus) von vorneherein abgelehnt werden.

Vorsorglich sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Literatur zu allen hier angesprochenen Themen dermaßen ausufernd ist und zunehmend ausufemder wird, daß nicht einmal ansatzweise der Anspruch erhoben werden kann, in dieser Hinsicht einen auch nur annähernd umfassenden Überblick zu geben; vielmehr kommt es darauf an, die angesprochenen Probleme an ausgewählten Beispielen zu thematisieren, die widersprüchlichen und möglicherweise unauflösbaren Positionen darzulegen und zueinander in Beziehung zu setzen und die Logiken der unterschiedlichen Argumentationen herauszuarbeiten.

II. Zionismus, Israel und die Palästinenser31

Als Theodor Herzl im Jahr 1896 sein Buch „Der Judenstaat“ veröffentlichte und ein Jahr später, Ende August 1897, der Erste Zionistische Weltkongreß in Basel „für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“ proklamierte, war die Idee einer erneuten Besiedlung des ursprünglich jüdischen Landes Palästina keineswegs neu.32 Auch nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Jerusalem im Anschluß an die beiden Aufstände gegen die römische Besatzungsmacht in den Jahren 66–70 und 132–135 n.Chr. und der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahre 70 n.Chr., der muslimischen Eroberung in den Jahren 636–638 und dem zwischenzeitlichen Königreich Jerusalem der christlichen Kreuzfahrer hatten in der seit 1516 unter osmanischer Verwaltung stehenden Region, die zu Steuerzwecken in mehrere Verwaltungseinheiten aufgeteilt war, über all die Jahrhunderte hinweg immer schon bzw. noch Juden gelebt und eigenständige Gemeinden gebildet. Es waren schließlich vor allem die Erfahrungen, die Juden im 19. Jahrhundert sowohl mit der bürgerlichen Emanzipation in West- und Mitteleuropa als auch mit zum Teil in Progromen äußernden Repressionen in Osteuropa insbesondere in Rußland machten, die zu einer Rückbesinnung auf die ursprüngliche Herkunftsregion führten.

In Europa war seit der Französischen Revolution im Zuge der Herauskristallisierung der modernen Nationalstaaten der Nationalismus zur dominierenden Ideologie der die feudalistischen Fesseln nach und nach abschüttelnden Bougeoisien und zunehmend auch der sonstigen sozialen Klassen geworden. Nation ist dabei immer im Zusammenhang mit Volk und Staat zu betrachten; ein Volk konstituiert sich demzufolge auf der Basis eines gemeinsamen Territoriums, einer gemeinsamen Geschichte, einer gemeinsamen Sprache und einer gemeinsamen Kultur zu einer Nation, die ihren organisatorisch-rechtlichen Rahmen wiederum in einem Staat findet. Die zumeist von interessierten Intellektuellen über historische Ursprungserzählungen konstruierten nationalen Traditionen basieren zum einen auf einem verbindenden und als verbindlich ideologisierten „geistigen Prinzip“ (Ernest Renan), zum anderen auf der Exklusion jener, denen aus unterschiedlichen Gründen die Zugehörigkeit zu diesen Traditionen abgesprochen wird.33

Im herrschaftlich zersplitterten Deutschland, das erst 1870/1871 unter preußischer Führung mit militarischer Gewalt zu einem kleindeutschen, auf einem Klassenkompromiß zwischen Adel und Bourgeoisie beruhenden Nationalstaat vereinigt wurde, gewann das Problem einer nationalen Identität aufgrund der historischen Verspätung eine besondere Brisanz. Eine solche Identität war, im Gegensatz zu Frankreich, das auf eine lange zentralstaatliche Tradition zurückblicken konnte, wegen der Zersplitterung und der dadurch bedingten unterschiedlichen kulturellen und politischen Traditionen und verstärkt durch die seit der Reformation und Gegenreformation verfestigte religiöse Spaltung nur negativ, durch Exklusion herzustellen. Der Inhalt dessen, was deutsch sein sollte, konnte nur durch Bestimmung dessen, was als nichtdeutsch bzw. undeutsch definiert wurde, erfaßt werden. Neben dem als Erbfeind geltenden Frankreich, den vaterlandslosen Gesellen der frühen Sozialdemokratie (rote Internationale) und den insbesondere im protestantischen Preußen als ultramontan und damit national unzuverlässig eingestuften Katholiken (schwarze Internationale) war es insbesondere die jüdische Bevölkerung, die in Anknüpfung und Weiterführung des traditionellen christlichen Antijudaismus, einen zunehmend breit rezipierten rassistischen Antisemitismus und im Hinblick auf die bereits damals ansatzweise verschwörungstheoretisch überinterpretierte Rolle von Juden in der kapitalistischen Wirtschaft (goldene Internationale) aus dem ideologischen Konstrukt der neuen Nation ausgeschlossen wurde.34 Das, was als Emanzipation der Juden angeboten und in einem jahrzehntelangen Prozeß schließlich durchgesetzt worden war, lief letztendlich auf eine Assimilation, d.h. auf eine Aufgabe eigenständiger kultureller Traditionen oder zumindest auf deren Verdrängung in das jeweilige Privatleben hinaus. Bereits Heinrich Heine hatte bemerkt, daß erst die Taufe für Juden zum Entréebillet in die deutsche Gesellschaft wurde; bis zum Ende des Kaiserreichs war Juden der Zugang zu vielen Berufen, insbesondere an den Universitäten und beim Militär, so gut wie verschlossen. Die nach 1945 in philosemitischer Absicht „so gern und in reichlich fahrlässiger Weise“35 beschworene deutsch-jüdische Symbiose war in der sozialen und politischen Realität des Kaiserreichs nichts anderes als eine Schimäre.

Mit dem von Wilhelm Marr 1878 popularisierten Begriff des Antisemitismus, mit dessen Hilfe die Juden in ein biologistisch-rassistisches Interpretationsmuster eingebunden wurden, konnte die überkommene christliche Ablehnung der Juden zudem auf ein neues ideologisches Fundament gestellt werden, ohne daß die alten antijüdischen Vorurteile damit obsolet geworden wären. Der nunmehr vorwiegend rassisch begründete Antisemitismus gewann, auch wenn er im Kaiserreich parteipolitisch insgesamt keine größeren Erfolge feiern konnte, insbesondere in akademisch gebildeten völkischen Kreisen eine erhebliche Anhängerschaft und entwickelte sich zu einem ideologischen Ferment, das in politischen und ökonomischen Krisensituationen, wenn Sündenböcke gesucht und Schuldzuweisungen notwendig wurden, leicht abrufbar war. Darauf verweisen nicht nur die berüchtigte „Judenzählung“ des Kriegsministeriums vom Herbst 1916, mit der überprüft werden sollte, inwieweit Juden ihren Kriegspflichten nachkamen, sondern auch die von der historischen Forschung lange vernachlässigten antisemitischen Exzesse nach der Kriegsniederlage und während der Weimarer Republik.36

Im Gegensatz zu der theoretisch auf Emanzipation und Integration, praktisch auf individuelle Assimilation der jüdischen Bevölkerung abzielenden Politik in West- und Mitteleuropa, war die um 1900 rund fünf Millionen zählende jüdische Bevölkerung in Rußland bzw. in dem zu Rußland zählenden Teil des ehemaligen Polen im sogenannten Ansiedlungsrayon im Westen des Landes, der sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstreckte, auch räumlich ausgegrenzt. Nach dem geglückten Attentat auf Zar Alexander II. im März 1881 kam es in unmittelbarer Folge und in den nächsten Jahren an verschiedenen Orten zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, was eine verstärkte Auswanderung zur Folge hatte. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges waren aus dieser Region rund 1,5 Millionen durchweg arme Juden in die USA ausgewandert. Wichtiger aber ist, daß es seit 1882 auch eine zwar kleine, für die weitere Entwicklung aber bedeutsame Auswanderung nach Palästina gab; im Zuge dieser „Ersten Aliya“ (mit dem religiös konnotierten Begriff „Aliya“, d.h. „Aufstieg“, wurden im nachhinein die verschiedenen Einwanderungswellen nach Palästina bezeichnet), in deren Verlauf „Choveve Zion“, Vereine der „Zionsliebenden“, gegründet wurden, wanderten zwischen 20.000 und 30.000 Juden nach Palästina aus und gründeten dort erste Kolonien. Zugleich erschienen Schriften, in denen das Projekt einer nationalen Wiedergeburt und Selbständigkeit der über die Länder Europas verstreuten Juden propagiert wurde. Nachdem Moses Hess, ein ehemaliger Weggefährte von Karl Marx, bereits 1862 sein Werk „Rom und Jerusalem“ veröffentlicht hatte,37 in dem er der Assimilation eine Absage erteilte und sich für eine nationale Lösung in Palästina aussprach, war es Leon Pinsker, der mit seiner parallel zur beginnenden Auswanderung nach Palästina 1882 veröffentlichten Schrift „Auto-Emancipation“ nicht nur eine „nationale Lösung “ für „die internationale Judenfrage“ forderte, sondern auch einen Vorschlag machte, der erst von Theodor Herzl aufgegriffen und umgesetzt wurde: „Die nationale Wiedergeburt der Juden muß durch einen Kongreß jüdischer Notablen angebahnt werden.“38 Die Begriffe Zionismus bzw. Zionist – anstelle des seinerzeit üblichen Begriffs Zionsfreunde – prägte Nathan Birnbaum im Jahre 1890 in einem Beitrag der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Selbstemancipation“; 1893 veröffentlichte er zudem die kleine Schrift „Die Nationale Wiedergeburt des jüdischen Volkes in seinem Lande, als Mittel zur Lösung der Judenfrage“.39

Mit seinem „Judenstaat“ betrat Herzl also durchaus kein neues Terrain; unmittelbarer Anlaß für sein zionistisches Engagement war offensichtlich weder die Entwicklung des Antisemitismus in Rußland, Deutschland oder Österreich, sondern die Dreyfus-Affäre in Frankreich, die er als Journalist in ihren Anfängen vor Ort in Paris erlebte. Mit dem Prozeß gegen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus, der angeblich militärische Geheimnisse an Deutschland verraten haben sollte, und insbesondere der damit verbundenen antisemitischen Hetzkampagne, der schließlich Emile Zola mit seinem berühmten, unter dem Titel „J’accuse“ veröffentlichten „Brief an Félix Faure, Präsident der Republik“ entgegentrat, war für Herzl das liberale Konzept einer mit weitgehender Assimilation verbundenen Integration in die jeweilige Gastgesellschaft endgültig gescheitert.40 Am 3. September 1897, einige Tage nach dem Ende des Ersten Zionistischen Weltkongresses in Basel resümierte Herzl das Ergebnis dieser Zusammenkunft: „Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen… so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig wird es jeder einsehen.“41

Der Zionismus wurde somit, als Reflex auf die diversen Spielarten des Antisemitismus, die in unterschiedlicher Weise allesamt, gleich ob religiös, rassistisch oder vordergründig kapitalismuskritisch begründet, auf Exklusion oder fragwürdige Inklusion durch Assimilation abzielten, zur nationalen Befreiungsbewegung der Juden, zum spezifisch jüdischen Nationalismus; insofern war ihm das Ziel einer Staatsgründung, ob eingestanden oder nicht, von vorneherein inhärent. Darüber, wie und mit welcher Zielsetzung ein solcher Staat zu begründen und zu gestalten sei, bestand jedoch von Beginn an keinerlei Übereinstimmung; wie jede andere nationale Bewegung auch, war der Zionismus in zahlreiche Richtungen und Fraktionen gespalten, die unterschiedliche und durchaus auch gegensätzliche Zielvorstellungen formulierten. Den verschiedenen Fraktionen des Arbeiterzionismus standen ein bürgerlich-liberaler Kulturzionismus und der rechtszionistische Revisionismus Wladimir Jabotinskys gegenüber; orthodoxe Juden lehnten den Zionismus aus religiösen Gründen ab, was sich erst nach der Staatsgründung ändern sollte.

Dem Ziel der „Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“ sollten laut „Baseler Programm“ u.a. die „Besiedlung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern, Handwerkern und Gewerbetreibenden“ sowie „Regierungszustimmungen, die nötig sind, um das Ziel des Zionismus zu erreichen“, dienen.42 Zur Förderung der Einwanderung wurde im Jahr 1901 der „Jüdische Nationalfonds“ ins Leben gerufen, dessen vorrangige Aufgabe darin bestand, zwecks Ansiedlung von Auswanderern in Palästina Land zu erwerben, wobei dieses einmal erworbene Land für alle Zeiten im Besitz von Juden bleiben sollte. Als schwieriger erwies sich das Unterfangen, offizielle Unterstützungen von irgendeiner Regierung zu erlangen. Der Sultan, in dessen Osmanischem Reich Palästina eine eher unbedeutende Provinz darstellte, lehnte eine geschlossene Ansiedlung von Juden schlichtweg ab; andere von Herzl bis zu seinem Tod 1904 konsultierte Regierungen bekundeten eine eher diffuse Sympathie, die durchaus auch antisemitisch motiviert sein konnte, wie z.B. bei Wilhelm II., der „sehr dafür“ war, „daß die Mauschels nach Palästina gehen“, der Papst drohte gar „Kirchen und Priester bereit(zu)halten‚ um Sie alle zu taufen“.43

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges, als der Zerfall des Osmanischen Reiches, das an der Seite der Mittelmächte am Krieg teilnahm, absehbar war und unter Abwägung arabischer und jüdischer Interessen eine Neuordnung des Vorderen Orients unter englischer und französischer Führung anstand, erblickte jene Erklärung das Licht der Welt, die als ein weiteres Gründungsdokument des zukünftigen jüdischen Staates angesehen werden kann: die Balfour-Deklaration. Bei dieser Erklärung des britischen Außenministers Lord Arthur Balfour vom 2. November 1917 handelt es sich um einen kurzen Brief an Lord Walter Rothschild, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Großbritannien. „Zu meiner großen Genugtuung“, schrieb Balfour, „übermittle ich Ihnen namens S.M. Regierung die folgende Sympathie-Erklärung mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen, die vom Kabinett geprüft und gebilligt worden ist: Seiner Majestät Regierung betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird die größten Anstrengungen machen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden werde, daß nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Lande beeinträchtigen könnte.“44

Im Januar 1919 kam es im zeitlichen Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen in Paris sogar zu einer Übereinkunft zwischen Feisal, einem Sohn des Scherifs von Mekka und späteren ersten König des Irak, der zu dieser Zeit Ambitionen auf ein großarabisches Königreich hatte, und Chaim Weizmann, der zufolge „alle nötigen Maßnahmen ergriffen werden (sollen), um die Einwanderung von Juden in großem Umfang zu fördern und anzuregen und so schnell wie möglich jüdische Einwanderer in geschlossenen Siedlungen auf dem Land anzusiedeln zur intensiven Kultivierung des Bodens“.45 Die Balfour-Deklaration, die zu einem Zeitpunkt abgegeben wurde, als die Neugestaltung dieses Teils des zerfallenden Osmanischen Reiches trotz des englisch-französischen Sykes-Picot-Abkommen vom Mai 1916, in dem die zukünftigen Interessensphären vorläufig abgesteckt worden waren, noch nicht abschließend geklärt war, ist in den folgenden Jahrzehnten von arabischer bzw. palästinensischer Seite nie als Basis von Verhandlungen akzeptiert worden. Nach der Eroberung Palästinas durch britische Truppen Ende 1917 wurde Großbritannien laut Beschluß der Konferenz von San Remo im April 1920 das Völkerbund-Mandat für Palästina übertragen, und zwar unter Anerkennung der Balfour-Deklaration, die damit eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage erhielt; offiziell in Kraft trat das Mandat im September 1923.

Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches begann sich die innerjüdische Situation in Palästina bereits entscheidend zu wandeln. Im Anschluß an das weltweit Aufsehen erregende Pogrom im russischen Kischinjow im Frühjahr 190346 und die antisemitischen Verfolgungen nach der gescheiterten russischen Revolution von 1905 war es zu einer erneuten Auswanderungswelle nach Palästina – der Zweiten Aliya – gekommen. Unter den insgesamt etwa knapp 40.000 neuen Einwanderern befanden sich zahlreiche Sozialisten, die für Jahrzehnte – letztendlich bis zur Wahlniederlage der Arbeiterpartei im Jahr 1977 – die zionistische Politik und später die Politik Israels dominieren sollten. Mit „Poale Zion“ („Arbeiter Zions“) – dem palästinensischen Zweig einer in mehreren Ländern aktiven Organisation – und „Hapoel Hatzair“ („Der junge Arbeiter“) entstanden Anfang des Jahrhunderts erste Organisationen eines dezidiert sozialistischen Zionismus, deren führende Theoretiker wie Nachman Syrkin, Ber Borochov oder Berl Katznelson die jüdische Frage nicht mehr nur als nationale, sondern insbesondere auch als soziale Frage diskutierten und die Schaffung eines jüdischen Staates als Beitrag zu einer sozialistischen Weltrevolution ansahen. 1919 vereinigten sich verschiedene sozialistische Gruppen zur sozialdemokratischen „Achdut Avodah“ („Einheit der Arbeit“), aus der 1930 durch Zusammenschluß mit „Hapoel Hatzair“ die MAPAI (Mifleget Poalei Eretz Israel/Arbeiterpartei Israels) entstand; 1920 wurde die zunehmend einflußreiche Gewerkschaft „Histradut“ gegründet. Die 1923 aus der linken Fraktion der „Poale Zion“ hervorgegangene und 1924 in die Kommunistische Internationale aufgenommene Kommunistische Partei Palästinas strebte auf der Basis eines antizionistischen Programms mit wenig Erfolg ein Bündnis jüdischer Arbeiter und arabischer Bauern an und war schließlich im Rahmen der fraktionellen Auseinandersetzungen in der Kommunistischen Internationale mehr mit sich selbst als mit den politischen und sozialen Problemen des Landes beschäftigt.47

Ausgerechnet am 1. Mai 1921 kam es im Anschluß an eine Demonstration zum Tag der Arbeit, bei der auch Flugblätter in arabischer Sprache verteilt worden waren, zu einer „Welle arabischer Überfälle auf Juden in Jaffa, ausgelöst, wie die Araber behaupteten, durch Provokationen der gottlosen Bolschewisten, deren Propaganda unter der Bevölkerung große Entrüstung hervorgerufen habe“.48 Bei den Auseinandersetzungen wurden annähernd 100 Personen getötet und mehr als 200 verletzt. Bereits im April des Vorjahres war es in Jerusalem zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, bei denen es neun Tote und ebenfalls über 200 Verletzte gegeben hatte; daran beteiligt war der junge Amin al-Hussaini, der in den vierziger Jahren als Großmufti von Jerusalem im Berliner Exil mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiten sollte.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt und mit diesen gewalttätigen Auseinandersetzungen war deutlich geworden, daß die viel und gerne zitierte Annahme, daß mit den jüdischen Einwanderern ein Volk ohne Land ein Land ohne Volk besiedeln würde, auf einer Fiktion beruhte. Proteste und Widerstand gegen die jüdische Einwanderung hatte es in ersten Ansätzen bereits vor dem Ersten Weltkrieg gegeben, allerdings beschränkten sich diese auf die eine oder andere Petition oder aber auf konkrete Probleme, die sich aus dem Verkauf von Land hier und da vor Ort ergaben. Insbesondere ist zu diesem Zeitpunkt in keinerlei Hinsicht von einer palästinensischen Nation oder gar einer palästinensischen Befreiungsbewegung die Rede; allenfalls gab es erste Ansätze einer allgemein islamischen kulturellen Erneuerungsbewegung, in der sowohl die Rückkehr zu einem ursprünglichen Islam als auch erste Einflüsse eines arabisch nationalistischen Denkens eine Rolle spielten. Spezifisch nationale palästinensische Identitätsbestrebungen kristallisierten sich erst nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der Implementierung des britisch-französischen Mandatssystems heraus, wobei diese aber immer überlagert wurden von der Gemeinsamkeit der arabischen bzw. islamischen Tradition. Die Auseinandersetzung mit dem Zionismus ist auf diesem Hintergrund nie eine nur innerpalästinensische Angelegenheit zwischen der einheimischen arabischen und der zuwandernden jüdischen Bevölkerung gewesen, sondern blieb immer eingebunden in den Kontext gesamtarabischer Entwicklungen.

Während sich die Einwanderung in den zwanziger Jahren im Rahmen der Dritten (1919–1923) und Vierten Aliya (1924–1931), abgesehen von einer durch die amerikanischen Einwanderungsbeschränkungen mit verursachten Steigerung Mitte der zwanziger Jahre, durchaus in Grenzen hielt und es im Kontext der Weltwirtschaftskrise sogar zu einer starken Rückwanderung kam, nahmen die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen auf dem Hintergrund einer „gezielten Politisierung der Religion“49 insbesondere durch den 1921 zum Großmufti ernannten Amin al-Hussaini und seiner Anhänger zu. Nicht nur die Landkäufe und die zunehmende organisatorische Verselbständigung der jüdischen Einwanderer stießen auf wachsenden Widerstand, sondern auch deren in starkem Kontrast zu den patriarchalen Lebensgewohnheiten der Einheimischen stehendes Alltagsleben, das als unsittlich und degeneriert verdammt wurde. Hinzu kamen erste Einflüsse eines in dieser Form wohl aus Europa importierten Antisemitismus, wo zu dieser Zeit die „Protokolle der Weisen von Zion“ auf große Resonanz stießen; bereits im Frühjahr 1922 sprachen sich arabische Führer mit dem Argument, daß „deren viele der bolschewistischen revolutionären Spielart angehören“, gegen „eine Masseneinwanderung landfremder Juden“ aus.50 1928 und 1929 kam es wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, wobei im August 1929 zahlreiche Angehörige der alteingesessenen jüdischen Gemeinde von Hebron umgebracht wurden, die nichts mit zionistischer Einwanderung zu tun hatten; in einer Stellungnahme zu den Ereignissen, in der er die Juden als Aggressoren bezeichnete, berief sich der Großmufti al-Hussaini explizit auf die „Protokolle der Weisen von Zion“, die 1926 erstmals ins Arabische übersetzt worden waren. Anfang der dreißiger Jahre wurde ganz Palästina zum „heiligen Boden“ erklärt, dessen Verkauf an Juden zukünftig als Hochverrat gelten sollte; einer Fatwa des Großmufti al-Hussaini vom Januar 1935 zufolge galt palästinensischer Boden als „anvertrautes Gut“ der Muslime, dessen Verkäufer als „Verräter, Ungläubige und Apostaten“ anzusehen seien.51

Zur gleichen Zeit kam es nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Rahmen der Fünften Aliya (1933–1939) zu einer verstärkten Einwanderung, die 1939 durch drastische Einwanderungsbeschränkungen seitens der britischen Behörden zumindest offiziell weitgehend gestoppt wurde. Mitte der dreißiger Jahre organisierte der von den Ende der zwanziger Jahre gegründeten ägyptischen Muslimbrüdem beeinflußte Izz al-Din-al Qassam (nach ihm sind die Qassam-Raketen der Hamas benannt) eine erste bewaffnete Widerstandsgruppe, die jedoch Ende 1935 von den Briten aufgerieben wurde, wobei Qassam zu Tode kam. Als im April 1936 ein sich mit Unterbrechungen bis 1939 hinziehender arabischer Aufstand gegen Juden und Briten begann, setzten diese zum wiederholten Male eine Untersuchungskommission ein, die Lösungsvorschläge für die verfahrene Situation unterbreiten sollte. Die nach ihrem Leiter benannte Peel-Kommission legte bereits im Sommer 1937 einen im gleichen Jahr auch in deutscher Sprache veröffentlichten umfangreichen Bericht vor, in dem sie in Kapitel „XX. Der Zwang der Umstände“ u.a. feststellte: „Ein unüberwindlicher Konflikt hat sich zwischen den beiden nationalen Gemeinschaften innerhalb der engen Grenzen eines kleinen Landes erhoben. Ungefähr eine Million Araber stehen in offenem oder latentem Kampf mit 400.000 Juden. Es gibt keine gemeinsame Grundlage zwischen ihnen… Ihr kulturelles und soziales Leben, ihre Denkweise und Lebensführung sind ebenso unvereinbar wie ihre nationalen Bestrebungen… Daher ist eine nationale Angleichung zwischen Juden und Arabern ausgeschlossen. Nach arabischer Vorstellung dürften die Juden nur den Platz beanspruchen, den sie im arabischen Ägypten oder arabischen Spanien einst innehatten.“52 Konsequenterweise schlug die Peel-Kommission eine Teilungdes Landes vor, da eine solche „wenigstens eine Chance für endgültigen Frieden zu bieten (scheint)“.53 Während die jüdische Seite grundsätzlich positiv reagierte, stieß der Teilungsplan auf arabischer bzw. palästinensischer Seite auf eine grundlegende Ablehnung. In den folgenden Jahren näherte sich Großbritannien vor dem Hintergrund der weltpolitischen Konstellation den arabischen Ländern, in denen sich viele Sympathisanten des nationalsozialistischen Deutschland fanden,54 wieder an, so daß sich in den Kriegsjahren die Spannungen zwischen den Briten und den Zionisten, die nach der New Yorker Biltmore-Konferenz vom Mai 1942 angesichts der Verfolgung und der zu dieser Zeit in großem Maßstab bereits begonnenen Ermordung der europäischen Juden nicht nur auf die Aufhebung der Einwanderungsbeschränkungen, sondern auch auf die Errichtung eines eigenen Staates drängten‚ zunehmend verstärkten und schließlich auch in bewaffnete Konfrontationen übergingen.

Schon bald nach Kriegsende gab Großbritannien die Verantwortung für die Lösung der Palästinafrage an die neu gegründeten Vereinten Nationen ab; diese entsandten eine Kommission nach Palästina, die von arabischer Seite boykottiert wurde. Auf der Basis des Kommissionsberichts stimmte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einem historischen Beschluß vom 29. November 1947 für die Teilung des britischen Mandatsgebietes in einen jüdischen und einen arabisch-palästinensischen Teil.55 Während die jüdische Seite den Plan akzeptierte, lehnte die arabisch-palästinensische Seite ihn ab; zugleich begannen bewaffnete Auseinandersetzungen – u.a. unter Beteiligung einer so genannten „Armee des Heiligen Kampfes“ des in der Zwischenzeit von Beirut aus operierenden Großmuftis al-Hussaini, einer „Arabischen Befreiungsarmee“ sowie Freiwilligen der Muslimbrüderschaft –, in deren Folge jener Exodus der palästinensischen Bevölkerung aus dem der jüdischen Seite zugesprochenen Gebiet begann, von dem bis heute strittig ist, in welchem Ausmaß er auf gezielter Vertreibung bzw. auf von arabischer Seite aus empfohlener Flucht beruht.56

Großbritannien kündigte sein Mandat zum 15. Mai 1948; einen Tag zuvor, an einem Freitagnachmittag, kurz vor Sabbatbeginn, proklamierte David Ben Gurion, der rund vierzig Jahre zuvor in Palästina die „Poale Zion“ mitbegründet hatte, den Staat Israel, der in den nächsten Stunden und Tagen u.a. von der Sowjetunion und den USA anerkannt wurde. Am Morgen des folgenden Tages marschierten Truppen aus Ägypten, Jordanien, Syrien, dem Libanon und dem Irak, unterstützt von kleineren Einheiten aus Saudi-Arabien und dem Jemen in Israel ein. Das Ziel der Intervention war, so Abd dar-Rahman Assam, der Generalsekretär der 1945 gegründeten „Arabische Liga“, ein „Vernichtungskrieg“, der „zu einem achtbaren Massaker führen (wird), von dem man in Zukunft ebenso sprechen wird, wie von den Massakern der Mongolen und Kreuzritter“.57

Nach Beendigung des Krieges im Januar 1949 wurde das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem von Jordanien annektiert und der Gaza-Streifen kam unter ägyptische Verwaltung. In den Lagern der palästinensischen Flüchtlinge, die bis heute von einer eigens gegründeten Organisation der Vereinten Nationen, der „United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East“ (UNRWA), unterstützt werden und in den gastgebenden Ländern nie integriert wurden, entwickelte sich aus Teilen der ehemals arabisch-palästinensischen Bevölkerung des britischen Mandatsgebietes eine in viele Gruppen zersplitterte Befreiungsbewegung der palästinensischen Bevölkerung, deren Dachorganisation die 1964 gegründete PLO (Palestine Liberation Organization, Palästinensische Befreiungsorganisation) wurde, in der schon bald die 1959 gegründete Al Fatah Yassir Arafats die dominierende Rolle spielen sollte. In dem auf der 4. Sitzung des Palästinensischen Nationalrats vom 10. bis 17. Juli 1968 verabschiedeten „Palästinensischen Nationalabkommen“ erklärte die PLO die Zerstörung Israels durch bewaffneten Kampf auf völkischer Basis – „die palästinensische Identität ist ein echtes, essentielles und angeborenes Charakteristikum; sie wird von den Eltern auf die Kinder übertragen“ – zu ihrem politischen Ziel: „Der bewaffnete Kampf ist der einzige Weg zur Befreiung Palästinas“ und demzufolge sei es „eine nationale Pflicht… den Zionismus in Palästina zu eliminieren. Die Balfour-Deklaration und „alles, was sich darauf stützt“ wurden für „null und nichtig“ erklärt – also auch der Teilungsbeschluß der Vereinten Nationen des Jahres 1947, der in diesem „Nationalabkommen“ kurzerhand auf der Basis einer eigenwilligen Logik als „unvereinbar mit den Prinzipien der Vereinten Nationen“ erklärt wurde. Der Zionismus wurde als „rechtswidrige Bewegung“ bezeichnet, „die organisch mit dem internationalen Imperialismus verbunden ist“: „Er ist rassistischer und fanatischer Natur; seine Ziele sind aggressiv, expansionistisch und kolonialistisch; seine Methoden sind faschistisch.“ Auf explizite Souveränitätsansprüche über das Westjordanland und den Gaza-Streifen, jene Gebiete also, in denen heute ein palästinensischer Staat gebildet werden soll, wurde bemerkenswerterweise verzichtet.58 Das großspurige Versprechen des ersten Generalsekretärs der PLO Ahmad Schukeiri, „die Juden ins Meer (zu) treiben“, sollte jedoch nicht eingehalten werden.59 Nach der vernichtenden Niederlage der arabischen Truppen im Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 22. November 1967 die Resolution 242, mit der zum einen Israel zum Rückzug aus (den) besetzten Gebieten60 aufgefordert und zum anderen die arabischen Länder zur Anerkennung des Existenzrechts bzw. der Existenz Israels aufgefordert wurden; eine Forderung, die mit der Formel „Land gegen Frieden“ zum politischen Programm wurde. Aber bereits am 1. September des gleichen Jahres hatten die arabischen Länder auf ihrem Gipfeltreffen in Khartum ihr berühmtes dreifaches Nein verkündet: kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels und keine direkten Verhandlungen mit Israel. Auf der Basis dieser Haltung entwickelte sich in den folgenden Jahren eine weltweite Solidaritätsbewegung mit den Palästinensern, die deren antizionistische und antiisraelische Positionen oft genug weitgehend unkritisch übernehmen sollte. Erst nach jahrzehntelangen bewaffneten Auseinandersetzungen, nach Terrorismus und weiteren Kriegen sollte sich auf arabischer und palästinensischer Seite hier und da unter Aufgabe der seit Jahrzehnten eingeübten grundsätzlichen Verweigerungshaltung zumindest partiell die Erkenntnis durchsetzen, daß die Existenz Israels nicht mehr rückgängig zu machen ist und ein eigenständiger Staat Palästina nur auf der Basis der alten völkerrechtlich verbindlichen Teilungsbeschlüsse ins Leben gerufen werden kann. Im Rahmen der Friedensverhandlungen mit Israel in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre erklärten sich Yassir Arafat und der Palästinensische Nationalrat zwar bereit, jene Abschnitte des „Palästinensischen Nationalabkommens“ zu streichen, in denen zur Zerstörung Israels aufgerufen wurde, aber bis heute wurde trotz entsprechender Ankündigung kein neuer Text verabschiedet.

Parallel zu diesem schwierigen Friedensprozeß haben sich mittlerweile jedoch entscheidende politische Rahmenbedingungen geändert. Auf palästinensischer Seite hat sich im Kontext der ersten Intifada (1987ff.) mit der Hamas eine neue Organisation zu Wort gemeldet, die den schon seit den zwanziger Jahren zumindest partiell – insbesondere bei den Anhängern des Großmuftis al-Hussaini und der Muslimbrüder – religiös konnotierten Konflikt endgültig in ein nunmehr eindeutig religiös dominiertes Fahrwasser überführte. Während die PLO nach und nach das Existenzrecht Israels zumindest offiziell anerkannte, droht die Hamas als „ein Glied in der Kette des Dschihad in der Konfrontation mit der zionistischen Invasion“ in ihrer im August 1988 verabschiedeten Charta erneut die Zerstörung Israels an.61 Unterstützt wird die Hamas dabei von anderen islamistischen Organisationen wie der libanesischen, vom Iran finanzierten und unterstützten Hisbollah oder dem „Islamischen Dschihad“;62 mittlerweile sieht sich die Hamas, die den Gaza-Streifen beherrscht, als zu kompromißbereit von noch radikaleren islamistischen Organisationen unter Druck gesetzt, die wohl im Rahmen des Netzwerks der Al–Qaida operieren.

Zur gleichen Zeit hat sich in Israel seit 1967 eine Siedlerbewegung herauskristallisiert, die zunehmend von orthodoxen Juden dominiert wurde; orthodoxe Juden, die der zionistischen Bewegung ursprünglich kritisch bis ablehnend gegenüberstanden, haben nach der Gründung des Staates Israel diesen als Schritt im heilsgeschichtlichen Prozess der Erlösung des Heiligen Landes anerkannt und beanspruchen nicht nur den im Teilungsplan von 1947 den der jüdischen Bevölkerung zugesprochenen Teil Palästinas, sondern das gesamte Palästina. Unterstützt werden sie dabei von fundamentalistischen Protestanten der USA, in deren apokalyptischem Heilsplan wiederum die Übernahme des Heiligen Landes durch die Juden vorgesehen ist.63

Man könnte die Auseinandersetzungen zwischen Israelis auf der einen und Arabern und Palästinensern auf der anderen Seite seit Gründung des Staates Israel abschließend unter Vorbehalt in zwei Phasen einteilen: Eine erste, die wesentlich von eher säkularnationalistischen Ideen bestimmt war und deren Ende man mit der Wahlniederlage der Arbeiterpartei Israels im Jahre 1977 angeben könnte, und eine zweite, die zunehmend von einer allerdings auch zuvor schon existenten heilsgeschichtlich politisierten Religion dominiert wird, die wiederum alle über die Jahre hinweg diskutierten und ansatzweise erprobten politischen Lösungsversuche zu boykottieren droht.

III. Islam und Antisemitismus

Der Kern des christlichen Antisemitismus resultiert aus der Behauptung, daß Juden in Verkennung von dessen heilsgeschichtlicher Rolle für den Tod des von seinen Jüngern und insbesondere von Paulus zum Begründer der christlichen Religion erkorenen angeblichen Gottessohnes Jesus Christus verantwortlich seien und daß die Verantwortung für diese Tat gewissermaßen in Erbschuld auf alle Juden zu allen Zeiten und in allen Weltgegenden übertragen werde. Eine logische Schwierigkeit dieser Argumentation – ein ähnliches Problem hinsichtlich der Zuteilung von individueller Schuld ergibt sich bei der Interpretation der Rolle, die Judas als Verräter von Jesus in diesem heilsgeschichtlichen Drama spielt – resultiert allerdings daraus, daß der Gottessohn seine heilsgeschichtliche Rolle nur deshalb spielen konnte, weil er – dem christlichen Glauben zufolge – von Juden umgebracht wurde; hätten sie diesen heilsgeschichtlich notwendigen Mord nicht begangen, hätte der Gottessohn seine Rolle erst gar nicht spielen und somit nicht zum Begründer einer neuen Religion werden können. Auch wenn in diesem von wem auch immer determinierten Geschehen insofern von individueller oder kollektiver Schuld eigentlich überhaupt nicht die Rede sein kann, besteht im christlichen Kosmos die einzige Errettung aus dieser vertrackten Situation für die nachgeborenen Juden dieser Logik zufolge in der Taufe, d.h. in der von christlicher Seite aus allerdings immer mit größtem Mißtrauen verfolgten Konversion zum christlichen Glauben – wobei man ketzerisch die Frage anschließen könnte, welcher christliche Glaube im Falle einer Konversion wohl der heilsträchtigste sein mag.

Wenn man davon ausgeht, daß der antike, vor- und nebenchristliche Antisemitismus seine Begründung in der Ablehnung des Opfers, insbesondere des Menschenopfers durch den monotheistischen jüdischen Glauben fand, dann gewinnt der christliche Antisemitismus seine besondere Perfidie aus der Behauptung, daß gerade diejenigen, die in der Antike für ihre Ablehnung des Menschenopfers bekannt und angefeindet waren, als Exekutoren des für die eigene religiöse Identität notwendigen Menschenopfers identifiziert werden. Der Christ unterstellt dem Juden zwecks Entlastung seines vor Verantwortung zurückschreckenden psychischen Haushalts, daß er an Jesus Christus das exekutiert, was doch nur er, der Christ zu seinem Heil unbedingt braucht und ohne das er als Christ überhaupt nicht existieren würde – das Menschenopfer; die heilsnotwendige Tat wird zum ewigen Vorwurf gegen die imaginierten Täter.64

Auf diesem Hintergrund wird auch ersichtlich, daß die so genannte „Judenfrage“ nie ein Problem der Juden selbst, sondern immer eines der Antisemiten war bzw. ist; die dem Antisemiten eigenen Obsessionen sind nichts anderes als Legitimationsversuche für den ins Auge gefaßten und je nach Umständen durchgeführten Mord an den Juden – jenes Menschenopfer also, mit dessen Ablehnung durch die Juden die christlichen Antisemiten deshalb so schlecht leben können, weil es doch zum Gründungsmythos ihres historisch und theologisch in der Tradition des Judentums stehenden Glaubens gehört. Mit dem Mord an den Juden sollen also nicht nur einfach die Mörder des angeblichen Gottessohnes bestraft werden, sondern es soll vor allem auch die in den Juden verkörperte Erinnerung daran ausgelöscht werden, daß man zum eigenen Heil eines Menschenopfers bedurfte, das man wie unter Wiederholungszwang durch eben diesen Mord an den Juden dann selbst exekutiert. Der theologisch im Zentrum des Antisemitismus stehende Vorwurf des Gottesmordes wurde insbesondere seit der militanten Wende des Christentums zur Zeit der Kreuzzüge durch Vorwürfe ergänzt, Juden würden Wucherzinsen nehmen, geweihte Hostien schänden, Brunnen vergiften und christliche Kinder ermorden, weil sie deren Blut fiir rituelle Zwecke benötigten. Dies ging über Jahrhunderte hinweg einher mit Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung einerseits, Vertreibungen andererseits sowie mit Pogromen, insbesondere in Krisen- und Umbruchzeiten. Antisemitismus entwickelte sich somit zu einem Ressentiment, das Sündenböcke für unerklärliche Vorgänge in Natur (z.B. Seuchen) und Gesellschaft (z.B. revolutionäre Umwälzungen) suchte und diese durch Personalisierung somit auch für den Alltagsverstand erkennbar machte.

„Der völkische Antisemitismus“, so Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, „will von der Religion absehen. Er behauptet, es gehe um Reinheit von Rasse und Nation… Schwerlich aber ist die religiöse Feindschaft, die für zweitausend Jahre zur Judenverfolgung antrieb, ganz erloschen. Eher bezeugt der Eifer, mit dem der Antisemitismus seine religiöse Tradition verleugnet, daß sie ihm insgeheim nicht weniger tief innewohnt als dem Glaubenseifer früher einmal die profane Idiosynkrasie. Religion ward als Kulturgut eingegliedert, nicht aufgehoben… die unbeherrschte Sehnsucht wird (im Faschismus) als völkische Rebellion kanalisiert, die Nachfahren der evangelistischen Schwarmgeister werden nach dem Modell der Wagnerschen Gralsritter in Verschworene der Blutsgemeinschaft und Elitegarden verkehrt, die Religion als Institution teils unmittelbar mit dem System verfilzt, teils ins Gepränge von Massenkultur und Aufmärschen transportiert.“65 Mit diesem vertrackten „religiöse(n) Ursprung des Antisemitismus“, in dessen Folge „die Anhänger der Vaterreligion von denen des Sohnes gehaßt (werden) als die, welche es besser wissen“,66 hat der Islam erst einmal nichts zu tun. Er übernimmt zwar Teile des Personals sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments, aber stellt dieses auf der Basis einer direkt vom einzigen und alleinigen Allah selbst stammenden und durch die Vermittlung des Erzengels Gabriel in einem Zeitraum von rund zwanzig Jahren an den der Überlieferung zufolge lese- und schreibunkundigen Mohammed weitergeleiteten Erzählung – dem Koran – in einen neuen Kontext. In dieser Erzählung taucht Jesus zwar auf, aber bloß als Mensch, als Prophet in einer Reihe mit anderen Propheten und nicht als Sohn Gottes, da es keine Götter vor, neben oder nach Allah geben kann – der Vorwurf des Gottesmordes kommt somit im Islam einer Blasphemie gleich; auch dieser Erzählung zufolge wollten die Juden den Propheten Jesus zwar töten, aber durch das direkte Eingreifen Allahs wurde er gerettet (Sure 4, 157). „Während also der Islam den christlichen Bericht über die bösen Absichten der Juden gegenüber Christus akzeptiert“, so Bernard Lewis, „sieht er ihre Bestrebungen ganz eindeutig scheitern. Die Kreuzigung war in moslemischer Sicht eine Sinnestäuschung, und die ganze daraus sich ergebende Theologie und Metaphorik hat keinen Platz im moslemischen Denken und Glauben.“67

Das Bild der Juden im Koran und in der Folge in islamischen Gesellschaften ist wesentlich bestimmt durch die Erfahrungen, die Mohammed selbst mit den drei jüdischen Stämmen in Medina gemacht hat, die sich allesamt weigerten, den von ihm propagierten neuen Glauben anzunehmen und infolgedessen mit Gewalt unterworfen wurden; diesen Erfahrungen entsprechend gibt es im Koran eine ganze Reihe von Passagen, in denen in negativer und herablassender Weise von Juden die Rede ist und die entsprechende Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Muslimen und Juden mit sich brachten. In durchaus bemerkenswerten Eroberungsfeldzügen hatte sich der Islam in den ersten hundert Jahren nach Mohammeds Tod (632 n.Chr.) ein riesiges, im Westen bis Nordspanien reichendes Terrain erobert, das zuvor weitgehend von Christen und Juden bewohnt worden war (die späteren christlichen Kreuzzüge können durchaus als Reaktion auf diese Eroberungen und die damit verbundenen Folgen für die christliche Bevölkerung in dem muslimischen Großreich betrachtet werden). Juden und Christen wurde in den neuen muslimischen Gesellschaften als Anhänger der Buchreligion ein besonderer Status als „dimmis“ (Schutzbefohlene) zugesprochen.68 Diese durften, so in der Zusammenfassung bei Kiefer, „sich auf keinen Fall des Korans in spöttischer Weise bedienen; auf keinen Fall vom Propheten in verächtlicher oder lügnerischer Weise reden; keine muslimische Frau berühren bzw. heiraten; keine höheren Häuser als die Muslime bauen; ihre Glocken nicht läuten lassen; keine Pferde benutzen; keine Waffen tragen; keine neuen Kultstätten errichten. Außerdem wurden die ‚dimmis‘ dazu angehalten, besondere Abzeichen oder Kleidung zu tragen. Darüber hinaus mußten sie eine Sondersteuer – die gizya – entrichten.“69 In der Folge des Sieges Mohammeds über die Juden wurden diese als schwach, bedeutungslos, unterwürfig und minderwertig angesehen und „genossen ebenso wie andere Nichtmoslems begrenzte Rechte bei gleichzeitiger Festschreibung ihrer Minderwertigkeit“; entgegen „dem interkonfessionellen Utopia…‚ das moderne Legendenmacher erfunden haben)“‚ waren sie „ebenso wie die Christen in Theorie und Praxis Bürger zweiter Klasse“.70

Abgesehen von dem spezifisch christlichen Ursprung des Antisemitismus bleibt noch auf zwei weitere Aspekte des Antisemitismus hinzuweisen, die es in dieser Form in muslimischen Gesellschaften ebenfalls nicht oder allenfalls in Ansätzen gegeben hat. Den Juden, denen in christlichen Gesellschaften über Jahrhunderte hinweg viele Berufsfelder verschlossen blieben, ist vielfach unterstellt worden, daß sie als Hofjuden, Bankiers und als insgeheime Herren des Geldes für die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise und aller damit verbundenen sozialen Probleme verantwortlich seien; diese Unterstellung hat zeitweise auch in sozialistischen und parteikommunistischen Milieus dazu geführt, Antisemitismus gewissermaßen als eine von falschem Bewußtsein getrübte Vorform von sozialistischer Überzeugung zu interpretieren. Im Juden personifizierte sich für den Antisemiten die unverstandene Abstraktheit des kapitalistischen Produktionsprozesses, er galt als Agent der Zirkulation, als Herrscher über das Geld, das in dieser Sichtweise zur eigentlichen Triebkraft kapitalistischer Vergesellschaftung wurde; in der Gegenüberstellung von „schaffenden; und „raffendem Kapital“ hat diese Ideologie ihren treffenden Ausdruck gefunden.71 In den arabischen Gesellschaften, die in ersten Ansätzen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts und dann verstärkt im 20. Jahrhundert durch die Ausbeutung der Erdölvorräte Anschluß an eine globalisierte industrielle Waren- und Geldwirtschaft fanden und in diese zumindest partiell integriert wurden, hat eine solche produktive Kapitalbildung kaum stattgefunden, so daß Juden in dieser Hinsicht erstens weder die reale noch die ihnen zugeschriebene Rolle spielen konnten wie in den westlichen Industriegesellschaften und sie somit zweitens auch nicht als Personifizierungen des abstrakten Kapitalverhältnisses auf industrieller Basis herhalten konnten, da es dieses in einer auch nur halbwegs entwickelten Form im muslimischen Kosmos gar nicht gab.

Der dritte Aspekt des Antisemitismus – neben dem christlichen und dem ökonomischen –, der in muslimischen Gesellschaften in der aus dem Westen bekannten Form auf keinen fruchtbaren Boden fiel, ist der pseudowissenschaftliche biologistische Rassismus des 19. Jahrhunderts, der dem tradierten religiösen Antijudaismus eine dem positivistischen Zeitgeist gemäße neue Fundierung geben sollte. Das bei Muslimen beliebte Argument, Araber könnten gar keine Antisemiten sein, da es sich bei ihnen selbst um Semiten handele, ist ein darauf hinweisender beliebter Reflex, der aber insofern in die Irre geht, als der Begriff „semitisch“ ursprünglich aus der Sprachwissenschaft stammt und sich somit auf eine Sprachfamilie und nicht eine „Rasse“ bezieht und der politische Begriff „antisemitisch“ zudem immer und ausschließlich nur auf Juden angewandt worden ist. Tatsache scheint aber zu sein, daß es in muslimischen Gesellschaften insgesamt weniger Gewalt gegenüber Juden in Form von Vertreibung, Verfolgung und Pogromen gegeben hat, als dies in christlichen Gesellschaften der Fall gewesen ist. So läßt sich, die Lage von Juden in muslimischen Gesellschaften resümierend, „mit einiger Gewißheit sagen – daß sie nie frei waren von Diskriminierung, aber nur selten verfolgt wurden; daß ihre Situation nie so schlimm war wie unter der Christenheit in ihren fürchterlichsten Momenten, und nie so gut wie unter der Christenheit zu ihren besten Zeiten. Es gibt in der islamischen Geschichte keine Parallele zu der spanischen Vertreibung und Inquisition, zu den russischen Pogromen oder zum Holocaust der Nazis; es gibt aber auch nichts, was sich mit der fortschreitenden Emanzipation und gesellschaftlichen Aufnahme der Juden vergleichen ließe, die es im Laufe der vergangenen drei Jahrhunderte im demokratischen Westen gegeben hat.“72 Abgesehen von diesen die konkreten Lebensumstände betreffenden Differenzen verweist Lewis darauf, daß der „grundlegende Unterschied zwischen dem Erfolg des Juden gegen Christus und seinem Mißerfolg gegen Mohammed sich entscheidend auf die Einstellung der Judenhasser beider Religionen aus(wirkte). Für den Christen stellte er eine dunkle und tödliche Macht dar, fähig zu Taten kosmischer Bosheit. Für den Moslem mochte er feindselig, verschlagen und rachsüchtig sein, aber er war schwach und unwirksam – ein Objekt der Lächerlichkeit, nicht der Furcht. Dieses Bild der Schwäche und der Bedeutungslosigkeit konnte durch die weitere Geschichte des jüdischen Lebens in den moslemischen Ländern nur bestätigt werden.“73

Eben dies sollte sich in dem Moment grundlegend ändern, als plötzlich – unabhängig von den alten jüdischen Gemeinden in Palästina – Juden aus dem fernen Europa nach Palästina einwanderten, Land aufkauften und kolonisierten, Städte bauten, sich moderner Kommunikationsmittel bedienten, mit westlichen Lebensweisen das Alltagsleben umkrempelten, demokratische Parteien und eine Gewerkschaft gründeten, sich gegen verbale und gewalttätige Angriffe zur Wehr setzten und mit all dem trotz aller Schwierigkeiten auch noch einen solchen Erfolg hatten, daß sie schließlich ihren eigenen Staat ins Leben riefen, der dem unmittelbar nach Gründung einsetzenden militärischen Überfall seitens der ihm benachbarten arabischen Staaten nicht nur widerstand, sondern den gegnerischen Armeen eine demütigende Niederlage zufügte – ein zuvor unvorstellbarer Vorgang, der sich seither mehrfach wiederholte. Die nach Palästina einwandernden Juden erwiesen sich insbesondere in ökonomischer Hinsicht als erfolgreicher als die einheimische muslimische Bevölkerung, die seit Jahrhunderten in tradierten und stagnierenden ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen lebte, eingebunden in eine patriarchale, von Familienclans dominierte Welt. Dies widersprach in elementarer Weise einem über mehr als tausend Jahre tradierten Weltbild und einer im Alltag verfestigten Mentalität, der zufolge Juden in muslimischen Gesellschaften allenfalls eine akzeptierte Randexistenz führen durften (was die alten jüdischen Gemeinden in Palästina offensichtlich auch taten). Dieser Mentalität zufolge war Juden dieser Status nicht aufgezwungen worden, sondern er war Ausdruck einer quasi natürlichen, von jüdischer Seite aus auch akzeptierten Minderwertigkeit, so daß erst gar nicht der Gedanke aufkam, daß es sich dabei um ein gesellschaftlich vermitteltes, mit religiöser Ideologie verbrämtes Gewaltverhältnis handelte.

Die entscheidende Wende, aus der sich dann tatsächlich ein zwar nicht originärer, aber durchaus spezifischer muslimischer Antisemitismus entwickeln sollte, erfolgte im Laufe des 19. Jahrhunderts. Vermittelt vorwiegend über christliche Minderheiten und deren sich vertiefende Kontakte nach Europa, insbesondere nach England und Frankreich, tauchten zunehmend Ritualmordvorwürfe auf, wobei die sogenannte Damaskus-Affäre – von einem im Jahre 1840 mit seinem Diener verschwundenen Kapuzinermönch wurde behauptet, er sei Opfer eines von Juden zu verantwortenden Ritualmordes geworden – ein initiierende Rolle spielte. In den folgenden Jahrzehnten wurden nach und nach antisemitische Schriften ins Arabische übersetzt, darunter schließlich auch bereits in den zwanziger Jahren, kurz nachdem sie in Westeuropa populär geworden und sogleich als Fälschung erkannt worden waren, die „Protokolle der Weisen von Zion“. Verschwörungstheoretisches Denken hatte in Europa seit der Französischen Revolution Konjunktur und es waren – neben Freimaurern – insbesondere Juden, die zum personifizierten Objekt verschwörungstheoretischer Begierden und Welterklärungen wurden;74 so ist es nicht verwunderlich, daß in entsprechenden arabischen Milieus bereits die jungtürkische Revolution zu Anfang des letzten Jahrhunderts als jüdische Verschwörung gegen das Kalifat und gegen den Islam interpretiert wurde. Parallel zu dieser Entwicklung hatte im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zu wachsenden westlichen Einflüssen eine zunehmend erstarkende Rückbesinnung auf den ursprünglichen Islam eingesetzt.75

Aus diesen parallel laufenden Prozessen – Rückbesinnung auf den ursprünglichen Islam, Rezeption verschwörungstheoretischer antisemitischer Welterklärungsmuster, westliche Einflüsse und direkte Konfrontation mit dem Zionismus – entstand nach und nach eine ideologische Gemengelage, auf deren Basis die späteren Protagonisten des palästinensischen Nationalismus einer realpolitischen Lösung der konkreten sozialen und politischen Probleme in Palästina gegenüber eine Verweigerungshaltung einnahmen, an der viele bis heute in teils radikalisierter Manier festhalten. Nach der Liaison der palästinensisch-arabischen Führung in Gestalt des Großmuftis al-Hussaini mit den Nationalsozialisten76 wurde seit den fünfziger Jahren, eingebunden in sozialistische und nationalistische Ideologien, der Antisemitismus in Gestalt des Antizionismus zur geheimen Leitideologie des arabischen und palästinensischen Widerstandes gegen Israel im besonderen und gegen den Westen im allgemeinen. Während er in einer ersten Phase, auch unter dem Einfiuß des von der Sowjetunion und ihren Partnerstaaten propagierten Antizionismus77 und zugleich unter tätiger Mithilfe von nach Ägypten geflohenen Nationalsozialisten,78 in einem eher säkular-nationalistischen Rahmen propagiert wurde, sollten die allseitig verwertbaren antisemitischen Verschwörungstheorien im Zuge des Aufschwungs islamistischer Gruppierungen und der damit einhergehenden Politisierung des Islam schließlich mit entsprechenden Stellen im Koran kurzgeschlossen und in ein geschlossenes heilsgeschichtliches Konzept überführt werden.

„Die Islamische Widerstandsbewegung“, so heißt es in der „Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas“, „(strebt) danach, das Versprechen Gottes zu verwirklichen, solange es auch dauern möge“; „die Aufgabe irgendeines Teils von Palästina“, so heißt es weiter, „bedeutet, einen Teil der Religion aufzugeben“ und konsequenterweise wird geschlußfolgert, daß „die Palästinafrage im Geist der muslimischen Generationen dahingehend verankert werden (muss), dass sie eine religiöse Frage ist und auf dieser Grundlage zu behandeln ist.“79 Dies als bloßen Antizionismus zu bezeichnen wäre reiner Euphemismus, es ist schlichter eliminatorischer Antisemitismus im Sinne einer Zerstörung des Staates Israel. Festzuhalten bleibt auch, daß dieser Antisemitismus zwar durch die realpolitischen Entwicklungen seit Gründung des Staates Israel zweifellos verstärkt worden sein mag, in seinen Grundlagen – einer auf der Basis der tradierten religiösen dimmi-Ideologie verschwörungstheoretisch interpretierten und auch aus religiösen Gründen abgelehnten Einwanderung von Juden nach Palästina – aber bereits zuvor vorhanden war.

„Das Pathische am Antisemitismus“‚ so hatten Horkheimer und Adorno geschrieben, „ist nicht das projektive Verhalten als solches, sondern der Ausfall der Reflexion darin. Indem das Subjekt nicht mehr vermag, dem Objekt zurückzugeben, was es von ihm empfangen hat, wird es selbst nicht reicher sondern ärmer. Es verliert die Reflexion nach beiden Richtungen: da es nicht mehr den Gegenstand reflektiert, reflektiert es nicht mehr auf sich und verliert so die Fähigkeit zur Differenz. Anstatt der Stimme des Gewissens hört es Stimmen; anstatt in sich zu gehen, um das Protokoll der eigenen Machtgier aufzunehmen, schreibt es die Protokolle der Weisen von Zion andern zu… Die Geschlossenheit des Immergleichen wird zum Surrogat von Allmacht. Es ist, als hätte die Schlange, die den ersten Menschen sagte: ihr werdet sein wie Gott, im Paranoiker ihr Versprechen eingelöst. Er schafft alle nach seinem Bilde… Als Philosoph macht er die Weltgeschichte zur Vollstreckerin unausweichlicher Katastrophen und Untergänge. Als vollendet Wahnsinniger oder absolut Rationaler vernichtet er den Gezeichneten durch individuellen Terrorakt oder durch die wohlüberlegte Strategie der Ausrottung… Wie Frauen den ungerührten paranoiden Mann anbeten, sinken die Völker vor dem totalitären Faschismus in die Knie.“80

IV. Linke und Antisemitismus

„Man muß den Juden als Nation alles verweigern und ihnen als Einzelpersonen alles gewähren; sie dürfen im Staat weder eine politische Einrichtung noch einen Orden bilden. Sie müssen für ihre Person Bürger sein.“ In dieser Bemerkung von Stanislas Comte de Clermont-Tonnerre,81 gefallen während der Verhandlungen der französischen Nationalversammlung im Dezember 1789, ist die ganze Widersprüchlichkeit auch der seinerzeit als aufgeklärt geltenden Haltung gegenüber den Juden enthalten. Auf der einen Seite die christlich tradierte und offensichtlich unausrottbare Angst vor der Besonderheit der Juden, aus der sich noch das spätere verschwörungstheoretische Denken speisen sollte, das sich auch jenes Geschehen, in dessen Rahmen diese Bemerkung fiel, die Französische Revolution, nur als Resultat des untergründigen Wirkens u.a. von Juden imaginieren konnte, auf der anderen Seite der aus dieser Angst folgende Wunsch, die Besonderheit der Juden – analog zur Konversion im christlich-kirchlichen Kosmos – im Prozeß der bürgerlichen Emanzipation, d.h. der rechtlichen Gleichstellung des jüdischen Individuums im Rahmen der Nation, zum Verschwinden zu bringen. Damit war zugleich ein zukunftsträchtiger und bis heute immer wieder aufbrechender Konflikt benannt, der weit über die so genannte „Judenfrage“ hinausweisen und erst im Zuge der Durchsetzung der nationalistischen Ideologien und deren nationalstaatlicher Umsetzungen voll zum Ausbruch kommen sollte.

Die Vertreter einer universalistischen Idee einer alle überkommenen politischen, sozialen und kulturellen Besonderheiten letztlich aufhebenden prinzipiellen rechtlichen und sozialen Gleichheit aller Individuen sahen sich schon bald mit nationalistischen und rassistischen Unterscheidungskriterien konfrontiert, die neue Ausgrenzungen mit sich brachten und damit zugleich neue kollektive Identitäten stifteten. Es dauerte in Frankreich noch knapp zwei Jahre, bis zum 27. September 1791, ehe die Nationalversammlung die im Dezember 1789 noch abgelehnte bürgerliche Emanzipation der Juden tatsächlich verfügte. Jenseits des Rheins, in den von einer zentralstaatlichen Einigung zu dieser Zeit noch weit entfernten „teutschen Landen“, brachte zwei Jahre später, 1793, der angehende und später auch gegen die Franzosen hetzende Nationalphilosoph Johann Gottlieb Fichte in seiner Schrift „Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution“ die grassierende Angst vor den Juden auf den Punkt: „Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei. Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein ander Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken.“82

Fünfzig Jahre später war, zumindest in Deutschland, noch immer nicht klar, wie die Emanzipation der Juden auf aufgeklärte Art und Weise auf den Weg zu bringen sei. Im Anschluß und in Übereinstimmung mit Bruno Bauer stellte Karl Marx 1843 in seiner berühmten, für manche auch berüchtigten Schrift „Zur Judenfrage“ einleitend fest, daß „die deutschen Juden… die staatsbürgerliche, die politische Emancipation (begehren)“.83 Im Gegensatz zu Bauer, der die Meinung vertrat, daß die Juden zwecks politischer Emanzipation ihre Religion aufzugeben, sich also in klassischer Manier zu assimilieren hätten, vertrat Marx die Ansicht, daß eine solche politische Emanzipation grundsätzlich eine unvollständige Emanzipation bleibe, da sie zwar, so Marx, Religionsfreiheit, Freiheit des Eigentums und Gewerbefreiheit bringe, aber nicht von Religion, Eigentum und Gewerbe befreie; anzustreben sei von daher eine weiterreichende gesellschaftliche Emanzipation, die eine Befreiung von eben diesen Zwängen zum Ziel habe. Eingebunden in diesen Zwiespalt zwischen politischer und gesellschaftlicher Emanzipation identifizierte Marx den „wirklichen weltlichen Juden“‚ den „Alltagsjuden“, mit „Eigennutz“, „Schacher“ und mit Geld; dieses wiederum „ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins und dies fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an“. „Durch ihn und ohne ihn (den Juden)“, so heißt es bei Marx weiter, ist „das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden“; d.h., daß die bloß politische Emanzipation der Juden darin besteht, sich des Geldes, in dem Marx zu dieser Zeit noch die eigentliche Antriebskraft der gesellschaftlichen Entwicklung und in dessen Herrschaft er die Ursache der zu überwindenden Entfremdung sah, im Rahmen der entfremdeten Verhältnisse zu bedienen. Insofern Juden somit zwar nicht zum Verursacher, aber im Rahmen auch ihrer politischen Emanzipation zum Träger dieses im Geld symbolisierten gesellschaftlichen Prozesses werden, „(wäre) die Emancipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judenthum die Selbstemancipation unsrer Zeit“; als Resümee konnte Marx im berühmten Schlußsatz seiner Schrift somit festhalten: „Die gesellschaftliche Emancipation des Juden ist die Emancipation der Gesellschaft vom Judenthum.“84 Ob diese Argumentation von Marx als originär antisemitisch zu interpretieren ist, sei einmal dahingestellt;85 Tatsache jedenfalls ist, daß in seiner Argumentation im Zusammenhang mit Juden Begriffe auftauchen, die für eine auf die Zirkulationssphäre sich beziehende Kapitalismuskritik von Relevanz sind, so daß es nicht verwunderlich ist, daß Marx von einer antisemitischen oder antisemitisch konnotierten Kapitalismuskritik durchaus vereinnahmt werden kann. Man könnte den zitierten Schlußsatz von Marx aber auch in dem Sinne interpretieren, daß im Verlauf der gesellschaftlichen Emanzipation, d.h. der Befreiung nicht nur von politischen, sondern auch von sozialen Zwängen, jegliche – also nicht nur, aber eben auch die jüdischen – religiösen, nationalen und kulturellen Besonderheiten als Beschränktheiten erkannt und aufgehoben werden; das wäre dann, positiv formuliert, jener an klassenanalytischen und somit vornehmlich sozialen Kriterien sich orientierende universalistische Internationalismus, unter dessen Signum die Arbeiterbewegung und in deren Kontext auch der Arbeiterzionismus die Proletarier aller Länder befreien und damit die Klassenverhältnisse, zu deren Konstituierungsprozeß die Proletarier ihren Teil beitragen, auflieben wollte.

In der sozialen und politischen Realität ist dieser proletarische Internationalismus jedoch immer nur Ideologie gewesen; in den Industriegesellschaften haben auch sozialistische Parteien und Gewerkschaften je eigene, gegebenenfalls auch – wie sich bei Kriegsausbruch 1914 zeigen sollte – national überhöhte Interessen vertreten und in Bezug auf die Kolonialländer haben auch Sozialisten zumindest bis 1914 durchweg die Position eingenommen, daß die kolonisierte Bevölkerung mit Hilfe der Kolonialisten erst einmal auf das angeblich zivilisierte Niveau der Industriegesellschaften zu emanzipieren sei. Tatsächlich hat der Antisemitismus, insbesondere dann, wenn er ökonomische Prozesse in personalisierender Weise mit Hinweis auf die Verantwortlichkeit von Juden glaubte erklären zu können, nicht nur in bürgerlich-mittelständischen, sondern immer auch in proletarischen Milieus Anklang gefunden. In der Sozialdemokratie vor 1914 ist man gegenüber diesem Antisemitismus, wie z.B. nicht nur Friedrich Engels’ Brief „Über den Antisemitismus“ vom April 1890,86 sondern auch die bereits zitierte, August Bebel zugesprochene Definition des Antisemitismus als „Sozialismus der dummen Kerls“ zeigt, politisch jedoch immer auf Distanz geblieben. Allerdings hat man sich, wie die von Bebel vorgeschlagene Resolution zum Thema „Antisemitismus und Sozialdemokratie“ des Kölner Parteitages von 1893 zeigt, einer Illusion hingegeben, die davon zeugt, daß man die soziale Dynamik des Antisemitismus auf eine fast schon euphorische Weise falsch einschätzte: „Die Sozialdemokratie bekämpft den Antisemitismus“, so heißt es in dieser Resolution, „als eine gegen die natürliche Entwicklung der Gesellschaft gerichtete Bewegung, die jedoch trotz ihres reaktionären Charakters und wider ihren Willen schließlich revolutionär wirkt, weil die von dem Antisemitismus gegen die jüdischen Kapitalisten aufgehetzten kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Schichten zu der Erkenntniß kommen müssen, daß nicht blos der jüdische Kapitalist, sondern die Kapitalistenklasse überhaupt ihr Feind ist und daß nur die Verwirklichung des Sozialismus sie aus ihrem Elende befreien kann.“87 Diese Vorstellung, daß an ein als falsch erkanntes Bewußtsein anzuknüpfen und dieses in emanzipatorischer Absicht in revolutionärem Sinne weiterzuentwickeln und der Antisemitismus damit erledigt sei, hat sich, auch wenn später unter anderen Umständen und in anderen Milieus immer wieder daran angeknüpft wurde, in jeder Hinsicht als Illusion und somit gewissermaßen selbst als falsches Bewußtsein erwiesen. Wenn also dem sozialdemokratischen Milieu und seinen Theoretikern etwas vorzuwerfen ist, dann nicht, daß man den Antisemitismus akzeptiert, aktiv unterstützt oder programmatisch in Anspruch genommen hat, sondern daß man dessen – wie sich erweisen sollte – mörderische Dynamik nicht erkannt und folglich auch nicht entsprechend bekämpft hat.

Auch in dieser Hinsicht knüpfte die KPD in der Weimarer Republik an die Sozialdemokratie an; während diese als Stütze der Republik vorwiegend Realpolitik betrieb und allenfalls noch an ihrem Rand linke Legitimationstheorie zuließ, sah sich die KPD gezwungen, ihren vom theoretischen Ansatz her klassenanalytisch begründeten und prinzipiell systemtranszendierenden Anspruch mit realen Bewußtseinslagen nicht nur in der Bevölkerung im allgemeinen, sondern auch in der Arbeiterklasse als erstem Ansprechpartner der Partei im besonderen zu verbinden. In dem Maß, in dem in der Weimarer Republik nationalistische – und damit auch antisemitische – Strömungen an Zulauf und Einfluß gewannen, sah sich die KPD somit vor die Herausforderung gestellt, sich von diesen von vorneherein entweder klar und deutlich zu distanzieren oder aber Gefahr zu laufen, sich mit ihnen auf opportunistische Weise gemein zu machen. Es waren insbesondere zwei Ereignisse, bei denen sich zeigen sollte, daß die KPD den Anspruch erhob, nicht nur die spezifischen Interessen der Arbeiterklasse, sondern die des deutschen Volkes insgesamt, zumindest seines „schaffenden“ bzw. „werktätigen“ Teils, zu vertreten, das sie im Kontext des Versailler Vertrages und der dadurch eingegangenen Verpflichtungen den Interessen des internationalen Kapitals ausgesetzt sah. Es waren dies zum einen die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische Truppen im Januar 1923 und zweitens der rasante Aufstieg der Nationalsozialisten seit Ende der zwanziger Jahre. Die durch ausstehende Reparationszahlungen verursachte Besetzung des Ruhrgebietes rief in Deutschland quer durch alle sozialen Schichten Proteste hervor und die Reichsregierung reagierte mit einem Aufruf zu passivem Widerstand. Als das frühere Freikorpsmitglied Albert-Leo Schlageter von den Franzosen wegen Sabotage zum Tode verurteilt und Ende Mai 1923 hingerichtet wurde, nahm die KPD dies zum Anlaß, u.a. über gemeinsame Diskussionsveranstaltungen mit Nationalisten ihrem Anspruch auf eine klassenübergreifende Vertretung der Interessen des gesamten deutschen Volkes Ausdruck zu verleihen und eine „nationale Einheitsfront von unten“ zu propagieren. Der von Karl Radek mit einer Rede im Juni 1923, in der er Schlageter als „mutige(n) Soldat(en) der Konterrevolution“ bezeichnete, der „(es) verdient, von uns Soldaten der Revolution männlich-ehrlich gewürdigt zu werden“,88 eingeleitete sogenannte „Schlageter-Kurs“ fand einen bezeichnenden Höhepunkt in einer Ende August 1923 vor völkischen Studenten gehaltenen Rede Ruth Fischers, in der diese sich wie folgt äußerte: „Sie rufen auf gegen das Judenkapital, meine Herren? Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. Sie sind gegen das Judenkapital und wollen die Börsenjobber niederkämpfen. Recht so. Tretet die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie. Aber meine Herren, wie stehen Sie zu den Großkapitalisten, den Stinnes, Klöckner…?“89 In ähnlichem Tenor sprach Hermann Remmele in einem Diskussionsbeitrag auf einer Veranstaltung der NSDAP in Stuttgart im August 1923 von „jüdische(m) Finanzkapital“ und Heinrich Brandler stellte in seinem am 4. August 1923 in der „Roten Fahne“ erschienenen Artikel „Schwarzhemden und Sowjetblusen“ das „verjudete Finanzkapital“ dem „arische(n) Industrie- und Agrarkapital“ gegenüber.90

Diesen Anspielungen auf Juden und jüdisches Kapital im allgemeinen, jüdisches Groß- oder Finanzkapital im besonderen, die sich über Jahre hinweg in zahllosen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sowie Reden von führenden Mitgliedern der KPD finden, liegt im Prinzip, wie dies schon in der Vorkriegssozialdemokratie der Fall war, die Annahme zugrunde, daß es sich beim Antisemitismus in nationalen und völkischen Milieus um eine Art rudimentäres, aber fehlgeleitetes Klassenbewußtsein oder zumindest ein Bewußtsein von Ausbeutung handele, das man, indem man sich darauf einläßt, gewissermaßen abholen und in ein richtiges proletarisches und revolutionäres Klassenbewußtsein im Sinne der KPD umleiten könne. Tatsächlich hat man die antisemitischen Ressentiments, indem man sie reproduzierte, sich auf sie einließ und sie als Diskussionsstandpunkt ernst nahm, jedoch eher bestätigt und verstärkt als bekämpft; man muß darüber hinausgehend wohl auch annehmen, daß sie nicht nur in einem taktischen Sinne als zu widerlegender Standpunkt aufgegriffen, sondern hier und da wohl auch selbst geteilt wurden.

Einen letzten programmatischen Versuch, sich gegenüber den Nationalsozialisten als die wahre nationale Alternative zu präsentieren, unternahm die KPD mit ihrer Ende August 1930 veröffentlichten „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“. Die Begrifflichkeit spricht für sich: national rangiert vor sozial und die Arbeiterklasse ist dem Volk untergeordnet; folglich war auch nicht mehr von einer Arbeiterrevolution, sondern von einer Volksrevolution die Rede, wobei Volk jedoch nicht im biologistisch-rassistischen Sinne, sondern im Sinne eines Bündnisses verschiedener sozialer Schichten definiert wurde. Den Kampf um das deutsche Volk hatte die KPD gut zwei Jahre später jedoch verloren und es dauerte immerhin bis Ende der dreißiger Jahre, bis zu den Novemberpogromen des Jahres 1938, ehe man auch in ihren Reihen zu begreifen begann, daß Antisemitismus mehr und anderes war als bloß falsches oder auf falsche Wege geleitetes Klassenbewußtsein. Aber auch wenn sich in parteikommunistischen Milieus, so Haury resümierend, „zahlreiche strukturelle Affinitäten und auch einige inhaltliche Berührungspunkte zum antisemitischen Weltbild aufweisen lassen“ (z.B. „strikter Manichäismus“, „werktätiges“ bzw. „schaffendes“ versus „ Volksfeinde“, „internationales Kapital“), „kann man die KPD (zweifellos) nicht als antisemitische Partei bezeichnen“.91

Abgesehen von den antisemitischen Einlassungen bzw. Einlassungen auf den Antisemitismus im Kontext der eher tagespolitischen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern aus dem nationalistischen bzw. nationalsozialistischen Lager gibt es seitens der KPD in den Jahren der Weimarer Republik insgesamt nur drei Texte, die sich grundsätzlicher mit der „Judenfrage“, mit Antisemitismus und mit Zionismus auseinandersetzen, wobei Otto Hellers Werk „Der Untergang des Judentums“ die Folie für die beiden kürzeren Texte abgibt.92 „Noch einmal“, so der einleitende und gewissermaßen zugleich schon resümierende Satz in Hellers Buch, „zum letzten Mal, taucht Ahasver auf, der ewige Jude. Sein Weg durch die Jahrtausende ist beendet, seine Aufgabe ist erfüllt.“93 Diese Erfüllung findet der „ewige Jude“ nicht etwa in der „zionistischen Utopie, die nichts anderes ist als der Versuch des Rückweges auf jener Straße, die Ahasver dreitausend Jahre lang marschiert ist“,94 sondern, wie nicht anders zu erwarten, in der proletarischen Revolution, im realen sowjetischen Sozialismus, dort, wo „mit der Vernichtung aller Voraussetzungen, die den Juden zu einer besonderen gesellschaftlichen Kategorie stempeln, allem jüdischen Nationalismus und allen Hoffnungen auf Rettung des historischen Judentums der Garaus gemacht“ wird95 – der Jude wird zum produktiven Arbeiter eines grandiosen sozialistischen Aufbauwerkes: „Der Palästinatraum wird längst schon der Historie angehören, wenn in Birobidjan Automobile, Eisenbahn, Dampfer fahren, die Schlote gewaltiger Fabriken rauchen und die Kinder einer freien, jüdischen Arbeiter- und Bauerngeneration in blühenden Gärten herumspringen werden.“96

Von der bürgerlich konzipierten Emanzipation der Juden im Kontext der Französischen Revolution über Marx und die Sozialdemokratie bis zu den Kommunistischen Parteien und ihren Projektionen zieht sich ein zentrales Element durch alle Lösungsvorschläge zur so genannten Judenfrage: Juden sollten auf ihre religiösen, kulturellen und nationalen Besonderheiten verzichten und sich in die bürgerliche bzw. noch zu verwirklichende sozialistische Gesellschaft integrieren – Emanzipation der Juden war in dieser Tradition schlichte Assimilation.97 Konsequenterweise stieß jene Lösung, die seit Ende des 19. Jahrhunderts von zionistischer Seite aus vorgeschlagen wurde, die Auswanderung nach Palästina und die Konstituierung eines eigenen Gemeinwesens auf nationaler Basis, sowohl bei Vertretern der bürgerlichen Emanzipation im Sinne von Assimilation als auch bei Sozialdemokraten und Kommunisten auf großen Widerstand; Sozialdemokraten lehnten vor dem Ersten Weltkrieg den Zionismus durchgehend ab und konnten sich erst nach dessen Ende, im Kontext neuer Mächtekonstellationen und nachdem den Juden auf völkerrechtlicher Basis eine Heimstatt in Palästina versprochen worden war, mit der Idee eines eigenständigen jüdischen Gemeinwesens bzw. Staates anfreunden,98 während Kommunisten die sowjetische Idee, als Alternative zu Palästina im sibirischen Birobidshan eine Art Heimstätte für Juden zu errichten, propagierten. Erst nach 1945, nach der Shoah, konnten sich Sozialdemokraten gewissermaßen bedingungslos und Kommunisten zumindest für eine kurze Zeitspanne mit der Gründung des Staates Israel anfreunden, wobei bei der Entscheidung der Sowjetunion, den Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 zu unterstützen sowie den Staat Israel unmittelbar nach seiner Ausrufung im Mai 1948 anzuerkennen, zweifellos strategische Überlegungen im Hinblick auf politischen Einfluß im Nahen Osten eine Rolle gespielt haben dürften.

„Der Eintritt der Kolonialvölker in den Entscheidungskampf um die Befreiung der Arbeit… ist das Fanal des nahenden Endes der kapitalistischen Ordnung“, hatte Otto Heller 1931 geschrieben und damit einen Aspekt angesprochen, der in Bezug auf das zionistische Palästinaprojekt noch eine von ihm sicherlich nicht vorhergesehene Rolle spielen sollte.99 Mit der Spaltung der Arbeiterbewegung in einen sozialdemokratischen und einen parteikommunistischen Flügel trat auch hinsichtlich der Haltung zu den Kolonialvölkem eine entscheidende Wende ein. Hatte die Sozialdemokratie gegenüber diesen Völkern noch weitgehend die eurozentristische Haltung der Kultur- und Zivilisationsstifter eingenommen, so sollten sie in der parteikommunistischen Strategie alsbald eine wichtige Rolle im Rahmen des Projekts der Weltrevolution spielen. Dabei wurde von parteikommunistischer Seite aus der zum proletarischen Internationalismus transformierte bürgerliche Universalismus in dem Maße vehement propagiert, wie er realpolitisch unterlaufen wurde. Als die selbst proklamierte Führung der Weltrevolution in Moskau nach dem Scheitern insbesondere der deutschen Revolution die Hoffnungen auf eine internationale Unterstützung der eher durch einen Putsch als eine Revolution eingeleiteten russischen Umwälzungen aufgeben mußte, sah sie sich gezwungen, die realen nationalen Interessen der neuen Sowjetunion als „Sozialismus in einem Land“ zu propagieren. Die von der Sozialdemokratie abgespaltenen Kommunistischen Parteien der Industrieländer wurden nach und nach zu außenpolitischen Filialen der Moskauer Politik umfunktioniert und mußten zu diesem Zweck auf jeweils nationaler Ebene eine strategisch entsprechend ausgerichtete Bündnispolitik betreiben. Das hatte zur Folge, daß sie sich auf nationaler Ebene mit den jeweils dominanten politischen Kräften, die, nachdem die nach dem Ersten Weltkrieg auch in Europa bekannt und populär gewordenen „Protokolle der Weisen von Zion“ ein simples Erklärungsmodell für die politischen und ökonomischen Krisen der Kriegs- und Nachkriegsjahre anboten, oft genug nicht nur strikt nationalistisch, sondern insbesondere auch antisemitisch orientiert waren, nicht nur auseinandersetzen, sondern – wie das deutsche Beispiel zeigte – gegebenenfalls auch gemein machen mußten.

Analog zu dieser doppelten Nationalisierung parteikommunistischer Politik – dem Moskauer Nationalismus entsprach die inhaltlich an den strategischen Interessen dieses Moskauer Nationalismus orientierte nationale Ausrichtung der Kommunistischen Parteien in den Industrieländern – wurde auf einem „Kongreß der Völker des Ostens“ in Baku im September 1920 das Recht der Völker, insbesondere der später so genannten Dritten Welt auf nationale Selbstbestimmung proklamiert;100 realpolitisch hieß das auf lange Dauer nichts anderes, als daß die neue Sowjetmacht in den von den westlichen imperialen Mächten kolonisierten und ökonomisch ausgebeuteten Ländern Bündnispartner für die eigenen Interessen suchte. Damit war auf allen Ebenen, in der Sowjetunion selbst, in den Industrieländern mit ihren hier und da durchaus starken oder einflußreichen Kommunistischen Parteien und in den Kolonialländern, eine jeglichem internationalistischem Anspruch widersprechende Nationalisierung der kommunistischen Bewegungen eingeleitet; als Internationalismus galt in der Folge das, was den nationalen Interessen des Moskauer und später – nach den Auseinandersetzungen zwischen der Sowjetunion und China – des Pekinger Zentrums dienlich war.

Schon bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der politischen Neuordnung des Nahen Ostens unter englischer und französischer Mandatsherrschaft eskalierte in Palästina der Konflikt zwischen zwei nationalen Bewegungen, der zionistischen auf der einen und der sich langsam herauskristallisierenden arabisch-palästinensischen auf der anderen Seite; auch wenn das zionistische Projekt von parteikommunistischer Seite aus strikt abgelehnt wurde, versuchte man mit Hilfe der Gründung einer Kommunistischen Partei Palästinas Einfluß in der Region zu gewinnen, was jedoch insofern zum Scheitern verurteilt war, als zum einen die arabisch-muslimische Seite sich inhaltlich zunehmend an islamischen Traditionen und Werten orientierte und sich schließlich sowohl ideologisch als auch machtpolitisch an die Nationalsozialisten, die als Antipoden zur britischen Mandatsmacht angesehen wurden, anlehnte, und zum anderen die zionistische Seite sich naturgemäß nur schwerlich mit einem kommunistischen Projekt anfreunden konnte, das den Zionismus ablehnte.

Die kurzfristig positive Haltung der Sowjetunion gegenüber den palästinensischen Juden und gegenüber Israel in den Jahren 1947/1948 wurde schon bald von einem grundsätzlichen Antizionismus und einer distanzierten bis feindlichen Haltung gegenüber Israel abgelöst. Bereits im November 1948 begann mit der Liquidierung des 1941 gegründeten „Jüdischen Antifaschistischen Komitees der Sowjetunion“ eine bis zum Tod Stalins 1953 anhaltende und sich in unterschiedlichen Ausmaßen über den gesamten Ostblock einschließlich der DDR erstreckende antisemitische Kampagne, die zahlreiche Verhaftungen, Deportationen und Morde mit sich brachten.101 Gleichzeitig begann, im wesentlichen bestimmt von strategischen Interessen, die Abwendung Moskaus von Israel und die Hinwendung zu den arabischen Staaten und deren nationalistischen Befreiungsideologien, die sich zum einen aufgrund der historischen Erfahrungen gegen den kolonialistischen Westen im allgemeinen und zum anderen gegen den jüdischen Staat Israel, der als dessen Vorposten auf muslimischem Gebiet angesehen wurde, richteten. Bereits Otto Heller hatte 1931 vom „imperialistische(n) Kern der zionistischen Bewegung“102 geschrieben; Israel als Staat gewordene zionistische Bewegung wurde in der Folge konsequenterweise als kolonialistischer, imperialistischer und schließlich gar rassistischer und faschistischer Staat dargestellt. In der Logik dieser Argumentation konnte die Aufgabe der arabischen Staaten und der von diesen unterstützten nationalen palästinensischen Befreiungsbewegungen nur darin bestehen, diesen Staat zu zerstören. Dieser neue sowjetische Antizionismus, der auf dem Hintergrund strategischer Interessen im Kontext des Kalten Krieges an die alte Tradition der sozialdemokratischen und parteikommunistischen Ablehnung des Zionismus anknüpfte, ging auf der Basis des tradierten Konzepts der nationalen Befreiung ein Bündnis mit dem arabisch-palästinensischen Antizionismus ein, das in der Folge des Sechs-Tage-Krieges vom Juni 1967 nicht nur die sowjetisch orientierte, sondern unterschiedlichste Fraktionen der Linken in bis heute nicht überwundene inhaltliche Turbulenzen stürzen sollte, die nicht nur die Frage nach dem Einfluß von antisemitischem Denken in der Linken, sondern auch das Konzept der nationalen Befreiung überhaupt betreffen.

Antisemitisches Denken in der Linken, so läßt sich vorerst resümieren, findet zwei Anknüpfungspunkte: Zum einen dann, wenn Juden als die geheimen Drahtzieher hinter dem in seiner Logik unverstandenen kapitalistischen Produktionsprozeß gelten und man demzufolge glaubt, an diesem redundanten antisemitischen Bewußtsein ansetzen und dieses in eine sozialistische oder kommunistische Kritik am Kapitalismus überführen zu können. Zum zweiten dann, wenn man aus einer grundlegend antizionistischen Perspektive heraus den aus jüdischem Nationalismus resultierenden jüdischen Staat Israel als ein kolonialistisches, imperialistisches, rassistisches und faschistisches Projekt glaubt denunzieren zu können und diesem Projekt den positiv unter dem Aspekt einer vorgeblichen nationalen Befreiung angesehenen Nationalismus der Palästinenser gegenüberstellt, ohne dabei dessen islamistisch-antisemitische Fundierung zu berücksichtigen.

V. Linke und Antizionismus

Einige entscheidende Argumente, die insbesondere nach dem Sechs-Tage-Krieg vom Juni 1967 gegen den Zionismus im allgemeinen und den Staat Israel im besonderen von linker Seite aus vorgebracht und in den folgenden Jahrzehnten immer wieder wiederholt wurden, sind bereits vor 1945 von zwei Autoren entwickelt worden, deren diesbezügliche Bücher nach 1967 wieder entdeckt und veröffentlicht worden sind: Otto Heller und Abraham Léon. Beide hatten ihr Konzept einer Lösung der „Judenfrage“ im Anschluß an die entsprechenden Überlegungen des jungen Marx mit der Idee einer allgemein-menschlichen Emanzipation in Form einer proletarischen Revolution unter Führung einer Kommunistischen Partei und der damit einhergehenden Aufhebung der Warengesellschaft verbunden, der eine in einer leninistisch-stalinistischen, der andere in einer leninistisch-trotzkistischen Variante; beide waren Juden, strikte Gegner des Zionismus und beide sind nach Auschwitz deportiert worden, wo Léon ermordet wurde, während Heller nach der Evakuierung von Auschwitz in einem Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen an Entkräftung starb.

Otto Hellers Werk „Der Untergang des Judentums“ erschien zuerst im Herbst 1931 und in einer zweiten durchgesehenen und erweiterten Auflage Anfang 1933; diese zweite Auflage wurde 1975 von den „Palästina-Komitees Bonn und Aachen“, versehen mit einem dreiseitigen, strikt antizionistisch und propalästinensisch argumentierenden Vorwort von Hans Weingartz vom Palästina Komitee Bonn, als Nachdruck neu herausgegeben. „Eine wesentliche Neuerung“, schrieb Heller im Vorwort zur zweiten Auflage, „erhielt das Kapitel über den Zionismus. In der ersten Auflage waren der imperialistische Charakter des Zionismus und die Darstellung der Lage der jüdischen Arbeiter in Palästina nur mangelhaft behandelt worden. Die irrige Kennzeichnung des Araberaufstandes von 1929 als Pogrom wurde ebenso ausgemerzt, wie die zu mechanische Bewertung der ‚kollektiven‘ Siedlungen in Palästina.“103

Für Heller ist der Zionismus als Versuch einer „politische(n) Konstitution der Juden als Nation“104 in erster Linie nicht Reaktion auf den Antisemitismus – dieser ist allenfalls „eine seiner Veranlassungen“ –, sondern eine nationalistische „Bewegung des jüdischen Mittel- und Kleinbürgertums“ (in der zweiten Auflage ergänzt um die Angestellten) als Reaktion auf den „Zusammenbruch und Auflösungsprozeß der jüdischen Kaste“ im Zuge der „fortschreitende(n) Klassendifferenzierung und großkapitalistische(n) Monopolisierung“, sprich der fortschreitenden Assimilation der jüdischen Bevölkerung je nach Klassenlage entweder in das (Groß)bürgertum oder in das Proletariat;105 die nationalistische Reaktion des „Mittel- und Kleinbürgertums“ kann in dieser Sichtweise dann nur rückwärtsgewandt im Sinne eines Festhaltens an überkommenen und Gegensteuerns gegen fortschrittliche Integrationstendenzen der jüdischen Bevölkerung, also reaktionär und konterrevolutionär sein. „Es gibt“, so Heller, „nur zwei Wege für das Judentum: seine Assimilation an die kapitalistische Gesellschaft oder, wo breite Massen jüdischen Proletariats und verelendeten jüdischen Kleinbürgertums vorhanden sind, die Lösung der Judenfrage durch den Sozialismus, durch die Diktatur des Proletariats, die Kapital, Handel, Wucher, Ausbeutung, Warenproduktion vernichtet und dadurch die soziale Umschichtung der Juden ermöglicht.“106 Heller erkennt zwar an, daß trotz aller bürgerlichen und proletarischen Assimilationsbestrebungen Antisemitismus existiert und daß der Zionismus insofern auch „von der Existenz des Antisemitismus abhängig“ ist, geht aber in der für die damalige Arbeiterbewegung offensichtlich nicht unüblichen fortschrittsoptimistischen Blauäugigkeit von dessen notwendigem „Verschwinden“ aus,107 wobei er sich auf Lenin bezieht, der 1903 aus aktuellem Anlaß in einer seiner üblichen Kampfschriften, aus denen sein Werk im wesentlichen besteht, gegen das „Märchen der Zionisten von der Ewigkeit des Antisemitismus“ polemisiert hatte.108 Eine Bestätigung ex negativo für diese Annahme findet er bei dem Zionisten Arthur Ruppin, der 1920 in seinem Buch „Die Juden der Gegenwart“ geschrieben hatte, daß „der Niedergang des Antisemitismus den Niedergang des Zionismus im Gefolge haben (würde)“.109 Aus einer solchen fortschrittsoptimistischen Sicht konnte die Rolle der Juden in den verschiedenen Gesellschaften, insofern sie dieser Interpretation zufolge den Status einer eigenen Nation gewissermaßen schon überwunden hatten, sogar als beispielhaft für die Zukunft interpretiert werden; die Juden waren einer solchen Betrachtungsweise zufolge, der jeglicher Antisemitismus als schlichtweg überholte und wenig zukunftsträchtige ideologische Reaktion galt, das internationalistische und somit beispielhaft zukunftsweisende Element in den in historischer Sicht rückständigen Nationalstaaten. Allerdings greift eine solche Denkweise zumindest implizit, ähnlich wie der Rückgriff auf antisemitische ökonomische Motive hinsichtlich der Funktion von Juden in der kapitalistischen Wirtschaft in der politischen Agitation linker Parteien, auf eine klassische Argumentation des Antisemitismus zurück – die Unterstellung, daß Juden, eben weil sie keine eigene Nation bilden, als internationales Element schon immer national unzuverlässig und somit gegen Assimilation gefeit seien.

Abgesehen von dem gewissermaßen geschichtsphilosophisch begründeten Untergang des Judentums im Rahmen der schon von Marx prognostizierten allgemeinen Emanzipation mußte Heller zufolge „der definitive Bankrott des Zionismus… notgedrungenerweise in dem Moment erfolgen, da die allgemeine ökonomische und soziale Entwicklung die Kolonialfrage, die Befreiung der Kolonialvölker vom imperialistischen Joch auf die Tagesordnung stellte“. Und weiter: „Die Periode des Unterganges des Judentums ist, da sie identisch ist mit der höchsten und letzten Etappe des Kapitalismus, mit dem Beginn des Untergangs und der Vernichtung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, identisch mit der Periode des Aufstiegs und des beginnenden Befreiungskampfes der Kolonialvölker… An diesem kleinen Malheur muß er (der Zionismus), neben dem andern kleinen Irrtum, den Zusammenhang zwischen Judentum und Warenproduktion nicht zu kennen, scheitern und zerschellen.“110 Diese Parallelisierung des Untergangs des Judentums mit dem Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaft einerseits sowie dem Beginn des Befreiungskampfes der Kolonialvölker andererseits erfuhr in der zweiten Auflage von Hellers Buch noch eine wichtige Ergänzung. Bereits in der ersten Auflage war die Rede vom „imperialistische(n) Kern der zionistischen Bewegung“111, aber erst in der zweiten Auflage erteilte Heller dem Imperialismus die zwischenzeitlich offensichtlich notwendig gewordene Würdigung. Die Balfour-Deklaration, also jenes Dokument, das einen ersten wichtigen Erfolg der in der Sicht Hellers bis dahin kleinbürgerlichen zionistischen Bewegung markierte, bezeichnete nunmehr „den Abschluß der kleinbürgerlichen und den Beginn der imperialistischen Periode im Zionismus“; jetzt „(übernimmt) ein Teil der jüdischen Großbourgeoisie die Führung der Bewegung, die ausschließlich ihren Interessen und denen des britischen Imperialismus dient“, wobei „(aber) die zionistische jüdische Bourgeoisie ebensowenig eine selbständige Rolle (spielt)“, wie in Deutschland der „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“.112 An anderer Stelle der zweiten Auflage hieß es noch deutlicher: „Die jüdische Großbourgeoisie, die in ihm (dem Zionismus) die Führung innehat, versucht auf diese Weise eine eigene imperialistische Rolle am Schwanz des britischen und amerikanischen Imperialismus zu spielen. Sie erschöpft sich darin, ,kriegerischer Vortrupp‘, Agent des britischen Imperialismus in Palästina zu sein.“113 Und noch ein weitere wichtige Änderung in der zweiten gegenüber der ersten Auflage ist höchst bemerkenswert: In der ersten Auflage wurde das Jahr 1929 für Heller zum „Schicksalsjahr der zionistischen Bewegung“, da es „im August dieses Jahres zum blutigen Araberaufstand, zu großen Judenpogroms (kam), der ersten Frucht der britischen imperialistischen Politik“.114 In der zweiten Auflage hieß es dagegen zum „Schicksalsjahr“: „Im August kam es zum Araberaufstand, der sich gegen die Zionisten als Schrittmacher des britischen Imperialismus wenden mußte“ und den „die Zionistenführer… zu einer gewaltigen nationalistischen und antikommunistischen Hetze benutzten.“115 Aus dem negativ konnotierten und bei Heller eher passiv-reaktiven Pogrom war nunmehr ein positiv konnotierter und bewußt aktiver Aufstand mit antiimperialistischer Absicht geworden. Damit waren insgesamt alle Ingredienzen zusammengerührt, an die einige Jahrzehnte später ein sich in der hier skizzierten Tradition fortschrittlich gebender Antizionismus ungebrochen glaubte anknüpfen zu können: Antikapitalismus, Antiimperialismus, eine antikoloniale Befreiungsbewegung und mittendrin das zum Untergang verurteilte Judentum, diesmal in Gestalt des Staates Israel. Ein „Fehler“ allerdings, so Hans Weingartz vom Palästina Komitee Bonn in seinem Vorwort zum Nachdruck der zweiten Auflage, war Otto Heller unterlaufen, die Annahme, „daß das Ende des Zionismus kurz bevorstand“. „Aber“, so Weingartz weiter, „der Zionismus hat noch verschiedene ‚Schicksalsjahre‘ bis heute erlebt, der faschistische Antisemitismus hat ihm tausende von jüdischen Menschen in die Arme getrieben; doch eins ist durch die Errichtung Israels, durch die tatsächlich erfolgte Entwicklung, bestätigt worden, praktisch bestätigt worden, was Otto Heller vorausgesagt hatte: die Errichtung eines künstlichen ‚nationalen‘ Gebildes der Juden in Palästina hat nicht nur nicht zu einer Lösung der Judenfrage geführt, sie hat zudem noch ein neues Problem geschaffen: die Vertreibung des palästinensischen Volkes.“116 Diesem Problem auf welche antizionistische Weise auch immer beizukommen, sollte zweifellos auch die Neupublikation von Hellers zukunftsfrohen Spekulationen über den „Untergang des Judentums“ dienen.

Einem weiteren Werk, in den frühen vierziger Jahren geschrieben und erstmals im Jahre 1946 in französischer Sprache und 1971 schließlich in deutscher Übersetzung erschienen, kommt in Bezug auf diese Problemlösung aufgrund seiner breiteren Rezeption eine vielleicht noch größere Bedeutung zu: Abraham Léons „Judenfrage und Kapitalismus“.117 Léon schrieb sein Werk in der Gewißheit, daß angesichts des „Hitlerismus“ „das Judentum von vollständiger Ausrottung bedroht (ist)“.118 Aber auch er geht davon aus, daß die „idealistischen Konzeptionen des Zionismus“ fälschlicherweise von einem „Dogma des ewigen Antisemitismus“ ausgehen und den „modernen Antisemitismus auf alle Zeiten“ übertragen;119 das heißt nichts anderes, als daß er in guter – oder schlechter – marxistischer Tradition den ihm gegenwärtigen Antisemitismus, also auch den, der gerade sein Ausrottungswerk betreibt, in verkürzter ökonomistischer Manier aus den aktuellen Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals, dem „Niedergang des Kapitalismus“,120 glaubt ableiten zu können. Diesem Niedergang, „der letzte(n) Phase des bereits morschen Kapitalismus“,121 verdankt sich andererseits auch der Zionismus als „Reaktion“ auf diesen spezifischen modernen Antisemitismus bzw. als „Ideologie des jüdischen Kleinbürgertums, das zwischen den Ruinen des Feudalismus und dem absterbenden Kapitalismus zerrieben wurde“.122 Moderner Antisemitismus in diesem Sinne und Zionismus bedingen sich somit gegeneinander – beide sind ohne den Niedergang des Kapitalismus nicht vorstellbar: „Der Kapitalismus im Niedergang hat die Juden ins Nichts geworfen… Das Judentum verlor den Boden unter den Füßen und wurde weithin ein gesellschaftlich deklassiertes Element. Der Kapitalismus hat nicht nur die gesellschaftliche Funktion der Juden, sondern auch die Juden selbst verurteilt.“123 Im Gegensatz zu Heller, der das Loblied auf die Lösung der Judenfrage in der Sowjetunion in Form der Ansiedlung und Proletarisierung der Juden im sibirischen Birobidshan singt, hält der Trotzkist Léon, der in dieses Loblied auf die assimilatorischen „Erfolge“ der stalinistischen Nationalitätenpolitik eher verhalten einstimmt, als Ergebnis der in seiner Sicht kleinbürgerlich-zionistischen Reaktion auf die kapitalistische Krise und den daraus resultierenden Antisemitismus sogar „einen relativen Erfolg des Zionismus…‚ derart etwa, daß eine jüdische Mehrheit in Palästina entsteht“ und „sogar die Bildung eines ‚jüdischen Staates‘“ in Palästina für denkbar, den er sich aber erstens „unter der vollständigen Herrschaft des englischen oder amerikanischen Imperialismus“ imaginiert und der zweitens „als eine offensichtliche Zurückdrehung der Geschichte… noch einmal der Beginn der Lösung der jüdischen Frage“ wäre.124 Um einen solchen Neubeginn zu verhindern kann es, wie nicht anders zu erwarten, nur eine Lösung geben: die „Zerstörung des Kapitalismus“ durch „sozialistischen und revolutionären Kampf“.125

Dabei „fallen die Interessen der jüdischen Klassen mehr oder minder mit denen der Arbeiterklassen der ganzen Welt zusammen“, so daß man sich sogar der Hoffnung hingeben kann, daß in Palästina „eine fruchtbare Annäherung zwischen arabischen und jüdischen Arbeitern stattfindet“.126 An diese realhistorisch zwar wenig belegte, ansonsten aber beliebte Vision schließt das Nachwort der „Trikont-Verlagskooperative“ direkt an: „Die Lösung der ‚jüdischen Frage‘ ist heute… bis zu einem gewissen Grade zum Problem des Staates Israel geworden. Sie ist daher nur im Rahmen einer sozioökonomisch übergreifenden Neuordnung des Nahen Ostens insgesamt denkbar, d.h. im Rahmen einer revolutionär-sozialistischen Umgestaltung Palästinas und der angrenzenden Staaten. Dieser Gedanke braucht kaum näher ausgeführt zu werden; es zeigt sich immer mehr, daß der ‚nationale Kampf‘ im Nahen Osten zwischen Juden und Arabern nur ein ideologischer – sich allerdings militärisch manifestierender – Überbau über dem sich faktisch in diesem Raum konkretisierenden Klassenkampf ist und dass die progressiven Organisationen innerhalb der arabischen wie der israelischen Bevölkerung die mögliche Lösung immer mehr allein in der Bewußtmachung und Realisierung dieses Klassenkampfes in Israel wie innerhalb der arabischen Staaten sehen müssen.“127 Diese im etwas pompösen Stil der Zeit gehaltene und gleichermaßen viel- wie nichtssagende „Klassenkampfanalyse“ scheint noch Jahre später den Hinweis auf einen „Mangel an deutschschreibenden Autoren, die für qualifizierte Untersuchungen von Nahost-Problemen in Frage kommen“ zu bestätigen, zu dem sich die Herausgeber der seit 1960 von den „Deutsch-Israelischen Studiengruppen“ herausgegebenen Zeitschrift „Diskussion. Zeitschrift für Probleme der Gesellschaft und der deutsch-israelischen Beziehungen“, die sich ausschließlich dem „israelisch-arabischen Konflikt“ widmete, im Editorial der im Oktober 1967 erschienenen Ausgabe 23 veranlaßt sahen.128

Eine der frühen linken Publikationen, mit der auf diesen Mangel reagiert wurde, war die Übersetzung eines Gesprächs mit Isaac Deutscher über den Sechs-Tage-Krieg, das zwei Monate vor dessen Tod (19. August 1967) mit Redakteuren der englischen Zeitschrift „New Left Review“ geführt und in deren Heft 44/1967 veröffentlicht worden war.129 Deutscher ordnet nicht nur den Krieg vom Juni 1967, sondern den israelisch-arabisch-palästinensischen Konflikt insgesamt „in die große Auseinandersetzung zwischen dem Imperialismus (oder Neokolonialismus) und den um ihre Emanzipation ringenden arabischen Völker“ ein, wobei er Israel als „Vorposten des Westens“ im arabischen Raum ansieht.130 Insofern ist der Konflikt zwar ein nationaler, allerdings zwischen einem unterdrückerischen Nationalismus auf der einen – der israelischen – Seite, und einem sich aus der neokolonialen Umklammerung befreienden emanzipatorischen Nationalismus auf der anderen – der palästinensischen und arabischen – Seite. Deutscher verfällt jedoch bei aller scharfen Kritik an der israelischen Politik, der er „Kampfeslust, Arroganz und Fanatismus“ sowie „chauvinistische Arroganz und Verachtung für andere Völker“ unterstellt, oder an Politikern wie Ben Gurion, den er als den „böse(n) Geist des israelischen Chauvinismus“ bezeichnet,131 nicht in jene in antizionistischen Milieus sich schon bald breit machende Einseitigkeit, die Israel in dem Maße verteufelt wie sie den arabisch-palästinensischen Widerstand hochjubelt. Er registriert nicht nur „die anhaltende Rückständigkeit“, den „Mangel an freier Diskussion“ und die „nationalistische Demagogie“ in den arabischen Ländern,132 sondern warnte die Araber in Anspielung auf die Bebel zugeschriebene Bezeichnung des Antisemitismus als „Sozialismus der dummen Kerls“ auch „vor dem Sozialismus oder Antiimperialismus der Narren“.133 Insbesondere jedoch forderte er in aller Deutlichkeit die Anerkennung von Israels „Recht auf Existenz“ sowie „klare Zusicherungen und Bürgschaften, daß Israels berechtigte Interessen geachtet würden und Israel sogar willkommen wäre als Mitglied einer zukünftigen Nahost-Föderation“.134 Deutscher hat nicht mehr erlebt, daß die arabischen Staaten noch im September 1967 auf das israelischen Angebot „Land gegen Frieden“ mit einer dreifachen Ablehnung reagierten – keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel und kein Frieden mit Israel – und es mag dahingestellt bleiben, ob er genau eine solche intransigente Haltung mit „Antiimperialismus der Narren“ gemeint haben könnte. Wenn, dann dürften sich zweifellos auch die Antizionisten aller Länder, die sich dieser arabisch-palästinensischen Haltung bis heute verpflichtet fühlen, davon angesprochen fühlen.

Ein Jahr nach der Übersetzung von Deutschers Gespräch erschien die deutsche Übersetzung eines zuerst im November 1967 zusammen mit Deutschers Gespräch in „Les Temps Modernes“ erschienenen Aufsatzes von Simcha Flapan, der als direkte Antwort auf Deutscher geschrieben worden war.135 Flapan, der in den fünfziger Jahren Mitbegründer eines „Jüdisch-arabischen Bundes“ und der Zeitschrift „New Outlook“ war und später ein kritisches Buch über die „Geburt Israels“ veröffentlichte,136 verwehrte sich entschieden gegen diverse Einseitigkeiten bei Deutscher und setzte sich insbesondere mit der seit den zwanziger Jahren in den nationalistischen arabischen und allgemein in kommunistischen Milieus und auch von Deutscher vehement vertretenen Behauptung auseinander, der zufolge der Zionismus bzw. der Staat Israel die Rolle eines imperialistischen Agenten, zuerst der Briten und später der Amerikaner spielen würden. Mit Hinweisen auf das zögerliche Verhalten der letzteren zur Zeit der Gründung des Staates Israel oder auch auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Israel und insbesondere mit Verweis darauf, daß „der amerikanische Imperialismus in seinem Kampf gegen den sozialistischen Fortschritt der arabischen Welt mächtige Verbündete unter den Arabern selbst (fand)“ und „sein wirklicher Verbündeter der arabische Feudalismus und Kapitalismus und die arabische Reaktion (bleibt)“,137 kann er diesem beliebten antizionistischen Mythos den Boden entziehen und schlußfolgern: „Der Anti-Zionismus ist der ‚Anti-Imperialismus von Idioten‘ geworden.“138 Von besonderer Bedeutung scheint aber, daß Flapan in seiner Analyse der Vorgänge, die zum Sechs-Tage-Krieg führten, auf ein Thema eingeht, das auch seinerzeit schon lange aktuell war, in den befreiungsbewegten antizionistischen Milieus aber offensichtlich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden ist: die religiöse Komponente des arabisch-palästinensischen Nationalismus. Er fragt z.B. wieso Deutscher sich zwar despektierlich zu Rabbis an der Klagemauer äußerte, aber „nicht von den Imams angewidert war, die den heiligen Krieg (Jihad) in den Moscheen predigen“.139 In den letzten Wochen und Tagen vor Beginn des Krieges, so Flapan, gab man in den arabischen Ländern „die anti-imperialistische Terminologie auf und ersetzte sie durch eine andere Sprache: arabische Ehre, arabische Würde, die große arabische Nation, arabisches Heldentum, Islam wurden die geheiligten Werte, die man im ‚Heiligen Krieg‘ gegen Israel verteidigen mußte… In den Moscheen riefen die Imame das Volk dazu auf sich am ‚Heiligen Krieg‘ zu beteiligen. Shukairy, der Chef der palästinensischen Befreiungsorganisation, hielt einen triumphalen Einzug in Jersualem und erklärte: ‚Es wird keine Überlebenden geben.‘ Die Atmosphäre kommt in einer Rede des Präsidenten Aref vom Irak sehr deutlich zum Ausdruck: ‚Das ist die Gelegenheit, unsere Schande auszulöschen. Die Armeen der befreiten arabischen Länder erwarten diesen Tag mit Ungeduld. Sie sind von dem ernsthaften Wunsch und Willen beseelt, diese Schande auszulöschen, Israel auszulöschen und eine Million heimatloser Menschen in ihr eigenes Land zurückzuführen.‘“140 In einem zwei Jahre nach der französischen Erstausgabe des Artikels speziell für die deutschsprachige Buchausgabe geschriebenen Nachtrag resümiert Flapan die weitere Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf die positive Rezeption bestimmter von Deutscher angesprochenen Themen wie folgt: „Die Analyse von Deutscher… ist die ,offizielle Theorie‘ der Nahost-Situation in arabischen progressiven Bewegungen geworden, in den revolutionären Bewegungen der ‚Dritten Welt‘ sowohl als auch in beträchtlichen Teilen der kommunistischen Bewegung aller Schattierungen. Die israelisch-amerikanische ‚Verschwörung‘ und der ‚kolonialistische‘ Charakter Israels sind ein Axiom geworden. Es wurde ein ‚ideologisches Klima‘ geschaffen, in dem eine rein nationalistische Bewegung wie Al Fatah, deren in sozialer Hinsicht reaktionärer Charakter sogar von den Arabern selbst kritisiert wird, sich in die Linke als eine ‚revolutionäre Befreiungsbewegung‘ durch das einfache Mittel der Anwendung einer ,anti–imperialistischen‘ Terminologie einführen konnte.“141 Mit diesen wenigen Worten hat Flapan schon frühzeitig die wichtigsten Fragmente eines aus verschiedenen Theorie- und Traditionsbeständen diverser Spielarten des Nationalismus und des Sozialismus zusammengeklaubten antizionistischen Glaubensbekenntnisses zusammengefaßt, das in den entsprechenden Milieus bis heute wie ein Schutzschild vor sozialen und politischen Realitäten gehütet und verteidigt wird.

Im gleichen Jahr, 1969, erschien in Paris ein Buch, das zu einer Art Bibel des internationalen antizionistischen Milieus werden sollte: „Le sionisme contre Israel“ des damaligen Trotzkisten Nathan Weinstock, das 1975 in einer von Eike Geisel und Mario Offenberg bearbeiteten und gekürzten Ausgabe in deutscher Übersetzung herausgegeben wurde.142 Auch bei Weinstock tauchen im Anschluß an eine relativ ausführliche Darstellung der Entstehungsgeschichte Israels im Kapitel über „Die zionistische Struktur Israels und der Imperialismus“ die bereits bekannten Topoi aus dem seit den zwanziger Jahren tradierten antiimperialistischen Ideologiehaushalt auf: Israels „Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten“, seine „Kollaboration mit dem westlichen Imperialismus“, sein Status als „‚Wachhund‘ des Imperialismus im Nahen Osten“ und im Innern als „Vortrupp des Imperialismus gegen die Revolution“.143 Im Kontrast dazu werden der „Widerstandskampf des palästinensischen Volkes“ und insbesondere „der linke Flügel der Palästinensischen Befreiungsbewegung“ insofern als positiv eingeschätzt, als zur Zufriedenheit des die Weltrevolution anvisierenden westlichen Intellektuellen immerhin „öffentlich“ erklärt wird, „daß der palästinensische Kampf vor allem ein Klassenkampf ist, der im Zusammenhang mit der gesamten arabischen Welt gesehen und zu Ende geführt werden muß“ und man „konkret – wenn auch noch verworren – auf der Suche nach einem achtbaren Status für die israelische Gemeinschaft im zukünftigen Palästina“ ist.144 Zum Abschluß wird dann im Stil der Zeit darauf verwiesen, daß es zwecks „internationale(r) Kampfkoordinierung vom Persischen Golf bis zum Atlantischen Ozean“ einer „die revolutionären Sozialisten des Nahen Ostens vereinigenden Organisation“ bedarf – zu welchem Zweck sich seinerzeit zweifellos eine der zahllosen trotzkistischen Kleinstgruppen angeboten haben wird –, die „auf regionaler Ebene die internationale Arbeitereinheit“ und den „gemeinsamen Kampf von Arabern und Juden für nationale und soziale Selbstbestimmung“ vorantreibt – man beachte, daß auch hier, wie schon 1930 in der „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ der KPD, der nationale Aspekt den Vorrang vor dem sozialen einnimmt, d.h. daß der in die Länder der Dritten Welt projizierte Befreiungskampf der wie auch immer unterdrückten Völker die Rolle des wenig revolutionären heimischen Proletariats übernommen hat und somit die Klasse durch das Volk ersetzt worden ist. Darüber hinaus kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die revolutionären Kämpfe, die in solcherlei „Analysen“ ausgefochten werden, wenig oder auch gar nichts mit den tatsächlich auch kaum untersuchten jeweiligen sozialen und politischen Verhältnissen vor Ort zu tun haben, sondern Resultate der Lektüren revolutionärer Texte aus den Traditionsbeständen verflossener revolutionärer Bewegungen bzw. Debatten sind; auf eine merkwürdige Art erinnert dies nicht nur an den klassischen Universalien- bzw. Nominalismusstreit, sondern auch an die später zur Mode gewordene poststrukturalistische oder auch schlicht postmoderne Behauptung, die Welt sei nichts als Text.

Von besonderem Interesse für den Begründungszusammenhang eines spezifisch bundesdeutschen linken internationalistischen Antizionismus ist die von Eike Geisel und Mario Offenberg, den beiden Herausgebern von Weinstocks Buch, verfaßte „Einleitung“, deren Thematik von beiden Autoren in ihrem Nachwort „Die gegenwärtige Vergangenheit – Zur Aktualität von Isaac Deutschers Schriften zur jüdischen Frage“ zu dem zwei Jahre später ebenfalls von ihnen herausgegebenen Band „Die ungelöste Judenfrage“ von Isaac Deutscher wieder aufgegriffen wurde.145 Unter Rückgriff auf bekannte Argumentationsmuster wird gleich zu Anfang festgehalten, daß es im Kontext der seinerzeit aktuell werdenden Akzeptanz einer „Teilstaatlösung“ seitens der PLO darauf ankomme, „günstige strategische Positionen, autonome befreite Gebiete als Ausgangspunkt der Intensivierung des Kampfes auf allen Ebenen zu schaffen“ und, ohne „den Zionismus zu akzeptieren und Israel anzuerkennen“, darauf hinzuarbeiten, daß die israelischen Juden als „nicht-arabische nationale Minderheit“ eine Art „Recht auf Selbstbestimmung“ in einem einheitlichen palästinensischen Staat erhalten.146 Im Anschluß an diese antizionistische Positionsbestimmung, die dem Zionismus entgegen dessen realer Geschichte jeglichen sozialistischen Anspruch abspricht und ihm stattdessen unterstellt, die das zionistische Projekt seinerzeit legitimierende „Unaufhebbarkeit des Antisemitismus“ in den Gesellschaften West- und Osteuropas als „Theorem des geschichtslosen Antisemitismus“ selbst zu produzieren, mit anderen Worten, in gewisser Weise selbst für den Antisemitismus verantwortlich zu sein, beschäftigen sich Geisel und Offenberg mit dem ihnen zufolge sowohl von israelischer, d.h. zionistischer, als auch deutscher Seite aus vorgetragenen Vorwurf, der Antizionismus sei nichts anderes als eine Form von Antisemitismus. „Die Linke sei antisemitisch, heißt es – nur weil sie nach einem langen, durchaus widersprüchlichen, und noch keineswegs abgeschlossenen Erkenntnisprozeß antizionistische und antiimperialistische Positionen in der Analyse der Palästinafrage bezieht. Die demagogische Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus, wiewohl schon Jahrzehnte im Gebrauch, hat ihre besondere bundesrepublikanische Bestimmung gefunden und… als Instrument der Manipulation gute Dienste geleistet.“147 Der Antisemitismusvorwurf gegen die Linke dient demzufolge sowohl der konservativen Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit, als auch der Rechtfertigung der politischen Zustände der Gegenwart. Wenn man den Nationalsozialismus – Geisel/Offenberg gebrauchen durchgehend den Begriff Faschismus – im historischen Rückblick zum einen auf den Antisemitismus reduziert und sich zum anderen nach dem Mai 1945 unverzüglich als philosemitisch und insbesondere nach dem Sechs-Tage–Krieg als prozionistisch zu erkennen gibt, ohne zu begreifen, daß mit dieser „philosemitischen Maske“, dieser „‚positiven Verachtung‘ des Juden“‚ „nur die erneute Besonderung des Juden ins Werk gesetzt worden“ ist,148 dann ist die entsprechende Folgerung aus dem Antisemitismusvorwurf gegen die Linke nur logisch: „ Wenn die antiimperialistische Kritik der Linken antisemitisch ist, dann schlägt man mit der Linken die faschistische Gefahr.“149 Und mehr noch: Indem man die Linke somit ins faschistische Lager verschiebt, kann man sich selbst als die einzig wahren Antifaschisten präsentieren: „Der unbestreitbare Nachholbedarf der westdeutschen Bourgeoisie an antifaschistischem Widerstand“, so Geisel/Offenberg, wird angesichts der Krise zynisch so eingelöst, daß sich deren Vollstrecker und Nutznießer ein antifaschistisches Mäntelchen umhängen im Kampf gegen die Linke.“150 Diese wiederum tut gut daran, der sowohl von den Konservativen als auch von den Zionisten bzw. den Israelis propagierten Gleichsetzung von Zionismus und Judentum, von Zionisten und Juden gründlich zu mißtrauen, führt dies doch zu fragwürdigen politischen Aktionen wie dem Bombenanschlag auf die Jüdische Gemeinde in Berlin im November 1969 oder der unter Beteiligung zweier Deutscher durchgeführten Selektion nichtisraelischer jüdischer Passagiere bei der Entführung eines französischen Flugzeuges nach Entebbe im Sommer 1976, die als antizionistisch zu bezeichnen Geisel und Offenberg zufolge zum einen von einem historisch und theoretisch wenig durchdachten Zionismus- bzw. Antizionismusverständnis zeugt und zum anderen auf das „Denken eines Großteils der Linken, die begriffslos die philosemitische durch eine proarabische Perspektive ersetzt hat“ und damit zugleich auch auf eine durchaus nicht angebrachte „kritiklose Anbetung der arabischen und palästinensischen Nationalbewegung“ verweist.151

In diesen wenigen kritischen Anmerkungen zu einer weitgehend begriffs- und theorielos im Kosmos antiimperialistischer und für revolutionäre Projektionen weit offenen Befreiungsbewegungen operierenden Linken sowie im Hinweis darauf, daß „(die Linke) in der Auseinandersetzung mit Palästina und der Judenfrage immer auf unvergleichliche Weise zurückverwiesen (wird) auf die eigene Geschichte“, deutet sich bereits an, daß Geisel nur wenige Jahre später, im wesentlichen wohl mit bedingt durch die Reaktionen der linken Milieus auf den Libanonkrieg des Jahres 1982, seine Illusionen nicht nur über die philosemitische deutsche Rechte, sondern auch über die antizionistische deutsche Linke endgültig verloren hatte. Der Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon im Sommer 1982, um gegen die von dort aus gegen Israel operierenden Einheiten der PLO vorzugehen, führte in der Bundesrepublik zu erheblichen Protesten gerade auch in linken Milieus, bei denen von einem „israelischen Vernichtungskrieg“, von „Völkermord“, von einem „Holocaust an den Palästinensern“, einem „umgekehrten Holocaust“, einer „Endlösung der Palästinenserfrage“, von „faschistischen Konzentrationslager(n)“ und ähnlichem die Rede war.152 Nicht nur Geisel hatte den Eindruck, daß es weiten Kreisen der Linken um mehr ging als bloß um eine in der Sache vielleicht durchaus zu rechtfertigende Kritik an der Politik Israels; der auffällige und perfide Vergleich der israelischen Politik mit der tatsächlichen Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten ließ vielmehr die Vermutung aufkommen daß „mit der Reaktion der deutschen Linken auf den Krieg im Libanon eine Entwicklung zum Abschluß (kommt), die man – vom Resultat her betrachtet – als die geglückte doppelte Rehabilitierung der Deutschen als Deutsche bezeichnen muß. Geglückt deshalb, weil sie, wie der allumfassende Eifer in der ‚deutschen Frage‘ oder die einvernehmliche Sorge über die Ausländer zeigen, eine innere Verbundenheit gestiftet hat, die vom letzten Sponti bis zum ersten Mann des Staates reicht. Und doppelt aus folgendem Grund: Der Gleichsetzung von Israelis und Nazis voraus und diese erst ermöglichend ging der Rollentausch von Juden und Deutschen. Letztere waren auf einmal die Opfer.153 Angesichts der schon früher erfahrenen und registrierten theoretischen und praktischen Begriffsstutzigkeit der deutschen Linken gegenüber dem Problem eines fundierten linken Antizionismus (Anschlag auf die Berliner Jüdische Gemeinde 1969, Selektion jüdischer Passagiere bei der Flugzeugentführung in Entebbe, Gleichsetzung von Zionismus und Judentum) zeigt die „neudeutsche Linke“ mit ihrer Reaktion auf den Libanonkrieg, daß sie offensichtlich vergessen hat, „daß nicht die Glorie Herzls über Israel schwebt, sondern der traumatisierende Schatten Hitlers, und aus diesem Vergessen erhebt sich der Antisemitismus in neuer Gestalt. So demagogisch es ist, Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen, so richtig ist die Feststellung, daß die geschichtslose Unschuld, die sich revolutionär gebärdet, an Israel einen neuen Universalfeind gefunden hat.“154 „Und wenn Auschwitz vergleichbar wird“, so resümiert Geisel, „dann steht dem neuen Patriotismus nicht einmal mehr die bloß noch hypothetische Unterscheidung in Links und Rechts im Wege“,155 womit die bundesdeutsche Linke ihre eigene nationale Heimstätte, ihr eigenes Deutschland zwar „noch nicht wiedervereinigt, aber wiederentdeckt“ hat.156

Mit diesem realpolitischen Scheitern des Versuchs, die bundesdeutsche Linke auf einen theoretisch durchaus begründbaren und in linken bzw. linksradikalen Klein(st)gruppen gepflegten linken internationalistischen Antizionismus zu verpflichten, der sich der Tradition eines emphatisch verstandenen Internationalismus im Sinne einer Aufhebung aller sozialen und kulturellen und damit auch religiösen Differenzen verpflichtet fühlt und sich nicht den identitätsstiftenden Versuchungen national-völkischer Befreiungsbewegungen oder gar der Suche nach der eigenen verlorenen nationalen Heimat ergibt, stellt sich allerdings auch die Frage, ob ein solcher linker internationalistischer Antizionismus jenseits aller theoretischen Begründungen überhaupt politikfähig ist oder ob er nicht gerade jene Legitimation für völkisch-nationale Optionen liefert, die ein tradierter Nationalismus für sich aufgeklärt dünkende Zeitgenossen angesichts seiner desaströsen Geschichte zu liefern nicht mehr in der Lage ist. Warnungen vor dieser Gefahr eines Abdriftens vorgeblich antizionistischer Haltungen in plumpen Antisemitismus hat es nach dem Sechs-Tage-Krieg früh und durchaus auch zur Genüge gegeben. Abgesehen von den in der Einleitung zitierten entsprechenden Hinweisen und Warnungen Jean Amérys hat z.B. der Philosoph Michael Landmann bereits 1971 darauf hingewiesen, daß es „vielleicht gerade das luxurierende utopische Moment“ der Neuen Linken ist, „das, der Bewährungsprobe an der Realität ausgesetzt, zum Niedergang führt“ und daß „eine der Hauptfronten…‚ an denen der Wandel sich entschied und offenbarte, die Stellungnahme zu Israel (war). Israel wurde der neuen Linken zum Schiboleth. Als bei einer Berliner Demonstration 1969 Angehörige der Außerparlamentarischen Opposition sich als El-Fatach-Leute verkleideten, da war der angebliche Demonstrationszug in Wahrheit ein Leichenzug, in dem eine Hoffnung zu Grabe getragen wurde.“157 Die Schrift, in der diese frühe Erkenntnis, der Geisel gut zehn Jahre später und um einige Illusionen ärmer wohl zugestimmt hätte, formuliert wurde, tat er 1977 noch als „Pamphlet“ mit einem „akademischen, gleichwohl kabarettreifen Titel“ ab, das mit seiner Kritik an Deutscher zur „Diffamierung jüdischer Kommunisten und Sozialisten“ beitrage.158 Auch eine weitere Kritik an Deutscher aus dem Jahr 1976 fand 1977 keine Gnade vor den strengen Augen des antizionistischen Richters, da sie „von einem jungen Repräsentanten des ‚anderen Deutschland‘, wie ihn sich das zionistische und das westdeutsche Establishment wünschen“, verfaßt war und es sich zudem bei dem Buch um eine „aus der Perspektive des Verfassungsschutzes geschriebene Nachzeichnung der Israeldiskussion in der Linken handelt“.159 Ernst Vogt hatte in seiner auch heute noch lesenswerten und im besten Sinne aufklärerischen Dokumentation „Israel-Kritik von links“160 nicht nur Deutschers Schrift aus dem Jahr 1967 zu kritisieren gewagt, sondern insbesondere „zwei Aspekte“ der Diskussion um den israelisch-palästinensischen Konflikt „sichtbar zu machen“ versucht: „einmal, welchen historischen Erfahrungen eine Linke sich entfremden mußte, um in einem unvorhersehbaren Prozeß schnellen Wandels von der Aufkündigung der Solidarität mit Israel bis zur zumindest intellektuellen Teilhabe an der gegen Israel gerichteten Vernichtungsdrohung zu gelangen; zum anderen, in welchem Umfang heute veröffentlichte Meinung solcher Gruppen, deren Israel-Kritik sich bis zur erklärten Israel-Feindschaft wendet, in ihrem Einflußbereich ein Klima schafft, das zur Unterdrückung des Aufkommens jeder Gegenmeinung führt, ihre Vertreter gegen Selbstzweifel immunisiert und die Fähigkeit zur Entwicklung von Alternativlösungen zu einem den israelisch-arabischen Konflikt eskalierenden ausweglosen oder in die Katastrophe führenden Freund-Feind-Denken nicht nur bei sich selbst paralysiert.“161 Im gleichen Jahr, in dem Vogts Dokumentation erschien, veröffentlichte Henry M. Broder einen ursprünglich für den Rundfunk (NDR/WDR) geschriebenen Text „Antizionismus – Antisemitismus von links?“, in dem er gleich zu Beginn klarstellte, daß in seiner Sicht „der Antizionismus in seinem Wesen, seiner Methodik und seiner Zielsetzung mit dem Antisemitismus identisch (ist)“.162 Broder wertete für seinen Text mehrere hundert Artikel aus rund einem Dutzend Zeitungen und Zeitschriften des damaligen linken Spektrums aus und analysierte sie im Hinblick auf vier Aspekte: „die Geschichte, Entstehung und Ziele des Zionismus; die Gründung des Staates Israel; der israelisch–arabische Konflikt; die Wege zur Lösung des Konflikts“.163 Abgesehen davon, daß die bereits bekannten Argumentationsmuster – Zionismus als kleinbürgerliche Reaktion auf den Antisemitismus, als Kolonialismus, als imperialistischer Brückenkopf, als verantwortlich für einen vorgeblichen Völkermord an den Palästinensern etc. – immer wieder wiederholt werden, stellt sich heraus, daß diese Ideologisierung historischer Ereignisse ihre Ursache offensichtlich auch in einem eklatanten Mangel an historischem Wissen hat, was aber zugleich die Frage nach sich zieht, wieso diesem Mangel nicht abgeholfen wird. „Das Engagement der antizionistischen Linken im Nahostkonflikt“, so resümiert Broder, „wird nicht so sehr von der Sympathie für die Palästinenser als von der Antipathie gegen die Juden bestimmt… Die kategorische Ablehnung jeder Kompromißlösung, das Bestehen auf der ‚Auslöschung Israels‘ zeigt, daß hier ein tiefes und starkes Ressentiment über alle Vernunft gesiegt hat. Für die extreme Rechte, die sich hier mit der radikalen Linken trifft… ist es gleichzeitig die nachträgliche Rechtfertigung dessen, was den Juden angetan worden ist.“164 Zehn Jahre später veröffentlichte Broder sein Buch „Der ewige Antisemit“, in dem er seine Analyse des zeitgenössischen, unter neuen Etiketten auftretenden Antisemitismus auf der Basis einer erweiterten Materialbasis fortsetzte.165 Der Antizionismus im Sinne einer Kritik an Israel ist zu diesem Zeitpunkt längst kein Privileg der Linken mehr; die philosemitische Begeisterung, die deutsche Konservative zwecks historischer Entlastung nach dem Sechs-Tage-Krieg für Israel hegten und die seinerzeit die linke Abneigung gegen Israel zweifellos reflexhaft förderte, hatte sich Mitte der achtziger Jahre längst gelegt und war auch in diesem Milieu einer doppelten Sorge gewichen: der um das palästinensische Volk, dem man merkwürdigerweise zu einem eigenen Staat verhelfen will, während man den der Juden abzuschaffen gedenkt, und der um die Juden, denen man nicht verzeihen will, daß sie aus der ihnen angediehenen deutschen „Sonderbehandlung“ nichts gelernt haben und sich gegen Araber und Palästinenser um ihrer Existenz willen zur Wehr setzen. Der Frage, ob dieser partei- und milieuübergreifend gewordene „Antizionismus mit Antisemitismus identisch“ sei, so Broder „haftet etwas Rührendes“ an. Da man nach Auschwitz zumindest in nicht offen rechtsradikalen Milieus nicht mehr Antisemit sein kann, braucht man gewissermaßen ein neues Ticket, mit dem man neu etikettiert alte Inhalte vertreten kann: „Wer sich heute offen als Antisemit bekennen würde, würde im Nachhinein auch die Verantwortung für Auschwitz übernehmen, folglich ist Antisemitismus nach Auschwitz eine Un-Möglichkeit. So sind mit den Juden auch die Antisemiten verschwunden, aber es wäre mehr als naiv anzunehmen, dass es keine Antisemiten mehr gibt, nur weil niemand den Mut hat, sich als Antisemit zu erkennen zu geben… Und hier kommt die rettende Formel ‚Antizionismus‘ zum Einsatz. Dies ist ein keimfreier Begriff an dem im Gegensatz zum Antisemitismus kein Blut zu kleben scheint… Der Antizionismus hat… im Kern dieselbe libidinöse Qualität wie der Antisemitismus: es geht gegen Juden, nur ist an die Stelle des religiösen oder rassischen Motivs ein scheinbar politisches getreten, das Menschen mit aufgeklärtem Bewußtsein, ohne sich zu schämen, vertreten können.“166

1990, gewissermaßen rechtzeitig zum Golfkrieg des folgenden Jahres, der die Debatte um Zionismus, Antizionismus, Israel und Palästina mit zumeist altbekannten Argumenten erneut anfachte, erschien mit Martin W. Klokes Dissertation „Israel und die deutsche Linke“ eine erste umfassende Arbeit, die auf materialreicher Basis „überraschende politisch-ideologische Affinitäten in den Argumentationsfiguren neurechter und -linker Israelkritiker“ aufzeigte.167 Da „sich das Ende der sechziger Jahre aufkommende Interesse für die Dritte Welt vielfach paradoxerweise genuin nationalistischen Stimuli verdankte“, ist es nicht weiter verwunderlich, so resümiert Kloke, daß zur gleichen Zeit „antizionistische Gruppen (in der palästinensischen Nationalbewegung)… jenes links-deutschnationale Surrogat vorgefunden (haben), das ihnen fortan zum willkommenen Gegenstand projektiver Bedürfnisse entglitt“.168 Der sich mit der völkisch-nationalen palästinensischen Befreiungsbewegung solidarisierende nationale Antizionismus der neuen deutschen Linken hatte damit den nicht zuletzt von linken Juden theoretisch gepflegten und tradierten internationalistischen Antizionismus realpolitisch ad absurdum geführt.

VI. Kritik am Zionismus und an der Politik Israels

Am symbolträchtigen 9. November 1969 deponierten Berliner Linke eine offensichtlich von einem Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes in dessen Auftrag gelieferte Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, die glücklicherweise nicht detonierte. In einem zu diesem Anlaß verteilten und mit „Schwarze Ratten TW“ (Tupamaros Westberlin) gezeichneten Flugblatt „Schalom + Napalm“ hieß es u.a.: „Unter dem schuldbewußten Deckmantel der Bewältigung der faschistischen Greueltaten gegen Juden hilft sie (die Bundesrepublik) entscheidend mit an den faschistischen Greueltaten Israels gegen die palästinensischen Araber… Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen.“ Zudem war in diesem Pamphlet von „der geschichtlichen Nichtberechtigung eines israelischen Staates“ die Rede.169 Gut zwei Wochen später erschien in der Ausgabe 42 der Zeitschrift „Agit 883“ Dieter Kunzelmanns tatsächlich vor Ort in Berlin geschriebener „Brief aus Amman“, in dem es u.a. hieß: „Pale(!)stina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist. Die Linken haben das noch nicht begriffen. Warum? Der Judenknax… Wenn wir endlich gelernt haben, die faschistische Ideologie ,Zionismus‘ zu begreifen, werden wir nicht mehr zögern, unseren simplen Philosemitismus zu ersetzen durch eindeutige Solidarität mit AL FATAH, die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat.“170

Damit waren Töne angeschlagen, die seinerzeit in linken Milieus offensichtlich diskutabel waren und für weite Teile der bundesdeutschen linken Palästinasolidarität zukünftig bestimmend werden sollten. In einer „Erklärung zum Bombenattentat auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin“ des „Palästina-Komitees Frankfurt“, für die u.a. Daniel Cohn-Bendit und Detlev Claussen verantwortlich zeichneten, ist z.B. vom „Rassismus“ als „Grundpfeiler des zionistischen Staates“ und von Israel als „rassistische(m) Staat“ die Rede. Die Distanzierung von dem geplanten Bombenanschlag in Berlin fällt dementsprechend vage aus und wird zum einen damit begründet, daß „die Juden in der Diaspora Terroraktionen wie jene gegen das Gemeindehaus in Berlin nur auf dem Hintergrund ihrer Verfolgung und Vernichtung als Juden (begreifen können)“‚ und zum anderen damit, daß „innerhalb Israels“ „fast ausschließlich Intellektuelle in der Lage (sind), antizionistische Positionen… zu vertreten“.171 Mit anderen Worten: Ein solcher Anschlag ist vorerst weder den Juden in Israel, noch denen in der Diaspora vermittelbar, weil ihnen das entsprechende revolutionäre Bewußtsein seitens der durchweg akademischen linken Avantgarde noch nicht vermittelt werden konnte. Dem abzuhelfen trat u.a. auch ein „Israelisch Revolutionäres Aktionskomitee im Ausland – ISRACA, Frankfurt“ an, das u.a. einen Beitrag über „Die israelische Linke“ veröffentlichte und Mitte Februar 1970 ein „Flugblatt zum Besuch Abba Ebans“ mit unterzeichnete.172 Inhaltlich orientierten sich die Unterzeichner dieses Flugblattes (SDS, Trikont-Arbeitsgruppe, GUPS (Generalunion palästinensischer Studenten), ISRACA, Vereinigung arabischer Studenten, Iranische Studentenvereinigung, Afghanische Studentenvereinigung) an der Idee einer am Klassenkampf orientierten sozialistischen Revolution jenseits aller nationalen Identitäten. Dementsprechend hieß es euphemistisch, daß „der gemeinsame Kampf des palästinensischen Volkes und der sozialistischen Juden der Bahnbrecher der sozialistischen Revolution im Nahen Osten sein (wird)“, wobei auffällt, daß in Bezug auf Palästina von „Volk“ und in Bezug auf Israel nur von „sozialistischen Juden“ die Rede ist.173 Diese letzteren fanden sich, will man dem Beitrag des ISRACA über die israelische Linke folgen, nur in der antizionistischen Linken Israels, d.h. – mit Bedenken – in der sowjetisch orientierten kommunistischen Partei RAKAH und insbesondere in der von dieser seit 1962 abgespaltenen MATZPEN, die diesem Text zufolge „von der folgenden Voraussetzung aus(geht): Der arabisch-israelische Konflikt kann nur im Rahmen einer gesamtarabischen und jüdischen sozialistischen Revolution gelöst werden“, wobei „die siegreiche sozialistische Revolution in den arabischen Ländern die demokratische Lösung nicht nur der kurdischen und südsudanesischen Probleme (liefert), sondern auch für die jüdische Bevölkerung Israels“.174 Die ehemals sozialistische Arbeiterpartei (MAPAM) dagegen hat sich dieser Interpretation zufolge bereits seit den fünfziger Jahren und insbesondere seit der „Juni-Aggression“ in die „Nationale Koalition“ eingegliedert, so daß diese „Nachfolger Borochovs“ als Partner für eine revolutionäre sozialistische Transformation nicht mehr in Frage kamen.175

Kurz zuvor, im September 1969, war in der Frankfurter „borochov press“, eingeleitet von Dany Diner, die von Ber Borochov in den Jahren 1905/1906 geschriebene Arbeit „Die Grundlagen des Poalezionismus“ veröffentlicht worden.176 Völlig konträr zum undifferenziert argumentierenden linken Antizionismus, konstatierte Diner, daß „(es) der Aktualität des Nahost-Konflikts zu verdanken (ist), daß dem Zionismus zu neuer, im Augenblick noch verbaler Renaissance verholfen wird. Der Begriff des Zionismus“, so Diner weiter, „wird heute von seinen Kritikern bewußt mit dem kriegerischen Konflikt zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn verwoben und sogar zu seiner Ursache gestempelt. Die israelische Wirklichkeit, die israelischen Einrichtungen und Institutionen und überhaupt das israelische Selbstverständnis werden synonym als zionistisch verketzert, um jeden Uninformierten dahinter eine imperialistisch-rassistische und demnach kolonialistisch-raumfremde Macht vermuten zu lassen, die im Zuge der Entkolanialisierung als eine der letzten Bastionen des Imperialismus und Neokolonialismus zum Einsturz gebracht werden muß.“177 Diner hielt den „Angriffe(n), die heute gegen den Zionismus lanciert werden“ insbesondere vor, daß sie „oftmals jeder Kenntnis seiner Grundlage (entbehren)“, daß „viel unterschlagen und alles verheimlicht (wird) was den Zionismus in seiner wirklichen, dominanten Form kennzeichnet, was ihn als Emanzipationsbewegung ausweist und ihn zur einzigen Hoffnung der unterdrückten jüdischen Massen historisch notwendig werden ließ“.178 Das Verständnis von Zionismus, mit dem linke Antizionisten schon seinerzeit hantierten, ist demzufolge nicht historisch-materialistisch, sondern ideologisch fundiert, da sie über keinen historisch reflektierten Begriff von Zionismus verfügten, sondern sich an politischen Tagesentscheidungen orientierten und von diesen auf den historischen Zionismus glaubten rückschließen zu können. Folglich „(unterliegt) die Mehrzahl der Kritiker dem Trugschluß, Aspekte der israelischen Außenpolitik als ,zionistische‘ zu verurteilen und auf eine Abschaflung des Zionismus zu drängen, also die ,Dezionisierung‘ zu befürworten“.179

„Die Auseinandersetzung“, so klagt Diner, „wird nicht immanent geführt.“180 Eine solche immanente Auseinandersetzung konnte demzufolge in historisch-materialistischer Manier nur auf der Basis einer rekonstruierenden Anknüpfung an den ursprünglichen sozialrevolutionären Arbeiterzionismus erfolgen, der somit nicht nur zum Maßstab der Beurteilung der konkreten Tagespolitik israelischer Regierungen wurde, sondern insbesondere als Ausgangspunkt eigener sozialrevolutionärer Politikentwürfe diente, wobei es galt, „Borochov… dem Heute anzupassen“.181 Im Anschluß an Frantz Fanon und dessen sozialpsychologischer Analyse der Kolonisierten182 konstatierte Diner „die auffallende Ähnlichkeit der kolonialen Neurose… mit der bereits bekannten jüdischen Neurose“ und schlußfolgerte: „Die Therapie heißt Kampf; Kampf nach außen gegen den Unterdrücker und Kampf nach innen zur Schaffung der eigenen nationalen Identität, Betonung der eigenen Kultur, der eigenen Sprache; Schaffung einer eigenen nationalen Wirklichkeit. Der Zionismus hat, bevor er aus der sozialen Analyse sich für den Territorialismus entschied, die hebräische Sprache wieder erweckt, hat aus der Vergangenheit eine neue Kultur geschaffen und später daraus den neuen jüdischen Menschen geformt. Diese wahrhaft revolutionären Handlungen konnten und wurden nur Dank der gleichzeitigen Auflösung des reaktionären ökonomischen Unterbaus ermöglicht; eine egalitäre, klassenlose Gesellschaft war das Ziel.“183 Mit zeitgemäß schwärmerischem Unterton sah Diner den „messianische(n) Universalismus“ als „im Zionismus… grundsätzlich beherrschend“ an; und „eine glückliche Lösung“ der Emanzipation der Juden im Sinne des Sozialismus sei nur möglich „durch emanzipatorischen nationalrevolutionären Kampf der Juden“, den er im Gegensatz zu jenen „Freunden“, die „dem Juden die nationale Identität“ verweigerten und stattdessen die Assimilation in den jeweiligen Nationen propagierten, in Analogie zum „Kampf der Verdammten dieser Erde“ setzte:184 „Zur Befreiung des Juden ist der Zionismus unausweichlich, denn er bedeutet freiwillige innere Assimilation. Durch eigene Werte, Sprache, Kultur und Selbstverständnis wird der Israeli eines Tages Teil einer freien und sozialistischen Weltgemeinschaft werden. Man muß ihm nur das wie, d.h. seinen Weg und die damit zusammenhängenden Entscheidungen selbst überlassen; das ist Zionismus.“185 „Das Motto“, so die konsequente Schlußfolgerung Diners, „darf nicht Dezionisierung, sondern muß Rezionisierung Israels heißen! Rezionisierung heißt heute: Befreiung des jüdischen Volkes, gerechter Friede mit den arabischen Nachbarn, Staatenföderation im Nahen Osten, Verwirklichung des Sozialismus in dieser Region und Unterstützung des gerechten Kampfes der Dritten Welt!“186 Es ist müßig darauf hinzuweisen, daß aus all diesen Projekten, Projektionen, Illusionen, Hoffnungen und Erwartungen vierzig Jahre später nichts geworden ist; es hat weder eine „Rezionisierung“ Israels im sozialistischen Sinne und schon gar keine Verwirklichung des Sozialismus im Nahen Osten gegeben – die Geschichte hat eher gegenteilige Wege eingeschlagen. Dreißig Jahre später hat sich Diner in einem anläßlich des fünfzigsten Jahrestages der Gründung des Staates Israel erschienenen Text auch quasi offiziell von den alten Illusionen verabschiedet: Spätestens im Herbst 1979, heißt es dort, „war deutlich geworden, daß die in den späten 60er Jahren angestoßene, revolutionär anmutende Welle eine Simulation, eine Inszenierung von längst Vergangenem gewesen war – jedenfalls in den Zentren dessen, was man damals als ‚Imperialismus‘ zu kennzeichnen gewohnt war. Sicher, für Inszenierungen revolutionärer Vergangenheiten war Grund genug. Allein der Vietnam-Krieg warf Material zur Genüge ab. Der Protest war berechtigt. Seine Selbstdeutung falsch.“187

Tatsächlich war 1969 die revolutionäre zionistische Linke auch in Israel, dessen Regierung seit 1948 (bis 1977) von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei gestellt wurde, längst marginalisiert und es war auch damals schon absehbar, daß aus der von Diner erwarteten oder erhofften und durch eine Anknüpfung an den ursprünglichen Arbeiterzionismus zu forcierenden Verwirklichung des Sozialismus in einem Systemtranszendierenden Sinne erst einmal nichts werden würde. Diner war seinerzeit im Vorwort zu Borochovs „Grundlagen des Poalezionismus“ „mit Bedacht… nicht auf den Nahost-Konflikt eingegangen“, in dessen Kontext „beide fortschrittlichen Bewegungen, der Zionismus und der arabische Nationalismus gegeneinandergekehrt (wurden), obwohl der Platz des einen an der Seite des anderen ist“.188 Auch diese Annahme hat sich, obwohl sie in manchen Kreisen noch immer als identitätsstiftende Weltanschauung gepflegt wird, als Illusion erwiesen. Diner hat sich nach dem Abflauen des (schein)revolutionären Aufschwungs der späten sechziger Jahre immer wieder mit dem Nahost-Konflikt, mit den Ursprüngen und Verlaufsformen des realpolitisch im Staat Israel verwirklichten zionistischen Projekts und den damit verbundenen Auseinandersetzungen mit der palästinensischen Bevölkerung bzw. den palästinensischen Organisationen, mit den wechselnden innenpolitischen Konstellationen in Israel und insbesondere mit Fragen der Legitimität der unterschiedlichen Lösungsansätze für den Konflikt beschäftigt. Dabei ist er stets dem entgegen ideologisch verkürzten antizionistischen Argumentationen bereits in seinem im „Vorwort“ von 1969 formulierten Ansatz einer nicht nur der Geschichte gerecht werdenden, sondern insbesondere materialistischem Denken verpflichteten immanenten Betrachtungsweise treu geblieben. Mit anderen Worten: Nicht die Existenz oder die Existenzberechtigung des zionistischen Projekts und des Staates Israel stehen zur Debatte, sondern die Frage, wie die Existenz des Staates Israel in einem möglichst friedlichen und vertraglich abgesicherten Kontext des Nahen Ostens politisch und sozial konkret zu gestalten und auszufüllen ist. Aus der Erkennung und Anerkennung des Scheiterns des Versuchs einer Wiederbelebung des revolutionären oder auch bloß revolutionär aufgeladenen arbeiterzionistischen Projekts in einem nationalen Rahmen konnte sich nach und nach eine Kritik am realexistierenden Zionismus des Staates Israel bzw. an der Politik der Regierungen dieses Staates entwickeln, die ihrer immanenten Argumentationslogik zufolge nicht Gefahr zu laufen droht, in jene grundsätzliche Negation des Staates Israel abzudriften, wie sie seit Ende der sechziger Jahre von einer im weiteren Sinne antiimperialistischen, im engeren Sinne antizionistischen Linken gepflegt wird, die Israel unter Absehung aller sonstigen Aspekte als eine im Verbund mit palästinensischen Widerstands- bzw. Befreiungsorganisationen, zu denen in diesen Kreisen mittlerweile auch islamistische Organisationen wie die Hamas, der Islamische Dschihad oder die Hisbollah gerechnet werden, mit Gewalt zu zerstörende imperialistische, kolonialistische und rassistische Siedlergesellschaft ansieht.189

Aus einer Distanz von knapp fünfzehn Jahren hat Dan Diner seine frühere Haltung wie folgt beschrieben: „Ich war mir damals sicher, daß diese nationalstaatliche ‚Lösung‘ der jüdischen Frage eine konsistente und einleuchtende Konsequenz aus dem bisherigen Verlauf europäischer Geschichte darstellt. Das Problem der Palästinenser glaubte ich im Rahmen eines neben Israel zu gründenden arabischen Nationalstaats lösbar. Der Zionismus selbst wiederum schien mir nur eine bloße Form ideologischer Rechtfertigung des jüdischen Staates zu sein, nicht aber materielle Gewalt.“190 In der Folge hat sich Diner, zweifellos auf dem Hintergrund der Entwicklung nach dem Sechs-Tage-Krieg vorn Juni 1967, insbesondere mit der Besiedlung der seitdem besetzten Gebiete, mit den Ursprüngen, Inhalten und Konsequenzen dieser materiellen Gewalt, der von ihm so genannten „zionistischen Struktur“ des Staates Israel auseinandergesetzt und dabei auch Positionen eingenommen, die zumindest vordergründig mit den üblichen antizionistischen Positionen linker Provenienz kompatibel zu sein scheinen. Allerdings unterscheidet sich Diners Kritik auch da, wo er deutlich zionismuskritische Positionen einnimmt, grundlegend von der tradierten Kritik aus den diversen antiimperialistisch-antizionistischen Milieus; während diese auf eine grundlegende Delegitimierung des Zionismus und des Staates Israel mit dem Ziel von dessen Zerstörung oder Aufhebung in einem arabisch-palästinensischen Staat abzielt, geht es Diner im Gegensatz dazu gerade darum, die unterschiedlichen Aspekte der Legitimität bzw. Legitimierung des in seiner Existenz überhaupt nicht in Frage zu stellenden Staates Israel auszuloten. In diesem Kontext stellt sich für ihn dann konsequenterweise auch die Frage nach der eigentlichen Motivation für jenen auf die Zerstörung des Staates Israel abzielenden, in letzter Konsequenz also eliminatorischen Antizionismus.191

In seiner 1980 erschienenen Habilitationsschrift „Israel in Palästina“ hatte Diner sich mit der spezifischen „zionistischen Staatsstruktur“ Israels befaßt, deren Ursache er an den besonderen Entstehungsbedingungen des nationalen jüdischen Kollektivs fest machte: „Die Idee der jüdischen Staatlichkeit (Zionismus)“, so resümiert er, „bedurfte des Bodens Palästinas als der stofflichen Substanz von Hoheit sowie des Ausschlusses der national als ‚fremd‘ eingestuften autochthonen arabischen Bevölkerung und ihrer Ersetzung durch die allein zum Staatsvolk bestimmten einwandernden Juden, weil ohne Boden kein Territorium und ohne den konkreten Menschen kein Staatsbürger denkbar ist.“192 Diesen spezifischen zionistischen Charakter des Staates, der nicht zuletzt Ausdruck des dem zionistischen Projekt immanenten Zwangs zur demographischen Dominanz ist, macht Diner daran fest, daß dieser sich als Staat eines Volkes – des jüdischen –, und nicht als Staat der realen, die in Israel lebenden Palästinenser einschließenden Bevölkerung versteht. Das hat(te) gesellschaftliche Diskriminierungen zur Folge (jüdisches Land: einmal gekauftes Land durfte nicht mehr an Araber zurückverkauft werden; jüdische Arbeit: in jüdischen Betrieben sollten nur jüdische Arbeiter(innen) eingestellt werden), die nicht einmal ideologisch begründet werden mußten, sondern sich quasi naturgemäß aus dieser Struktur ergaben. Auf diese dem zionistischen Projekt, insofern es in seiner Logik von Beginn an auf eine in Anbindung an die europäischen‚ nationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts begründete Staatsgründung hinauslief, immanente diskriminierende Struktur reagierte eine „traditionelle Zionismuskritik“, so Diner im „Politischen Nachwort“ seiner Habilitationsschrift, vor allem ideologisch und insofern „falsch, als sie auf der Grundlage von bürgerlichem Rationalismus in Gestalt eines abstrakten Internationalismus marxistisch-leninistischer bzw. einem Kosmopolitismus liberal-demokratischer Prägung dem Zionismus einen rückwärtsgewandten, d.h. nationalistischen Rückzug auf die eigene Partikularität in einem solchen Augenblick vorwarf als jenen Vorstellungen nach die Welt bzw. die Klassen sich übernational organisierten und die Nationalitäten sich scheinbar amalgamierten“.193 Den zionistischen Juden wurde also vorgehalten, daß sie angesichts des sowohl in Ost- als auch Westeuropa auch vor 1933 durchaus virulenten Antisemitismus das für sich in Anspruch nahmen, was in Europa ansonsten Normalität war und heute für die Palästinenser als Normalität deklariert wird: nationale Partikularität. Den Zionismuskritikern zufolge sollten sich die Juden, gewissermaßen in Vorwegnahme einer universalistischen Utopie jenseits nationaler Grenzen, dort assimilieren, wo ihr jeweiliger gesellschaftlicher Ort war, sei es im Bürgertum Westeuropas oder im Proletariat Osteuropas, ganz zu schweigen von der vorgeblich proletarisch beherrschten Sowjetunion; wenn sich Zionismuskritiker tatsächlich einmal auf die reale jüdische Existenz in Palästina einließen, dann in dem Sinne, daß sie einen binationalen Staat im bürgerlich-humanistischen Sinn jenseits religiöser, kultureller oder nationaler Zugehörigkeiten oder aber die Einheit des jüdischen Proletariats mit den arabischen Fellachen gegen jüdische Kapitalisten und arabische Landbesitzer propagierten.194

Eine solche Haltung verkannte jedoch nicht nur die realen Interessen der von ethnischen, kulturellen, religiösen und nationalen Ideologien beeinfiußten streitenden Parteien in Palästina, sondern insbesondere auch die politische Situation in Europa; das deutsche Projekt „Endlösung der Judenfrage“ gab all jenen Zionisten Recht, die im Antisemitismus einen Begründungsfaktor für eine staatliche Selbständigkeit der jüdischen Nation sahen, und all jenen Zionismuskritikern bzw. Antizionisten Unrecht, die – aus welchen ideologischen Motiven auch immer – einem Fortschrittsoptimismus verfallen waren, demzufolge alle Menschen jenseits religiöser, kultureller, nationaler und sonstiger Differenzen brüderlich und schwesterlich einer konfliktfreien Zukunft entgegensahen. Spätestens nach 1945, nach der Shoah, kann die Existenz oder das Existenzrecht des Staates Israel nicht mehr zur Debatte stehen; was zur Debatte stehen kann oder in der Sicht Diners stehen muß, ist die konkrete Ausgestaltung der erwähnten zionistischen Struktur des Staates. „Reale Zionismuskritik“, so Diner 1980, „muß heute auf den Zionismus als gesellschaftliche Struktur, als derjenigen materiellen Gewalt gerichtet sein, die sich aktuell vor allem gegen die dort lebenden Palästinenser, längerfristig aber auch dramatisch gegen die israelischen Juden richten wird.“195 Eine solche Zionismuskritik findet ihren Ausgangspunkt nicht mehr in Anbindung und Fortsetzung der überkommenen und gescheiterten Träume eines einheitlichen binationalen Staates auf der Basis bürgerlicher Gleichheit bzw. – in der linken Variante – auf Basis einer Klasseneinheit zwischen jüdischem Proletariat und arabischen Fellachen, sondern in der Anerkennung der Tatsache, daß auf palästinensischem Boden zwei Nationen Anspruch auf Land erheben und beiden Nationen ein solcher Anspruch nicht grundsätzlich abzusprechen ist. Die Lösung oder zumindest der Ausgangspunkt einer Lösung, so Diner, „wäre vor allem die Errichtung eines Palästinenserstaates in der Westbank und im Gazastreifen“.196 Das Problem der Anerkennung bzw. der Legitimität des zionistischen Projekts und des daraus hervorgegangenen Staates Israel läßt sich somit aus palästinensischer Sicht, so Diner, nur dadurch lösen, daß Israel das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat anerkennt und – nach dieser Vorgabe – dann seinerseits von den Arabern und Palästinensern anerkannt wird. Das ist insofern eine zweifellos etwas eigentümliche Forderung, als sich die palästinensischen bzw. nach Palästina eingewanderten Juden nie grundsätzlich gegen eine Teilung des Landes gewehrt haben, weder gegen den Teilungsplan der Peel-Kommission im Jahre 1937 und schon gar nicht gegen den Teilungsplan der Vereinten Nationen zehn Jahre später, den auch Diner als Grundlage der palästinensischen Staatsgründung in Betracht zieht; d.h., daß die zwei Staaten längst existieren könnten, wenn die palästinensischen Araber und die arabischen Staaten zumindest dem Teilungsplan der Vereinten Nationen zugestimmt hätten. Daß sie dies nicht getan haben, mag alle möglichen Gründe haben; einer – und wahrscheinlich der entscheidende – ist wohl der, daß die verantwortlichen politischen Kräfte Palästina aus letztlich religiösen Gründen als heiliges Land ansehen, das den aus ihrer Sicht Ungläubigen zwecks Staatsgründung nicht zur Verfügung steht bzw. stehen darf.197

Als Juden zu Zeiten des Osmanischen Reiches und des späteren britischen Mandats nach Palästina einwanderten, war eine solche Einwanderung nicht verboten, allenfalls quantitativ eingeschränkt. Das Land, das sie für die Ansiedlung benötigten, haben sie sich nicht widerrechtlich angeeignet, sondern es wurde ihnen von den arabisch-palästinensischen Besitzern rechtmäßig verkauft. Die ersten Ansprechpartner für Beschwerden derjenigen, die das gepachtete Land bis dahin bewirtschafteten – wenn es denn bewirtschaftet wurde – und es nach den Verkäufen verlassen mußten, wären somit die ursprünglichen arabischen Besitzer gewesen. Als nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches der neu gegründete Völkerbund Palästina zum britischen Mandatsgebiet erklärte, wurde damit zugleich die Balfour-Deklaration völkerrechtlich anerkannt, d.h. daß das jüdische Streben nach einer nationalen Heimstätte in Palästina somit auch völkerrechtlich legitimiert war. Durchaus ähnlich gelagert war die Gründung der zuvor nicht existierenden und erst aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches hervorgegangenen Staaten im Nahen Osten wie Jordanien, Syrien, Libanon, Irak oder auch Saudi-Arabien. Auch deren Legitimation basiert auf von machtpolitischen Interessen bestimmten Gründungsakten, die aus Verhandlungen, damit einhergehenden Kompromissen und der Befriedung unterschiedlicher Herrschaftsansprüche arabischer Dynastien hervorgegangen sind.198 Die Legitimität all dieser Gründungsakte und damit auch die Legitimität des Rechts der palästinensischen Juden auf eine Heimstatt könnte nur dann in Zweifel gezogen werden, wenn man zugleich auch die Legitimität des Völkerbundes selbst und seiner diesbezüglichen Entscheidungen in Zweifel zöge. Daß diese Möglichkeit durchaus nicht nur in Bezug auf Israel besteht, hat das irakische Regime von Saddam Hussein bewiesen, als es im Jahre 1990 seine Truppen mit der Begründung in Kuweit einmarschieren ließ, daß Kuweit ein künstliches Produkt westlicher imperialistischer Interessen und eigentlich nichts anderes als eine Provinz des Irak sei. Über einen solchen Einzelfall hinaus führt die grundsätzliche Infragestellung der völkerrechtlich verbindlichen Entscheidungen des Völkerbundes bzw. der Vereinten Nationen in Bezug auf Israel sehr schnell zu der unauflösbaren Frage, wer das später Palästina genannte Land zuerst bewohnt hat, Araber bzw. arabische Muslime, die es als ihr heiliges Land betrachten, oder Juden, von deren orthodoxen Vertretern es ebenfalls als heiliges Land betrachtet wird. Tatsache ist, daß Juden – und zudem auch Christen – das Land schon seit Jahrhunderten bewohnten, ehe sich Allah überhaupt zu Wort gemeldet hatte. Über solche mit zumeist einseitigen historischen Erzählungen unterfütterten ideologischen Konstrukte läßt sich eine zwischenstaatlich funktionierende Legitimität sicherlich nicht herstellen; sie dient allenfalls der ideologischen Befriedung des je eigenen Klientels. Das entscheidende Problem in der Beziehung der zionistischen Einwanderer zu den einheimischen Arabern bzw. des Staates Israel zu den Palästinensern und deren nationalrevolutionären und islamistischen Organisationen sowie den arabischen Nachbarstaaten resultiert daraus, daß die letzteren die in den Teilungsvorschlägen sowohl der Peel-Kommission als auch der Vereinten Nationen sich niederschlagenden legitimen Interessen der palästinensischen und nach Palästina eingewanderten Juden niemals anerkannt haben und bis heute allenfalls partiell anerkennen; erst die Anerkennung dieser Interessen – und natürlich die von jüdischer bzw. israelischer Seite aus jedoch prinzipiell nie ernsthaft in Frage gestellte Anerkennung der entsprechenden Interessen der palästinensischen Bevölkerung – könnte das spätestens seit der Entscheidung der Vereinten Nationen von 1947 zumindest völkerrechtlich überhaupt nicht mehr bestehende Problem der Legitimität des Staates Israel auch für die arabisch-palästinensisehe Seite einer Lösung zuführen.

Die Nichtanerkennung der legitimen Interessen der nach Palästina eingewanderten Juden und ihres schließlich mit völkerrechtlicher Absicherung gegründeten Staates ist ebenso wie das Interesse an der Gründung eines eigenen palästinensischen Staates unter Einschluß des israelischen Staatsgebietes jahrzehntelang – zumindest vordergründig – mit säkularen nationalen Argumenten auf letztlich völkischer Basis begründet worden; das hing zweifellos auch insofern mit der weltpolitischen Konstellation zusammen, als die arabischen Nachbarstaaten Israels im allgemeinen und die palästinensischen Befreiungsorganisationen im besonderen von den sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion unterstützt und von deren antikolonialistisch-nationalrevolutionärer und antizionistischer Ideologie mit beeinflußt waren, die sich wiederum auf die Tradition der klassischen linken Ablehnung des Zionismus berufen konnte. In den Jahrzehnten nach dem Sechs-Tage-Krieg vom Juni 1967 haben sich jedoch nach und nach einige wesentliche Aspekte in der weltpolitischen Konstellation geändert, wobei der finale Kollaps der realsozialistischen Staaten und damit der Wegfall von deren finanzieller, militärischer und ideologischer Unterstützung für die Palästinenser vielleicht nicht einmal der wichtigste Aspekt dieser Änderung ist.

Der Widerstand der Araber und der Palästinenser gegen den Zionismus und gegen den Staat Israel hatte von Beginn an eine religiöse Dimension, symbolisiert in der Gestalt des Großmufti al-Hussaini, der bis zu seinem Tode im Jahre 1974 mehr als ein halbes Jahrhundert lang und unbeschadet seiner jahrelangen engen Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten während seiner Berliner Emigrationszeit alle Strömungen des Widerstandes – von einem politisch verstandenen Islam bis zum säkularen Nationalismus – in seiner Person vereinigte. Die exzessive Politisierung des Islam erhielt einen wesentlichen Schub durch den Erfolg der sogenannten iranischen Revolution im Jahre 1979, in deren Folge sich nach blutigen Auseinandersetzungen im Iran ein islamischer Gottesstaat etablierte, der zum Inspirator neuer terroristischer islamistischer Gruppierungen (Hisbollah, Islamischer Dschihad) wurde und auch die aus der ägyptischen Muslimbrüderschaft hervorgegangene Hamas unterstützt. Das erklärte Ziel all dieser Gruppierungen, zu denen in ideologischer Hinsicht auch die aus der zweiten Intifada (seit Oktober 2000) hervorgegangenen und der Al Fatah angehörenden Al Aqsa Brigaden zu zählen sind, ist die kompromißlose Zerstörung des Staates Israel und die Etablierung eines islamischen Gottesstaates auf heiligem palästinensischen Boden; daß Yassir Arafat im Laufe des Jahres 2000 im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde auf die weitgehenden Zugeständnisse des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak in Bezug auf zukünftige Grenzen, das Problem der Flüchtlinge und den Status von Jerusalem nicht einging, mag auch damit zusammenhängen, daß er sich bewußt war, daß den intransigenten islamistischen Organisationen und Fraktionen, auch denen seiner eigenen Fatah nicht einmal solche Zugeständnisse seitens Israel zu vermitteln waren.

Angesichts dieser zunehmend verfahrenen Situation scheint die Idee Dan Diners, den „in seinen Folgen dramatischen Konflikt zwischen Arabern und Juden, Israelis und Palästinensern… einer gordischen Lösung zuzuführen“, auf den ersten Blick durchaus faszinierend: „Nämlich zum einen den Antisemitismus zu bekämpfen, als ob es den arabisch-jüdischen, israelisch-palästinensischen Konflikt nicht gäbe; zum anderen alles zu unternehmen, um ebenjenen Konflikt einer beiden Seiten zuträglichen Lösung zuzuführen – so, als gäbe es den Antisemitismus nicht.“199 Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein solcher Lösungsvorschlag nicht der Zeit erheblich – mindestens um rund zwanzig Jahre – hinterherhinkt. Spätestens seit den achtziger Jahren ist aus dem ehedem in der Hauptsache säkularen Konflikt um Land ein solcher geworden, der zunehmend religiös aufgeladen ist. Der eher untergründig auch in Palästina schon spätestens seit den dreißiger Jahren existente fundamentalistische Islamismus hat im Anschluß an die iranische „Revolution“ von 1979 eine eigene Dynamik gewonnen und in Gestalt der 1986 gegründeten Hamas eine mittlerweile dominierende Position eingenommen. Dazu gesellen sich auf israelischer Seite die weitgehend von orthodoxen Juden bestimmte Siedlerbewegung, die – entgegen der früheren Ablehnung des Staates Israel durch die Orthodoxie – eben diesen Staat als eine Art List der Vernunft zwecks Eroberung des biblischen Erez Israel betrachtet, sowie – vornehmlich in den USA – fundamentalistische Protestanten, denen die Rückkehr der Juden ins biblische heilige Land zur Voraussetzung der Wiederkehr ihres eigenen Gottes geworden ist. Diners „gordische Lösung“ wäre vielleicht in jenen mittlerweile verflossenen Zeiten, in denen der Konflikt ein eher säkularer um Land gewesen ist, ein Ansatz gewesen. Heute allerdings, nachdem der Konflikt zunehmend religiös aufgeladen worden ist und die jeweiligen Legitimationsideologien nicht mehr von säkularem Boden, sondern von heiligem Land handeln, und zudem nicht nur die Hamas, die Hisbollah und andere islamistische Gruppierungen, sondern z.B. auch der iranische Staatschef Ahmadinedschad – der in absehbarer Zeit möglicherweise über Atomwaffen verfügen wird – in aller Offenheit die Zerstörung Israels propagieren, kann man auch mit besten Absichten nicht mehr so tun, „als gäbe es den Antisemitismus nicht“ – gerade der verschwörungstheoretisch aufgeladene Antisemitismus ist, jenseits aller territorialen Auseinandersetzungen, zum entscheidenden ideologischen Kitt all dieser Bewegungen geworden. Es geht seitens wichtiger Fraktionen der arabischen und palästinensischen Seite zwar auch noch, aber längst nicht mehr nur um Land, sondern um einen weltanschaulich fundierten, auf einem fundamentalistisch interpretierten Koran basierenden Kampf gegen den Westen im allgemeinen, gegen den „Teufel“ USA im besondern und ganz speziell gegen Israel und die Juden – die dieser Ideologie zufolge in schlechtester verschwörungstheoretischer Tradition die Welt beherrschen.

Damit hat sich in gewisser Weise auch eine Zeit überlebt, in der sich „die Linke der Palästinafrage insofern ideologisch zu(wandte)‚ als der Realkonflikt zwischen Juden und Arabern, Israelis und Palästinensern in den Traditionszusammenhang der historischen Linken gestellt und mit der notorischen ‚Judenfrage‘ verbunden wurde“.200

Ebenfalls vorbei scheint die Zeit, in der die Solidarität der deutschen Linken mit Palästina letztlich nur dazu diente, den Juden Israels im Hinblick auf ihr Verhalten den Palästinensem gegenüber jene Rolle zuzuschreiben, die die Deutschen den Juden gegenüber gespielt haben: „Endlich konnte den Juden eine Rolle zugeschrieben werden, die zur Aufrechnung von Schuld zwischen Deutschen und Juden geeignet erschien… Ihnen wurde durch die Verwendung von Begriffen wie ‚Endlösung‘‚ ‚Holocaust‘ und ‚Ausrottung‘ wie magisch der Auftrag auferlegt, an den Palästinensern doch endlich das zu vollziehen, was Deutsche Juden angetan haben.“201 Ganz außerhalb der Zeit scheint jener spezifisch deutsche antideutsche Philozionismus zu stehen, der mit seinem strikten Verbot einer jeglichen Kritik an allem, was auch nur im Entferntesten mit Israel oder israelischer Politik zu tun hat, nicht nur den Verdacht aufkommen läßt, daß zumindest einige seiner älteren Protagonisten ihre ganz persönliche Wiedergutmachung glauben ableisten zu müssen, sondern insbesondere auch jenen demokratischen Prinzipien widerspricht, denen sich der Staat Israel aufgrund seiner Geschichte und seiner Konstitution verpflichtet weiß.

VII. Resümee

Man kann mit durchaus guten Gründen anzweifeln, daß es einen linken Antisemitismus im programmatischen Sinne gibt, insbesondere dann, wenn man mit dem Begriff links einen Anspruch auf eine herrschaftsfreie, in sozialer, politischer und kultureller Autonomie selbst verwaltete Gesellschaft freier Individuen verbindet. Man kann aber nicht leugnen, daß es linke Antisemiten gab und gibt, die sich in ihren Analysen kapitalistischer Ökonomie aus einem Arsenal von Vorurteilen und Ressentiments bedienen, denen zufolge Juden als Agenten kapitalistischer Produktion und Zirkulation rund um den Erdball, quasi globalisiert, unterwegs sind. Und man kommt nicht umhin anzuerkennen, daß die Linke in allen ihren Fraktionen einen in höchstem Maße fahrlässigen Umgang mit dem wie auch immer begründeten real existierenden Antisemitismus gepflegt hat und zum Teil noch pflegt. Zum einen insofern als sie diesen realen Antisemitismus durchweg falsch eingeschätzt hat, indem sie ihn einfach als überkommene reaktionäre feudale oder kleinbürgerliche Ideologie abtat und damit glaubte, ihn auf dem berühmten Misthaufen der Geschichte entsorgt zu haben, ein Glaube, der sich als eine fatale Ideologie entpuppt hat, die dem realen historischen Geschehen, dem in der Shoah eskalierenden Antisemitismus, weder theoretisch und schon gar nicht praktisch gewachsen war. Zum anderen hat die Linke in unterschiedlicher Manier in ihrem direkten politischen und sozialen Kampf immer wieder an ihr offensichtlich durchaus bekannte antisemitische Vorurteile angeknüpft, um auf diese Weise Zugang zu den von ihr hofierten Massen zu finden und sie hat auf diese Weise, ob bewußt oder unbewußt, diese Vorurteile zumeist wohl weniger bekämpft oder gar abgebaut, sondern verstärkt. Und schließlich vertraten und vertreten Linke unter dem Signum des Antizionismus Positionen, die auf die Zerstörung des zwar schon zuvor völkerrechtlich, aber durch die Shoah noch einmal in besonderem Maße legitimierten Staates Israel abzielen. Man mag zwar zwischen einem internationalistischen Antizionismus, der seine Kritik am Zionismus als Element einer grundsätzlichen Kritik an jeglichem Nationalismus und Staatsfetischismus versteht, und einem nationalen Antizionismus differenzieren, der die Legitimität des Staates Israel grundsätzlich in Zweifel zieht und deshalb diesen abschaffen will. In der banalen Realität des politischen Alltags geht es dem internationalistisch gesinnten Antizionisten wohl eher so, wie dem Linken, der mit antisemitischen Argumenten glaubt Agitation betreiben zu können: Beide laufen Gefahr, das Ressentiment, das sie doch bekämpfen wollen, zu bedienen und zu fördern. Nach der Shoah und angesichts der mit antizionistischen Argumenten beförderten existentiellen Bedrohung des Staates Israel kann man sich nicht mehr auf den fortschrittsoptimistischen Glauben der alten Arbeiterbewegung bzw. der alten Linken berufen, demzufolge die Bekämpfung des Antisemitismus und des Antizionismus nur eine Frage einer proletarischen Revolution und der Aufhebung der Warengesellschaft sei. Insbesondere kann man sich nicht auf völkische oder nationalrevolutionäre Bewegungen berufen, die ihre zeitbedingte Rechtfertigung aus dem Kontext des antikolonialistischen Kampfes bezogen haben, aber in keinem einzigen Fall zu einem die Warengesellschaft aufhebenden Sozialismus, sondern durchweg zu korrupten, autoritären, zum Teil in höchstem Maße gewalttätigen politischen Herrschaftssystemen geführt haben. Und schon gar nicht kann man sich auf islamistische Bewegungen berufen oder gar mit solchen Bewegungen zusammenarbeiten, deren explizit erklärtes Ziel die Errichtung eines Gottesstaates auf der rechtlichen Basis der Scharia und die Zerstörung des Staates Israel ist. Wer dies unter dem Signum des Antizionismus propagiert und tut, nimmt bewußt Teil an einem Projekt, das nach den zurückliegenden historischen Erfahrungen in der Tat nur als antisemitisch im eliminatorischen Sinn bezeichnet werden kann. Der israelische Historiker Benny Morries, der mit seinen Arbeiten zur Entmystifizierung der Frühgeschichte des Staates Israel beigetragen hat und deswegen in Israel lange Zeit als eine Art Nestbeschmutzer galt, hat sich erlaubt, die diesbezüglichen Drohungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad ernst zu nehmen:

„Der zweite Holocaust wird vollkommen anders sein. Eines schönen Morgens in fünf oder zehn Jahren – vielleicht während einer Krise in der Region, vielleicht aus heiterem Himmel –, einen Tag oder ein Jahr oder fünf Jahre, nachdem der Iran sich die Bombe beschafft hat, werden die Mullahs sich in Qom zu einer Geheimsitzung treffen, unter einem Porträt des stählern dreinblickenden Ajatollah Khomeini, und sie werden Präsident Ahmadinedschad, der dann in seiner zweiten oder dritten Amtszeit sein wird, ihr Placet geben. Die nötigen Befehle werden erteilt werden, und die Shihab-III- oder -IV-Raketen werden abheben in Richtung Tel Aviv, Beer Scheba, Haifa und Jerusalem und womöglich einiger militärischer Ziele, eingeschlossen das halbe Dutzend Militärflughäfen und der bekannten nuklearen Abschußrampen. Einige der Shihabs werden atomare Sprengkäpfe tragen, vielleicht sogar Mehrfachsprengköpfe. Andere werden zur Ablenkung dienen und nur mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen oder alten Zeitungen geladen sein, um die israelischen Antiraketen-Raketen und Heimatschutzverbände in die Irre zu führen.“202


  1. Jean Améry, Der ehrbare Antisemitismus, in: Ders., Werke Band 7. Aufsätze zur Politik und Zeitgeschichte, Stuttgart 2005, S. 131–140, hier S. 131/132.

  2. Ebd., S. 139.

  3. Fayez A. Sayegh, Die Vereinten Nationen und die Palästinafrage. Der zionistische Kolonialismus in Palastina, Rastatt 1968; Sami Hadawi, Brennpunkt Palästina, Edouard Atiyah/Henry Cattan, Palästina – Versprechen und Enttäuschungen, Rastatt 1970; Ibrahim El-Abid, Gewalt und Frieden. Eine Studie über die zionistische Strategie, Rastatt 1969; Sami Hadawi, Bittere Ernte. Palastina 1914–1967, Rastatt 1969; Walid Khalidi, Das Palästinaproblem. Ursachen und Entwicklung 1897–1946, Rastatt 1972; Salah Maroun, Der Westen und Palästina, Rastatt 1973; Richard P. Stevens (Hg.), Der Zionismus und Palästina vor dem Mandat. Ein Essay und ausgewählte Leseproben, Rastatt 1976.

  4. Kolloquium arabischer Juristen über Palästina, Algier 22.–27. Juli 1967, Die Palästina-Frage, Beuel 1969.

  5. In der Reihe erschienen u.a. folgende Titel: Palästinensische Revolution. Zur Kritik der zionistischen Theorie und Praxis, Frankfurt/Main o.J. (1970); Die imperialistische Mission Israels in Afrika, Frankfurt/Main o.J. (ca. 1968); Michael Scott, Das Recht, Israel und die Palästinensische Revolution, Frankfurt/Main o.J. (ca. 1969); zum Verbot der „General-Union der Palästinensischen Studenten“ (GUPS) sowie der „General-Union der Palästinensischen Arbeiter“ (GUPA) s.: Der neue Antisemitismus. Die Liquidierung von Ausländerorganisationen in der BRD: Zum Verbot von GUPS und GUPA, München 1972.

  6. Der „Begründer und Mitherausgeber der Zeitschrift ‚Al Karamah‘“ Ali Hashash hat sich in seinem Buch „Palästina. Kampf der Gegensätze. Hintergründe, innere Dynamik und Perspektiven der Intifada“ (Gießen 1991) ganz nebenbei auch zur historischen und seinerzeitigen deutschen Linken geäußert: „Diejenigen, die in diesem Lande für den Ersten imperialistischen Weltkrieg stimmten wurden fast zwei Jahrzehnte später verdientermaßen ausgemerzt.“ (S. 11) Nachdem dies erledigt war, wird man es zukünftig trotz des „,Gröhlen(s)‘ der linken Spießbürger“ und „ob es der abendländischen und besserwisserischen Linken in den Metropolen paßt oder nicht“ (S. 13) mit den „aufständischen und zum Kampf bereit stehenden irakischen, jordanischen und palästinensischen Massen zu tun haben, die „(den Feind) kennen und durchschauen – sei es die herrschende Klasse oder seien es die Invasoren zionistischen oder imperialistischen Charakters – besser als diejenigen, die sich selbst als Avantgarde betrachten (einschließlich der gesamten palästinensischen Linken, die während der dreijährigen Intifada versuchten, mit dem Imperialismus eine Gnadenlösung auszuhandeln…“ (S. 26)

  7. Abraham Léon, Judenfrage & Kapitalismus. Historisch-materialistische Analyse der Rolle der Juden in der Geschichte bis zur Gründung des Staates Israel. Schulungstext zur Wirtschaftsgeschichte Europas, München 1971 (2. Aufl. München 1973; eine weitere, neu bearbeitete Ausgabe erschien unter dem Titel „Die jüdische Frage. Eine marxistische Darstellung“, Essen 1995). Der Untertitel dieser Ausgabe ist mit dem Hinweis „bis zur Gründung des Staates Israel“ merkwürdig ungenau: Léon, 1918 in Polen geboren und 1926, nach einem einjährigen Zwischenaufenthalt in Palästina, mit seinen Eltern nach Belgien emigriert, war dort als Mitglied der trotzkistischen „Vierten Internationale“ im Widerstand gegen die deutschen Besatzer aktiv und wurde nach seiner Verhaftung am 7. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. Seine Ende 1942 abgeschlossene und erstmals 1946 in Frankreich veröffentlichte Arbeit enthält ein kurzes Kapitel über den Zionismus, in dem er „sogar die Bildung eines ‚jüdischen Staates‘‚ d.h. eines Staates unter der vollständigen Herrschaft des englischen oder amerikanischen Imperialismus“ für „denkbar“ hält (S. 108) – damit hatte er ein Motiv angeschlagen, das seit Ende der sechziger Jahre von der in dieser Hinsicht weitgehend vereinigten Linken dankbar aufgegriffen wurde. Zu Léon s. auch: Ernest Mandel/Nathan Weinstock, Zur jüdischen Frage. Beiträge zu Abraham Léons „Judenfrage und Kapitalismus“. Anhang: Thesen des Internationalen Sekretariats der IV. Internationale zur Judenfrage, Frankfurt/M. 1977.

  8. Isaac Deutscher, Der israelisch-arabische Konflikt. Mit einem Vorwort von Ulrike Marie Meinhof, Frankfurt/M. 1968; Ders., Die ungelöste Judenfrage. Zur Dialektik von Antisemitismus und Zionismus. Mit einer Vorbemerkung von Tamara Deutscher. Übersetzung und Nachwort von Eike Geisel und Mario Offenberg, Berlin 1977 (eine erweiterte Neuausgabe erschien unter dem Titel: Der nichtjüdische Jude. Essays. Vollständige Neuausgabe. Mit einem Beitrag von Tamara Deutscher und einer Einführung von Detlev Claussen, Berlin 1988).

  9. Nathan Weinstock, Das Ende Israels? Nahostkonflikt und Geschichte des Zionismus. Übersetzt, bearbeitet, eingeleitet und herausgegeben von Eike Geisel und Mario Offenberg, Berlin 1975.

  10. Jakob Taut/Michel Warschawsky, Aufstieg und Niedergang des Zionismus, Frankfurt/M. 1982; Jakob Taut, Judenfrage und Zionismus, Frankfurt/M. 1986.

  11. Ulrike Marie Meinhof, Drei Freunde Israels. Vorwort, in: Isaac Deutscher, Der israelisch-arabische Konflikt, a.a.O., S. 3–5, hier S. 3 und 5.

  12. Die Aktion des ‚Schwarzen September‘ in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes, in: Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Berlin 1997, S. 151–177, hier S. 159.

  13. „Die Entführung einer Air-France-Maschine nach Uganda und die gewaltsame Befreiung der jüdischen Geiseln durch eine Einheit der israelischen Armee hat die gesamte Linke der Bundesrepublik in einer großen Antizionistischen Koalition zusammengeführt“, schrieb Henryk M. Broder und dokumentierte diese Feststellung durch eine im schlechten Sinne beeindruckende Sammlung von Zitaten aus der linken Presse. Henryk M. Broder, Solidarität mit Idi Amin! Linke Reaktionen auf die Affäre von Entebbe, in: Ders., Linke Tabus, Berlin 1976, S. 79–97. Es dauerte mehr als fünfzehn Jahre und bedurfte offensichtlich zudem der Ermordung eines ihrer Genossen durch Aktivisten einer palästinensischen Befreiungsorganisation, ehe übrig gebliebene Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ zu der Erkenntnis gelangten, daß diese „entlang völkischer Linien“ erfolgte „Selektion“ von beispielloser „historischer Amnesie und moralischer Desintegration“ zeugte (Gerd Albartus ist tot (Dezember 1991), in: ID-Archiv im IISG/Amsterdam (Hg.)‚ Die Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der revolutionären Zellen und der Roten Zora, 2 Bde.‚ Berlin 1993, Band 1, S. 20–34, hier S. 24/25).

  14. Jean Améry, Die Linke und der „Zionismus“ (1969), in: Ders., Werke Band 7. Aufsätze zur Politik und Zeitgeschichte, a.a.O., S. 141–150, hier S. 149 und S. 142.

  15. Jean Améry, Juden, Linke – linke Juden. Ein politisches Problem ändert seine Konturen (1973), in: Ebd., S. 151–158, hier S. 157/158.

  16. Jean Améry‚ Der ehrbare Antisemitismus. Rede zur Woche der Brüderlichkeit (1976), in: Ebd., S. 172–199, hier S. 191.

  17. Hans Meyer, Außenseiter, Frankfurt/M. 1975, S. 457. Verwiesen sei auch noch auf folgende Publikationen: Simcha Flapan, 5. Juni 1967. Der arabisch-israelische Krieg (Eine Antwort an Isaac Deutscher), Frankfurt/M. 1969; Michael Landmann, Das Israelpseudos der Pseudolinken. Antwort an Isaac Deutscher, Berlin 1971; Ernst Vogt, Israel – Kritik von links. Dokumentation einer Entwicklung, Wuppertal 1976; Bruno Frei, Sozialismus und Antisemitismus, Wien 1978. Eine Überblicksdarstellung zur Geschichte linker Kritik an Israel findet sich bei Martin W. Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, Frankfurt/M. 1990 (erw. und akt. 2. Auflage, Frankfurt/M. 1994).

  18. Henryk M. Broder, Der ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls, Frankfurt/M. 1986 (Neuauflage „mit einem aktuellen Vorwort“, Berlin 2005). Siehe auch Henryk M. Broder, Antizionismus – Linker Antisemitismus. Wie die neue Linke das Gedankengut der alten Rechten aktiviert, in: Ders. Linke Tabus, a.a.O., S. 38–78; ders., Antizionismus – Antisemitismus von links?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 24/1976, S. 31–46.

  19. Ebd., S. 11.

  20. Ebd., S. 19.

  21. Knut Mellenthin, Zionismus ist die Theorie Gaza und Westbank sind die Praxis. Anmerkungen zum Papier der Freiburger ISF, „Antizionismus – Ein neuer Antisemitismus von links.“, in: Redaktion „Arbeiterkampf“, Hamburg (Hg.), Deutsche Linke zwischen Israel und Palästina, Hamburg 1988, S. 68–74, hier S. 69.

  22. S. Edmund Silberner, Sozialisten zur Judenfrage. Ein Beitrag zur Geschichte des Sozialismus vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1914, Berlin 1962, S. 206.

  23. Hans Mayer, Außenseiter, a.a.O., S. 451. Symptomatisch für die teilweise kruden aktuellen Debatten über linken Antisemitismus und die Anerkennung des Staates Israel in bestimmten linken Milieus sind die diesbezüglichen Auseinandersetzungen in der Partei „Die Linke“; s. dazu den noch unveröffentlichten, im Internet aber zugänglichen Text „Antisemiten als Koalitionspartner? Die Linkspartei zwischen antizionistischem Antisemitismus und dem Streben nach Regierungsfähigkeit“ von Samuel Salzborn/Sebastian Voigt, Zugriff am 29.7.2011; s. dazu auch die unter dem Titel „Zwei-Parteien-Lösung vor dem Durchbruch. Die Linkspartei und der Antisemitismus“ versammelten Beiträge in: Jungle World 30/27. Juli 2011, S. 3–7. Zum zwar offiziellen, aber offensichtlich gegen parteiinternen Widerstand nach langen und zähen Debatten durchgesetzten Beschluß des Vorstandes der Linkspartei, das Existenzrecht Israels anzuerkennen, titelte die „Tageszeitung“ am 3.7.2011: „Linkspartei erkennt Israel an.“ Klaus Hillenbrand kommentierte den Beschluß wie folgt: „Wenn eine deutsche Partei 63 Jahre nach der Gründung des Staates Israel es für notwendig erachtet, das Existenzrecht des jüdischen Staates in ihrem Grundsatzprogramm zu verankern, dann hat sie offenbar ein Problem. Denn das Selbstverständliche betonen zu müssen spricht nicht dafür, dass man eine Tatsache auch als selbstverständlich ansieht. Israel existiert – so wie Italien, Luxemburg oder die Mongolei. Nur dass es niemand für notwendig halten würde, dies zu postulieren… Doch so lächerlich der Beschluss in seiner Außenwirkung auch sein mag, für die Linke ist er nicht ohne traurige Bedeutung. Denn die Partei steht in ihrem verquasten Umgang mit Israel in einer unseligen Tradition der deutschen Linken.“ (Klaus Hillenbrand, Die Linken haben ein Problem, in: die tageszeitung, 3.7.2011).

  24. Doron Rabinovici/Ulrich Speck/Natan Sznaider (Hg.), Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte, Frankfurt/M. 2004; Klaus Faber/Julis H. Schoeps/Sacha Stawski (Hg.), Neualter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin 2006; Phyllis Chesler, Der neue Antisemitismus, Die globale Krise seit dem 11. September, Hamburg/Berlin 2004; Christina Tuor-Kurth (Hg.)‚ Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile?, Stuttgart/Berlin/Köln 2001; Alvin H. Rosenfeld, „Fortschrittliches“ jüdisches Denken und der Neue Antisemitismus. Mit einem Vorwort von Leon de Winter, Augsburg 2007 (2. überarb. Aufl.); Hansjörg Schmid/Britta Frede-Wenger (Hg.), Neuer Antisemitismus? Eine Herausforderung für den interreligiösen Dialog, Berlin 2006; Philipp Gessler, Der neue Antisemitismus. Hinter den Kulissen der Normalität, Freiburg im Breisgau 2004; Gerald Lamprecht (Hg.), Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik, Graz 2007; John Bunzl/Alexandra Senfft (Hg.)‚ Zwischen Antisemitismus und Islamophobie. Vorurteile und Projektionen in Europa und Nahost, Hamburg 2008; Peter Ullrich, Die Linke, Israel und Palästina. Nahostdiskurse in Großbritannien und Deutschland, Berlin 2009; Wolfgang Benz/Juliane Wetzel (Hg.), Antisemitismus und radikaler Islamismus, Essen 2007; Wolfgang Gehrcke/Jutta von Freyberg/Harri Grünberg, Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahost-Konflikt, Köln 2009; Neuer Antisemitismus? Judenfeindschaft im politischen Extremismus und im öffentlichen Diskurs. Publikation des Symposiums des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 5. Dezember 2005, Berlin 2006.

  25. Vgl. Jürgen Leibold/Steffen Kühnel, Einigkeit in der Schuldabwehr Die Entwicklung antisemitischer Einstellungen in Deutschland nach 1989, in: Wilhelm Heitmeyer (Hg.) Deutsche Zustände. Folge 7, Frankfurt/M. 2009, S.131–151. Vgl. auch: Werner Bergmann/Rainer Erb, Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der empirischen Forschung von 1946–1989, Opladen 1991; Lars Rensmann/Julis H. Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum. Antisemitismus in Europa, Berlin 2008; Dirk Ansorge (Hg.), Antisemitismus in Europa und in der arabischen Welt. Ursachen und Wechselbeziehungen eines komplexen Phänomens Paderborn/Frankfurt/M. 2006; Andrei S. Markovits, Amerika, dich haßt sich’s besser. Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa, Hamburg 2004; Moshe Zuckermann (Hg.) Tel Aviver Jahrbuch deutsche Geschichte XXXIII: Antisemitismus, Antizionismus, Israelkritik, Göttingen 2005; „Initiative Antisemitismuskritik Hannover (Hg.), Israel in deutschen Wohnzimmern. Realität und antisemitische Wahrnehmungsmuster des Nahostkonflikts, Stuttgart 2005; Tobias Jaecker, Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September. Neue Varianten eines alten Deutungsmusters, Münster 2005. Speziell zum „linken Antisemitismus“: Willi Bischof/Irit Neidhardt (Hg.), Wir sind die Guten. Antisemitismus in der radikalen Linken, Münster 2000; Thomas Haury, Von der linken Kritik des Zionismus zum antisemitischen Antizionismus von links, in: Samuel Salzbom (Hg.), Antisemitismus. Geschichte und Gegenwart, Giessen 2004, S. 127–158; Globalisierungskritik und Antisemitismus. Zur Antismitismusdiskussion in Attac (Reader Nr. 3 des Wissenschaftlichen Beirats von Attac Deutschland) Frankfurt/M. o.J. (2004); Matthias Brosch/Michael Elm/Norman Geißler/Brigitta Elisa Siriibürger/Oliver von Wrochem (Hg.), Exklusive Solidarität. Linker Antisemitismus in Deutschland. Vom Idealismus zur Antiglobalisierungsbewegung‚ Berlin 2007; Tilman Tarach, Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt, Freiburg 2009 (4. erw. Aufl. mit einem Vorwort von Henryk Broder, Freiburg 2011); Holger J. Schmidt, Antizionismus, Israelkritik und Judenknax. Antisemitismus in der deutschen Linken nach 1945, Bonn 2010.

  26. Jeffrey L. Sammons (Hg.), Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus – eine Fälschung. Text und Kommentar, Göttingen 1998; Norman Cohn, „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Der Mythos der jüdischen Weltverschwörung. Mit einer kommentierten Bibliographie von Michael Hagemeister, Baden-Baden/Zürich 1998; Hadassa Ben-Itto, „Die Protokolle der Weisen von Zion“ – Anatomie einer Fälschung, Berlin 1998; Stephen Eric Bronner, Ein Gerücht über die Juden. Die „Protokolle der Weisen von Zion“ und der alltägliche Antisemitismus, Berlin 1999; Wolfgang Benz, Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Legende von der jüdischen Weltverschwörung, München 2007; Will Eisner, Das Komplott. Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion. Mit einer Einführung von Umberto Eco, München 2005 (bei diesem Titel handelt es sich um eine Graphic Novel).

  27. Der mittlerweile nach diversen Protestbewegungen auch im Iran selbst offensichtlich nicht mehr unumstrittene iranische Staatspräsident Ahmadinedschad hat, abgesehen von der Leugnung der Shoah, mehrfach die Vernichtung Israels angedroht, was angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß der Iran in absehbarer Zeit über Atomwaffen und entsprechende Trägerraketen verfügen wird, in jeder Hinsicht ernst zu nehmen ist – mindestens genauso ernst, wie seinerzeit entsprechende Erklärungen Hitlers und anderer Nationalsozialisten. Zum Iran s.: Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hg.), Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer, Innsbruck 2008; dies. (Hg.), Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung, Innsbruck 2010; Matthias Küntzel, Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft, Berlin 2009. Die im August 1988 verkündete und bis heute gültige Charta der Hamas beginnt mit einem Zitat des Gründers der ägyptischen Muslimbrüderschaft (die Hamas versteht sich als deren „Flügel… in Palästina“ und als „Glied in der Kette des Dschihad in der Konfrontation mit der zionistischen Invasion“) Hasan al-Banna („Israel wird bestehen und so lange bestehen bleiben, bis der Islam es annulliert, so wie er davor Bestehendes annulliert hat.“), bezieht sich explizit auf eine in den Hadithen des al Bukhari überlieferte Aussage Mohammeds („Die Stunde [der Auferstehung] wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen. Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn‘.“) und schlußfolgert: „Um der Usurpation Palästinas durch die Juden zu begegnen, muß das Banner des Dschihad erhoben werden.“ (Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas, in: Helga Baumgarten, Hamas. Der politische Islam in Palästina, Kreuzlingen/München 2006, S. 207–226, hier S. 207, 211, 214).

  28. Judith Butler, Der Antisemitismus-Vorwurf. Juden, Israel und die Risiken öffentlicher Kritik, in: Doron Rabinovici/Ulrich Speck/Natan Sznaider (Hg.), Neuer Antisemitismus?, a.a.O., S. 60–92, hier S. 84.

  29. Ebd., S. 85.

  30. Zu den zahllosen Definitionsmöglichkeiten des Begriffs Antisemitismus s.: Georg Christoph Berger Waldenegg, Antisemitismus: „Eine gefährliche Vokabel“? Diagnose eines Wortes, Wien/Köln/Weimar 2003; s. auch: Wolfgang Benz, Was ist Antisemitismus? (2. Aufl.), München 2005. Eine Reihe von Wichtigen und Viele Diskussionen prägenden „sozialwissenschaftliche(n) Theorien über Antisemitismus“ von Sigmund Freud über Jean-Paul Sartre, Max Horkheimer/Theodor W. Aldorno bis zu Klaus Holz hat Samuel Salzborn in seiner Arbeit „Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich“ (Frankfurt/M. 2010) vorgestellt.

  31. In dem folgenden kursorischen Überblick soll auf einige wenige Aspekte und Ereignisse der Geschichte des Zionismus und des Staates Israel hingewiesen werden, die für das Verständnis auch der heutigen Situation wichtig erscheinen, wobei auf folgende Überblicksdarstellungen zurückgegriffen wurde: Walter Laqueur, Der Weg zum Staat Israel. Geschichte des Zionismus, Wien 1975; Hermann Meier-Cronemeyer, Geschichte des Staates Israel. I. Entstehungsgeschichte: Die zionistische Bewegung (3. überarb. Aufl.), Schwalbach/Ts. 1997; Reiner Bernstein, Geschichte des Staates Israel 2. Von der Gründung 1948 bis heute: Religion und Moderne, Schwalbach/Ts. 1998; Connor Cruise O’Brien, Belagerungszustand. Die Geschichte des Staates Israel und des Zionismus, Wien 1988; Amnon Rubinstein, Geschichte des Zionismus. Von Theodor Herzl bis heute, München 2001; Michael Brenner, Geschichte des Zionismus (3. durchges. und akt. Aufl.)‚ München 2008; Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas. Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel (5. durchges. Aufl.), München 2006; Dietmar Herz/Julia Steets, Palästina. Gaza und Westbank. Geschichte, Politik, Kultur (3. Aufl.), München 2002; John Bunzl, Israel im Nahen Osten. Eine Einführung, Wien/Köln/Weimar 2008; Tom Segev, Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels, München 2005; ders., Die ersten Israelis. Die Anfange des jüdischen Staates, München 2008; ders., 1967. Israels zweite Geburt, München 2007; ders., Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbek 1995; Alain Gresh, Israel – Palästina. Hintergründe eines Konflikts, Zürich 2009; John Rose, Mythen des Zionismus. Stolpersteine auf dem Weg zum Frieden, o.O. (Zürich) 2006; Heiko Haumann (Hg.), Der Traum von Israel. Die Ursprünge des modernen Zionismus, Weinheim 1998; Yehuda Eloni, Zionismus in Deutschland. Von den Anfängen bis 1914, Gerlingen 1987; Klaus D. Eberlein, Israel. Geschichte eines Staates. Band I. Entwicklung bis 1982, Band II. Entwicklung seit 1982. Innere Probleme und Probleme der Palästinenser, Berlin 2002; Shlomo Sand, Die Erfindung des jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand, Berlin 2010.

  32. Theodor Herzl, Der Judenstaat. Text und Materialien. 1896 bis heute. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Ernst Piper, Berlin/Wien 2004; Zitat S. 295.

  33. Ernest Renan, Was ist eine Nation? Und andere politische Schriften. Mit einem einleitenden Essay von Walter Euchner und einem Nachwort von Silvio Lanaro, Wien/Bozen 1995. Zum modernen Nationalismus folgende Titel: Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt/M. 2005 (2. Aufl.); Eric Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. Mit einem aktuellen Vorwort des Autors und einem Nachwort von Dieter Langewiesche, Frankfurt/M. 2005 (3. Aufl.); Peter Alter, Nationalismus, Frankfurt/M. 1985; Ernest Gellner, Nationalismus und Moderne, Berlin 1995; ders., Nationalismus. Kultur und Macht, Berlin 1999; Otto Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland 1770–1990, München 1993; John Breully, Nationalismus und moderner Staat. Deutschland und Europa, Köln 1999; Dieter Langewiesche, Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000; Hans-Martin Blitz, Aus Liebe zum Vaterland. Die deutsche Nation im 18. Jahrhundert, Hamburg 2000; Jörg Echterkamp, Der Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770–1840), Fankfurt am Main, New York 1998.

  34. S. die Beiträge in: Peter Alter/Claus-Ekkehard Bärsch/Peter Berghoff (Hg.), Die Konstruktion der Nation gegen die Juden, München 1999. Zur „thematische(n) Zusammenführung von Juden und Kapitalismus“ und der „Verschränkung von ökonomischer Weltdeutung und judenfeindlicher Propaganda“ im wilhelminischen Kaiserreich s. die Beiträge in: Nicolas Berg (Hg.), Kapitalismusdebatten um 1900 – Über antisemitisierende Semantiken des Jüdischen, Leipzig 2011 (das Zitat ist dem „Vorwort“ von Dan Diner aus diesem Band entnommen).

  35. Gershom Scholem, Rede auf der Fünften Plenartagung des Jüdischen Weltkongresses am 4. August 1966, in: Deutsche und Juden. Beiträge von Nahum Goldmann, Gershom Scholem, Golo Mann, Salo W. Baron, Eugen Gerstenmaier und Karl Jaspers, Frankfurt/M. 1967, S. 21–48, hier S. 37. S. auch: Manfred Voigts, Die deutsch-jüdische Symbiose. Zwischen deutschem Sonderweg und Idee Europa, Tübingen 2006.

  36. Uwe Puschner, Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001; Uwe Puschner/Walter Schmitz/Justus H. Ulbricht (Hg.)‚ Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871–1918, München u.a. 1996; Egmont Zechlin, Die deutsche Politik und die Juden im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1969 (insbesondere „Kapitel V. Juden und Antisemitismus im Weltkrieg“, S. 516–567); Dirk Walter, Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik, Bonn 1999; Comelia Hecht, Deutsche Juden und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Bonn 2003 (zur „Judenzählung“ S. 59 ff.).

  37. Moses Hess, Rom und Jerusalem, in: Helmut J. Heil, Die neuen Propheten, Fürth/Erlangen 1969, S. 11–102.

  38. Leon Pinsker, Autoemanzipation. Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden, in: Ebd., S. 103–134, hier S. 134.

  39. Diese und andere Schriften enthält der Band Nathan Bimbaum, Die jüdische Moderne. Frühe zionistische Schriften. Mit einem Vorwort von Henryk M. Broder, Augsburg 1989.

  40. Eine Übersetzung von Zolas Brief, der am 13. Januar 1898 auf der Titelseite der Tageszeitung „L’Aurore“ erschien, ist abgedruckt in: Emile Zola, Die Dreyfus-Affare. Artikel – Interviews – Briefe. Herausgegeben und kommentiert von Alain Pages. Übersetzt und ergänzt von Karl Zieger, Innsbruck 1998, S. 102–113. Eine zwar schon ältere, aber immer noch lesenswerte und mit knapp 1000 Seiten sehr umfangreiche und bestens dokumentierte Darstellung der Affäre findet sich bei Wilhelm Herzog, Der Kampf einer Republik. Die Affäre Dreyfus. Dokumente und Tatsachen. Mit 95 Abbildungen, zeitgenössischen Karikaturen und faksimilierten Dokumenten, Zürich 1933 (eine Übersetzung von Zolas Brief findet sich auf den S. 574–586).

  41. Zit. nach Michael Brenner, Geschichte des Zionismus, a.a.O., S. 43.

  42. Zit. nach Hermann Meier-Cronemeyer, Geschichte des Staates Israel 1. Entstehungsgeschichte. Die zionistische Bewegung, a.a.O., S. 22.

  43. Zit. nach ebd., S. 25 und S. 27.

  44. Zit. nach Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas. Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel, a.a.O., S. 179.

  45. Zit. nach Michael Brenner, Geschichte des Zionismus, a.a.O., S. 83. Diese Übereinkunft wurde später, als sich die Ambitionen Feisals als illusorisch erwiesen hatten, geleugnet oder gar als „zionistische Fälschung“ abgetan.

  46. Edward H. Judge, Ostern in Kischinjow. Anatomie eines Pogroms, Mainz 1995.

  47. Mario Keßler, Zionismus und internationale Arbeiterbewegung 1897 bis 1933, Berlin 1994; Mario Offenberg, Kommunismus in Palästina. Nation und Klasse in der antikolonialen Revolution, Meisenheim am Glan 1975; Alexander Flores, Nationalismus und Sozialismus im arabischen Osten. Kommunistische Partei und arabische Nationalbewegung in Palästina, 1919–1948, Münster 1980; Dokumente zum Studium der Palästina-Frage (1922–1948), Offenbach 1997. S. auch: Stephen Schwartz, Kommunismus und Islam im 20. Jahrhundert. Ein historischer Überblick, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2009, Berlin 2009, S. 121–147.

  48. Walter Laqueur, Der Weg zum Staat Israel. Geschichte des Zionismus, a.a.O., S. 227.

  49. Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, a.a.O., S. 263.

  50. Zit. nach Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, a.a.O., S. 252.

  51. Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, a.a.O., S. 293 und 295.

  52. Bericht über Palästina. Erstattet durch die Britische Königliche Palästina-Kommission unter dem Vorsitz von Earl Peel und auf Befehl Seiner Britischen Majestät vom Staatssekretär für die Kolonien dem Britischen Parlament vorgelegt im Juli 1937, Berlin (Schocken Verlag) 1937, S. 422–423.

  53. Ebd., S. 429.

  54. Der von den britischen Mandatsbehörden gesuchte Großmufti al-Hussaini war über den Irak, wo er im April 1941 in einen allerdings nach wenigen Tagen gescheiterten prodeutschen und antibritischen Aufstand verwickelt war, nach Deutschland emigriert, wo er bis zum Kriegsende im Exil blieb. Die Texte des Großmufti aus der Zeit seiner Emigration liegen gesammelt vor: Mufti-Papiere. Briefe, Memoranden, Reden und Aufrufe Amin al-Hussainis aus dem Exil, 1940–1945. Herausgegeben von Gerhard Höpp, Berlin 2001. In einer „Rede zum Jahrestag der Balfour-Erklärung, 2.11.1943“ (ebd., S. 192–198) läßt al-Hussaini seinen verschwörungstheoretischen Vernichtungsphantasien freien Lauf: Von einer „jüdisch-englischen Verschwörung“, einer „jüdischen Weltverschwörung“, einem „teuflischen Projekt“, einer „Verschwörung gegen die Araber und Mohammedaner“ ist dort die Rede, die Juden gelten ihm zudem als „die hauptsächlichsten Triebkräfte für die Zerstörung des Reichs des islamischen Kalifats“, während sie weiterhin „wie Schmarotzer unter den Völkern (leben), ihr Blut aus(saugen)‚ ihre Güter (unterschlagen), ihre Sitten (verderben)“ Aber eine Lösung ist bereits in Sicht: Während Deutschland „die Juden genau erkannt und sich entschlossen (hat), für die jüdische Gefahr eine endgültige Lösung zu finden, die ihr Unheil in der Welt beilegen wird“, obliegt „den Arabern im besonderen und den Mohammedanern im allgemeinen… die Vertreibung aller Juden aus allen arabischen und mohammedanischen Ländern…, das was der Prophet vor 13 Jahrhunderten gemacht hat.“ Des weiteren wird „der göttliche Zorn und der Fluch, den der Heilige Koran in bezug auf die Juden erwähnt“ beschworen und abschließend festgestellt: „Gott hat bestimmt, daß es für die Juden keine feste Ordnung geben werde und kein Staat für sie entstehen soll.“ Zu Amin al-Hussaini hatte Simon Wiesenthal bereits 1947 ein kleines Buch veröffentlicht: Großmufti – Großagent der Achse. Tatsachenbericht mit 24 Photographien, Salzburg/Wien 1947. S. auch: Klaus Gensicke, Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Eine politische Biographie Amin el-Husseinis, Darmstadt 2007 (zuerst unter dem Titel „Der Mufti von Jerusalem, Amin el-Husseini, und die Nationalsozialisten“, Frankfurt/M. u.a. 1988); Rainer Zimmer-Winkel (Hg.), Eine umstrittene Figur: Hadj Amin al-Husseini, Trier 1999; Klaus-Michael Mallmann/Martin Cüppers, Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina, Darmstadt 2011 (3. Aufl., zuerst 2006); Gerhard Höpp/Peter Wien/Rene Wildangel (Hg.), Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus, Berlin o.J. (2004); Rehe Wildangel, Zwischen Achse und Mandatsmacht. Palästina und der Nationalsozialismus, Berlin 2007; Mathias Schütz, Ideologien der Vernichtung. Nationalsozialismus und radikaler Islam, Bonn 2011; Jeffrey Herf, Hitlers Dschihad. Nationalsozialistische Rundfunkpropaganda für Nordafrika und den Nahen Osten, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2/2010 (58. Jg.), S. 259–286; Ralf Balke, Hakenkreuz im Heiligen Land. Die NSDAP-Landesgruppe Palästina, Erfurt 2001; Rainer Zimmer-Winkel (Hg.), Die Araber und die Shoa. Über die Schwierigkeiten dieser Konjunktion, Trier 2000.

  55. S. die Dokumentation: Der UN-Teilungsplan für Palästina und die Gründung des Staates Israel (1947/48). Anhang: Die PLO-Charta von 1968 mit kritischen Anmerkungen, Offenbach 2002. Das Bändchen enthält u.a. Reden des sowjetischen und polnischen Delegierten vor den Vereinten Nationen sowie die am 29. November 1947 verabschiedete Resolution und den am gleichen Tag verabschiedeten Teilungsplan der Vereinten Nationen.

  56. Israelische Historiker haben seit den achtziger Jahren auf der Basis zugänglich gewordener Archivbestände eine ganz Reihe von Untersuchungen zu diesem Thema und zu den Gründungsmythen des Staates Israel vorgelegt. Neben den beiden bereits erwähnten Büchern von Tom Segev seien erwähnt: Benny Morris, The Birth of the Palestinian Refugee Problem, Cambridge 1988; Ilan Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas, Frankfurt/M. 2007. Anders sieht es für die Erforschung der Ereignisse aus arabisch-palästinensischer Sicht aus: „An der Wende zum 21. Jahrhundert waren die arabischen Archive für die kritischen Jahre noch immer geschlossen und das politische und intellektuelle Klima in der arabischen Welt nicht dazu angetan, eine vergleichbar revisionistische Zertrümmerung selbstverherrlichender nationaler Mythen zu ermöglichen.“ (Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, a.a.O., S. 377). Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch, daß es seit 1941 – damals in Bagdad – in mehreren arabischen Städten zu antijüdischen Pogromen kann und daß im Kontext der Gründung des Staates Israel mehrere hunderttausend Juden aus arabischen Ländern ausgewandert sind bzw. vertrieben wurden.

  57. Zit. nach Lionel van der Meulen, Fremde im eigenen Land. Die Geschichte der Palästinenser und der PLO, München 1989, S. 116/117.

  58. Das Palästinensische Nationalabkommen (Nationalcharta), in: Dietrich Neuhaus/Christian Sterzig (Hg.), Die PLO und der Staat Palästina. Analysen und Dokumente zur Entwicklung der PLO, Frankfurt/M. 1991, S. 186–190.

  59. Zit. nach Martin Kloke, „Das zionistische Staatsgebilde als Brückenkopf des Imperialismus.“ Vor vierzig Jahren wurde die neue deutsche Linke antiisraelisch, in: Merkur 698/Juni 2007, S. 487–497, hier S. 487.

  60. In der französischen Fassung der Resolution ist die Rede von „les territoires occupés“, also allen besetzten Gebieten, in der englischen Fassung dagegen nur von „occupied territories“, was man so interpretieren kann, daß auch ein teilweiser Rückzug der Resolution Genüge tut (s. Dietmar Herz/Julia Steets, Palästina. Gaza und Westbank, a.a.O., S.46/47).

  61. Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas, in: Helga Baumgarten, Hamas, a.a.O., S. 207–226, hier S. 211. An anderer Stelle der Charta heißt es, daß „die Palästinafrage im Geist der muslimischen Generationen dahingehend verankert werden (muß), daß sie eine religiöse Frage ist und auf dieser Grundlage zu behandeln ist“. (ebd., S. 215). Zur Hamas s. auch: Joseph Croitoru, Hamas. Der islamische Kampf um Palästina, München 2007.

  62. Zur Hisbollah s.: Wiebke Diehl, Das Selbstverständnis der Hisbollah. Libanon, Islam und die arabische Dimension in Hassan Nasrallahs Reden, Berlin 2011.

  63. Zur Politisierung der Religionen seit den siebziger Jahren s. Gilles Kepel, Die Rache Gottes. Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch, München/Zürich 1991; Martin E. Marty/R. Scott Appleby, Herausforderung Fundamentalismus. Radikale Christen, Moslems und Juden im Kampf gegen die Moderne, Frankfurt/Main, New York 1996; Hans. G. Kippenberg, Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008; Reiner Bernstein, Der verborgene Frieden. Politik und Religion im Nahen Osten, Berlin 2000; Karen Armstrong, Im Kampf für Gott. Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam, München 2004; Mark Juergensmeyer, Terror im Namen Gottes. Ein Blick hinter die Kulissen des gewalttätigen Fundamentalismus, Freiburg/Br. 2004; ders.‚ Die Globalisierung religiöser Gewalt. Von christlichen Milizen bis al-Qaida, Hamburg 2009; Gisbert Gemein/Hartmut Redmer, Islamischer Fundamentalismus, Münster 2005; Klaus Kienzler, Der religiöse Fundamentalismus. Christentum, Judentum Islam, München 2001 (3. Aufl.). Zur israelischen Siedlungsbewegung: Idith Zertal/Akiva Eldar, Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967, München 2007; Steffen Hagemann, Für Volk, Land und Thora. Ultra-Orthodoxie und messianischer Fundamentalismus im Vergleich, Berlin 2006; ders.‚ Die Siedlerbewegung. Fundamentalismus in Israel, Schwalbach/Ts. 2010.

  64. Gewissermaßen analog dazu unterstellt der heutige Antizionist zwecks Entlastung von historischer Verantwortung den israelischen Juden, daß sie das an den Palästinensern exekutieren, was seinerzeit an den Juden exekutiert wurde – der Mord an den Juden, das deutsche „Projekt Endlösung der Judenfrage“, wird somit relativiert und in eine Kontinuität gestellt, an deren gegenwärtigem Ende der so gerne herbeiphantasierte Völkermord am palästinensischen Volk steht. Vgl. Gunnar Heinsohn, Was ist Antisemitismus? Der Ursprung von Monotheismus und Judenhaß – Warum Antizionismus?, Frankfurt/M. 1988; ders.‚ Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt, Reinbek 1995.

  65. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften Band 3) (3. Aufl.), Frankfurt/M. 1996, S. 200/201. Bereits 1929 hatte Richard Graf Coudenhove-Kalergi darauf hingewiesen, daß „bei fast allen Antisemiten der gefühlsmäßige Antisemitismus älter (ist) als ihr Wissen um Rassetheorien – ihr praktischer Antisemitismus älter als ihr theoretischer“. Und weiter: „Direkt oder indirekt ist also, fast immer, der religiöse Antisemitismus Vater des Instinktantisemitismus – wie dieser Vater des Rassenantisemitismus ist. Das religiöse Vorurteil ist hier primär – die Antipathie sekundär – das Rassenvorurteil tertiär.“ (Richard Graf Coudenhove-Kalergi, Vorwort, in: Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi, Antisemitismus. Von den Zeiten der Bibel bis Ende des 19. Jahrhunderts. Fortgeführt von Richard Graf Coudenhove-Kalergi, dem Sohn des Autors und Begründer der Paneuropa-Bewegung. Herausgegeben von Peter Landesmann, Wien/München 1992, S. 11–38, hier S. 29 und S. 31; das Buch von Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi erschien unter dem Titel „Das Wesen des Antisemitismus“ zuerst 1901 und in einer zweiten Auflage 1929, die das „Vorwort“ von Richard Graf Coudenhove-Kalergi unter dem Titel „Antisemitismus nach dem Weltkrieg“ enthielt). Aus dem hier skizzierten Kontext des Ursprungs des antisemitischen Ressentiments folgt auch, daß Antisemitismus immer mehr und auch anderes ist als Rassismus oder Nationalismus, auch wenn sowohl Rassisten als auch Nationalisten sich dieses antisemitischen Ressentiments bedient haben und immer noch bedienen und der Rassismus den Antisemitismus gar wissenschaftlich legitimieren wollte, was jedoch allenfalls beweist, daß Wissenschaft je nach Zeit und Umständen für alle möglichen Zwecke in Dienst genommen werden kann bzw. sich in Dienst nehmen läßt. Niemand ist z.B. im Kontext der Kolonialisierung Afrikas auf die Idee gekommen, die dortige Bevölkerung einer „Endlösung der Negerfrage“ zuzuführen, und kein deutscher Nationalist wollte jemals die früheren Erbfeinde jenseits des Rheins einer „Endlösung der Franzosenfrage“ zuführen.

  66. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, a.a.O.‚ S. 203.

  67. Bernard Lewis, „Treibt sie ins Meer!“ Die Geschichte des Antisemitismus, Frankfurt/M., Berlin 1987, S. 141. Zur Geschichte des Verhältnisses zwischen Judentum und Islam s. auch: Bernard Lewis, Die Juden in der islamischen Welt. Vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München 1987; Robert Wistrich, Der antisemitische Wahn. Von Hitler bis zum Heiligen Krieg gegen Israel, Ismaning bei München 1987; ders., A Lethal Obsession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad, New York 2010; Leon Poliakov, Geschichte des Antisemitismus. III. Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam. Mit einem Anhang: Die Juden im Kirchenstaat, Worms 1979; ders., Vom Antizionismus zum Antisemitismus. Mit einem Vorwort von Detlev Claussen und einem Beitrag von Thomas Haury, Freiburg 1992; Michael Kiefer, Antisemitismus in den islamischen Gesellschafien. Der Palästina-Konflikt und der Transfer eines Feindbildes, Düsseldorf 2002; Matthias Küntzel, Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg, Freiburg 2002; ders., Islamischer Antisemitismus und deutsche Politik. „Heimliches Einverständnis“?, Berlin 2007; Klaus Holz, Die Gegenwart des Antisemitismus. Islamistische, demokratische und antizionistische Judenfeindschaft, Hamburg 2005; Hans-Peter Raddatz, Allah und die Juden. Die islamische Renaissance des Antisemitismus, Berlin 2007; Andrew G. Bostom (ed.), The Legacy of Islamic Antisemitism. From Sacred Texts to Solemn History, Amherst 2008.

  68. Bat Ye’or, Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam. 7.–20. Jahrhundert. Zwischen Dschihad und Dhimmitude, Gräfelfing 2002; dies.‚ The Dhimmi. Jews and Christians under Islam, Cranbury 2008 (8. Aufl.); dies.‚ Islam and Dhimmitude. Where Civilizations Collide, Cranbury 2005 (3. Aufl.).

  69. Michael Kiefer, Antisemitismus in den islamischen Gesellschaften, a.a.O., S. 32/33.

  70. Bernard Lewis, „Treibt sie ins Meer!“ Die Geschichte des Antisemitismus, a.a.O., S. 144/145. „Vereinfacht ausgedrückt“, so Leon Poliakov, „verfuhren die Moslems mit den Christen und Juden so wie die Christen mit den Juden: Sie erniedrigten sie ohne Unterlaß und massakrierten sie nach Gelegenheit. Der einzige wirkliche Unterschied bestand darin, daß die Juden, die in den Ländern des Islam weniger zahlreich waren als die unterworfenen Christen, nicht das grausame Privileg hatten, die einzigen Sündenböcke zu sein.“ (Leon Poliakov, Vom Antizionismus zum Antisemitismus, a.a.O., S. 95).

  71. S. Raphael Strauss, Die Juden in Wirtschaft und Gesellschaft. Untersuchungen zur Geschichte einer Minorität, Frankfurt/M. 1964, sowie Nicolas Berg (Hg.), Kapitalismusdebatten um 1900, a.a.O.

  72. Bernard Lewis, „Treibt sie ins Meer!“ Die Geschichte des Antisemitismus, a.a.O. S. 143.

  73. Ebd., S. 152.

  74. Johannes Rogalla von Bieberstein, Die These von der Verschwörung 1776–1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung, Frankfurt/M. 1976 (2. verb. u. verm. Aufl. 1978; Neuauflage: Flensburg 1992); Wolfgang Wippermann, Agenten des Bösen. Verschwörungstheorien von Luther bis heute, Berlin 2007. Daß Verschwörungstheorien immer noch und wohl zunehmend unbedarfte Phantasien anregen, zeigt Markus Schliewe mit seinem Kompendium „Das Geheimnis der Freiheit“ (Bochum 2005), in dessen Vorwort der Autor darauf verweist, daß „dieses Buch ohne das Internet sicher nicht in der Form zu Stande gekommen (wäre)“ und sich zudem vor die für ihn jedoch lösbare Frage gestellt sieht, „ob er bei diesem Buch auf jüdische Personen oder das Judentum eingeht und dadurch riskiert in eine politische Ecke gestellt zu werden“: „Eine wissenschaftliche Arbeit darf hier nicht differenzieren und in diesem Sinne ist das Buch verfasst.“ Das Kompendium ist in einem „Desiderat Verlag“ erschienen – nomen est omen.

  75. S. Khadija Katja Wöhler-Khalfallah, Islamischer Fundamentalismus. Von der Urgemeinde bis zur Deutschen Islamkonferenz, Berlin 2008.

  76. Amin al-Hussaini, so Lewis, verfolgte „Ziele, die nicht so sehr panarabischer als vielmehr panislamischer Natur waren. Ihm ging es um einen Heiligen Krieg des Islams im Bündnis mit dem Deutschen Reich gegen das Weltjudentum, um die Endlösung des Judenproblems weltweit zu verwirklichen.“ (Bernard Lewis, „Treibt sie ins Meer!“ Die Geschichte des Antisemitismus, a.a.O., S. 174).

  77. Kamillo Landmann, Die russische Judenfrage und die Nahost-Politik der Sowjetunion, Rothenburg ob der Tauber 1970; Peter Brod, Die Antizionismus– und Israelpolitik der UdSSR. Voraussetzungen und Entwicklung bis 1956, Baden-Baden 1980; Heinz Abosch, Antisemitismus in Rußland. Eine Analyse und Dokumentation zum sowjetischen Antisemitismus, Darmstadt 1972; Francois Fejtö, Judentum und Kommunismus. Antisemitismus in Osteuropa, Wien/Frankfurt/Zürich 1967; Antizionistisches Komitee der sowjetischen Öffentlichkeit (Hg.), Der Zionismus: Wort und Tat. Sammlung von Beiträgen aus sowjetischer und ausländischer Presse, Moskau 1987; Angelika Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997.

  78. Robert Wistrich, Der antisemitische Wahn, a.a.O., S. 314/315.

  79. Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas, in: Helga Baumgarten, Hamas, a.a.O., S. 207–226, hier S. 211, 213, 215. Auf der Website des „Middle East Media Research Institute“ kann man sich bei Bedarf über manichäische und paranoide antisemitische Verschwörungstheorien aus den arabischen Ländern und ihre praktischen Auswirkungen informieren.

  80. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, a.a.O., S. 214–216.

  81. Zit. nach Leon Poliakov, Geschichte des Antisemitismus. VI. Emanzipation und Rassenwahn, Worms 1987, S. 282.

  82. Johann Gottlieb Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution, in: Ders., Schriften zur Revolution. Herausgegeben von Bernard Willms, Köln/Opladen 1967, S. 34–213, hier S. 115.

  83. Karl Marx, Zur Judenfrage, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Gesamtausgabe (MEGA), Band I, 2: Werke, Artikel, Entwürfe. März 1843 bis August 1844, Berlin 1982, S. 141–169, hier S. 141.

  84. Ebd., S. 164, 166, 165, 169.

  85. Diese Ansicht wird insbesondere von Edmund Silberner vertreten, der Marx, auch in Bezug auf andere Texte und Äußerungen, eine „grundsätzlich feindliche Haltung“ Juden gegenüber unterstellt: Edmund Silberner, Sozialisten zur Judenfrage. Ein Beitrag zur Geschichte des Sozialismus vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1914, Berlin 1962, S. 107–142 (Zitat S. 141); auch in seinem späteren Werk „Kommunisten zur Judenfrage. Zur Geschichte von Theorie und Praxis des Kommunismus“ (Opladen 1983) hält Silberner an dieser Einschätzung fest: „Marxens gelegentliche Schimpfereien gegen die Juden sind von geringerer Bedeutung als seine grundsätzlich feindliche Haltung ihnen gegenüber.“ (S. 41). Dagegen vertritt Thomas Haury die wohl treffendere Ansicht, daß Marx zwar „völlig kritiklos die zeitgenössischen judenfeindlichen Stereotypen für seine politischen und philosophischen Zwecke benutzt“, sich bei ihm aber „weder die grundlegenden Strukturprinzipien des antisemitischen Denkens (Manichäismus, Personifizierung, Verschwörungstheorie, Konstruktion identitärer Kollektive) noch die für den modernen Antisemitismus zentrale Komplementärfunktion für den Nationalismus“ finden. (Thomas Haury, Antisemitismus von links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR, Hamburg 2002, S. 181). Marx hat später in seiner entwickelten Kapitalismuskritik auf solche antisemitischen Stereotype bezeichnenderweise auch nicht mehr zurückgegriffen. Völlig zurecht konstatiert Silberner in seinen beiden genannten Arbeiten, daß es unterschiedlich ausgeprägte antisemitische Aspekte in den Werken zahlreicher sozialistischer bzw. kommunistischer Theoretiker sowie in sozialistischen und kommunistischen Milieus gegeben hat. S. auch Micha Brumlik, Antisemitismus im Frühsozialismus und Anarchismus, in: Ludger Heid/Arnold Paucker (Hg.), Juden und die deutsche Arbeiterbewegung bis 1933. Soziale Utopien und religiös-kulturelle Traditionen, Tübingen 1992, S. 35–42; Enzo Traverso, Die Marxisten und die jüdische Frage. Geschichte einer Debatte (1843–1943), Mainz 1995; Jack Jacobs, Sozialisten und die „jüdische Frage“ nach Marx, Mainz 1994; Mario Keßler, Antisemitismus, Zionismus und Sozialismus. Arbeiterbewegung und jüdische Frage im 20. Jahrhundert, Mainz 1993; Wolfgang Fritz Haug, Antisemitismus in marxistischer Sicht, in: Herbert A. Strauss/Norbert Kampe (Hg.), Antisemitismus. Von der Judenfeindschafi zum Holocaust, Frankfurt/New York 1988, S. 234–255; Shlomo Na’aman, Marxismus und Zionismus, Gerlingen 1997; Peter Ullrich, Begrenzter Universalismus. Sozialismus, Kommunismus, Arbeiter(innen)bewegung und ihr schwieriges Verhältnis zu Judentum und Nahostkonflikt, Berlin 2007.

  86. „Der Antisemitismus“, so Engels, „ist das Merkzeichen einer zurückgebliebenen Kultur“ und „nichts anderes als eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft, die wesentlich aus Kapitalisten und Lohnarbeitern besteht, und dient daher nur reaktionären Zwecken unter scheinbar sozialistischem Deckmantel; er ist eine Abart des feudalen Sozialismus, und damit können wir nichts zu schaffen haben.“ (Friedrich Engels, Über den Antisemitismus, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke Band 22, Berlin 1972, S. 49–51, hier S. 49/50.)

  87. August Bebel, Vorschlag einer Resolution zum Thema Antisemitismus und Sozialdemokratie, Irving Fetscher (Hg.), Marxisten gegen Antisemitismus, Hamburg 1974, S. 58–76, hier S. 58/59.

  88. Zit. nach Thomas Haury, Antisemitismus von links, a.a.O., S. 263.

  89. Zit. ebd., S. 283 und S. 284; s. auch Olaf Kistenmacher, Vom „Judas“ zum „Judenkapital“. Antisemitische Denkforrnen in der Kommunistischen Partei Deutschlands der Weimarer Republik, 1918–1933, in: Matthias Brosch/Michael Elm/Norman Geißler/Brigitta Elisa Simbürger/Oliver von Wrochem (Hg.), Exklusive Solidarität, a.a.O., S. 69–86; ders.‚ Vom „Judenkapital“ zur „jüdisch-faschistischen Legion in Jerusalem“. Zur Entwicklung des „Antizionismus“ in der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Weimarer Republik 1925–1933, in: associazione delle talpe/Rosa Luxemburg Initiative Bremen (Hg.)‚ Maulwurfsarbeit. Aufklärung und Debatte, Kritik und Subversion, Berlin 2010, S. 84-95; Hans–Helmuth Knütter, Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik 1918–1933, Düsseldorf 1971.

  90. S. ebd., S. 283/284.

  91. Thomas Haury, Antisemitismus von links, a.a.O., S. 285, 284. Auch Edmund Silberner hält fest, daß die KPD trotz aller fragwürdigen Einlassungen auf das nationalistische Milieu „keine theoretischen oder programmatischen Zugeständnisse an den Antisemitismus (machte)“, „sie es aber (vermied), ihn tagtäglich und unermüdlich zu bekämpfen“ und „in ihrer Tagespolitik den Antisemitismus zu verharmlosen (suchte)“. Auch wenn „es in der KPD zeitweise antisemitische Unterströmungen gab und… die kommunistische Propaganda sich gelegentlich antijüdischer Äußerungen bediente… wäre es eine gewaltige Übertreibung, in der KPD eine antisemitische Partei zu sehen“; die Versuche der KPD, sich „gelegentlich des Antisemitismus“ zu bedienen, „um einen Teil der nationalistischen Volksmasse an sich zu ziehen“ bezeichnet Silberner schließlich als „eine – wenn auch potentiell nicht ungefährliche – Randerscheinung“. Edmund Silberner, Kommunisten zur Judenfrage, a.a.O., S. 271, 274.

  92. Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, Wien/Berlin 1931; 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Wien/Berlin 1933 (ein Nachdruck dieser 2. Auflage erschien Bonn 1975, herausgegeben von den Palästina-Komitees Bonn und Aachen); Otto Heller, Kommunismus und Judenfrage, in: Klärung. 12 Autoren, Politiker über die Judenfrage, Berlin 1932, S. 80–96; Zentralkomitee der KPD, Kommunismus und Judenfrage, in: Der Jud’ ist schuld….? Diskussionsbuch über die Judenfrage, Basel/Berlin/Leipzig/Wien 1932, S. 272-286.

  93. Otto Heller, Der Untergang des Judentums, a.a.O., S. 11.

  94. Ebd., S. 22. Heller widmet dem zionistischen Projekt ein ganzes Kapitel mit der Überschrift „Die Unweisen von Zion“, ebd., S. 151–174.

  95. Ebd., S. 173. „Nächstes Jahr in Jerusalem?“, fragt Heller, und antwortet: „Nächstes Jahr in der Krim! Nächstes Jahr in Birobidjan!“ (ebd., S. 174), und widmet sich ausführlich den Ansiedlungsprojekten russischer Juden auf der Krim und im sibirischen Birobidjan (S. 246–253, 257–273, 330–374. S. auch Robert Weinberg, Birobidshan. Stalins vergessenes Zion, Frankfurt/M. 2003).

  96. Ebd., S. 374. In seinem 1932 erschienenen Buch „Wladi Wostok! Der Kampf um den Fernen Osten“ (Berlin 1932) berichtet Heller in einem kurzen Kapitel („Theater in Birobidjan“, S. 201–206) über einen kurzen Besuch und beschwört einmal mehr den „Vormarsch Birobidjans zum jüdischen, sozialistischen, autonomen Gebiet“ (S. 203).

  97. In genau dieser für die traditionelle und vorgeblich internationalistisch orientierte, tatsächlich aber nationalistische Bewegungen unterstützende Linke offensichtlich ohne Bedenken anschlußfähigen Tradition argumentierte auch die PLO in ihrem 1968 verabschiedeten „Palästinensischen Nationalabkommen“: „Das Judentum ist nur eine Religion und keine unabhängige Nationalität. Die Juden konstituieren kein einzelnes Volk mit eigener Identität, sondern sie sind Bürger der Staaten, denen sie angehören.“ (Das Palästinensische Nationalabkommen (Nationalcharta), in: Dietrich Neuhaus/Christian Sterzig (Hg.), Die PLO und der Staat Palästina, a.a.O., S.189.

  98. Beispielhaft sei verwiesen auf: Emil Vandervelde, Schaffendes Palästina. Der jüdische Aufbau heute und morgen. Von einem Sozialisten, Dresden 1930.

  99. Otto Heller, Der Untergang des Judentums, a.a.O., S. 11.

  100. Der Kongreß der Völker des Ostens in Baku (1920). Materialien und Dokumente (Schulungstexte & Materialen Nr. 3), Wien 2004; John Riddell (ed.), To See the Dawn. Baku, 1920 – First Congress of the Peoples of the East, New York/London/Montreal/Sydney 1993; Congress of the Peoples of the East. Baku, September 1920. Stenographic Report. Translated and annotated by Brian Pearce, London 1977. Die bolschewistische Regierung nahm ihre eigenen Proklamationen allerdings selbst nicht ganz ernst: Nachdem sich das zu Rußland gehörende Georgien unter einer menschewistischen Regierung am 26. Mai 1918 als unabhängig erklärt hatte, marschierte am 16. Februar 1921 die Rote Armee in die neue „Demokratische Republik Georgien“ ein, um sie der Sowjetunion einzugliedern.

  101. Zu der diesbezüglichen Entwicklung in der DDR s. Thomas Haury, Antisemitismus von links, a.a.O., S. 293–455, sowie Angelika Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern, a.a.O.

  102. Otto Heller, Der Untergang des Judentums, a.a.O., S. 169.

  103. Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Wien/Berlin 1933, S. 8.

  104. Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, Wien/Berlin 1931, S. 151.

  105. Ebd.‚ S. 153. Den Begriff der Kaste für das Judentum geht auf Karl Kautsky zurück, der damit gewissermaßen ex cathedra und stellvertretend für die allgemeine Haltung der Sozialdemokratie, auch der Bolschewiki vor 1914, dem jüdischen, auch dem arbeiterzionistischen Anspruch auf Nationalität widersprechen und den Anspruch des Zionismus auf eine nationale Heimstätte widerlegen wollte; vgl. Karl Kautsky, Rasse und Judentum, Stuttgart 1914.

  106. Ebd.‚ S. 167.

  107. Ebd.‚ S. 153.

  108. Zit. ebd., S. 157. Das Zitat stammt aus Lenins Schrift „Braucht das jüdische Proletariat eine ‚selbständige Partei‘?“, in der er gegen die Verselbständigung des im Übrigen nicht zionistischen „Allgemeinen Jüdischen Arbeiterverbandes in Litauen, Polen und Rußland“ anschrieb (in: W.I. Lenin, Werke Band 6, Januar 1902 – August 1903, S. 324–329, hier S. 328).

  109. Zit. ebd.‚ S. 157.

  110. Ebd., S. 161/162.

  111. Ebd., S. 169.

  112. Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, a.a.O., S. 153/154.

  113. Ebd., S. 156.

  114. Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, Wien/Berlin 1931, S. 163.

  115. Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, a.a.O., S. 163.

  116. Hans Weingartz, Vorwort, in: Otto Heller, Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage. Ihre Kritik. Ihre Lösung durch den Sozialismus, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, a.a.O., Nachdruck Bonn 1975, S. 3.

  117. Abraham Léon, Judenfrage & Kapitalismus. Historisch-materialistische Analyse der Rolle der Juden in der Geschichte bis zur Gründung des Staates Israel. Schulungstext zur Wirtschaftsgeschichte Europas, München 1971 (2. Aufl. München 1973); eine weitere, neu bearbeitete Ausgabe erschien unter dem Titel „Die jüdische Frage. Eine marxistische Darstellung“, Essen 1995. Eine biographische Skizze Ernest Mandels zu Léon, die zuerst in der englischen Ausgabe des Jahres 1949 sowie in der französischen Ausgabe des Jahres 1968 erschienen war, sowie ein Einführungstext von Nathan Weinstock zu Léons Werk, der zuerst im Juli 1969 in der trotzkistischen französischen Zeitschrift „Quatrième Internationale“ veröffentlicht worden war, erschienen unter dem Titel: Emest Mandel/Nathan Weinstock, Zur jüdischen Frage, a.a.O.

  118. Ebd., S. 110.

  119. Ebd., S. 105.

  120. Ebd., S. 105.

  121. Ebd., S. 103.

  122. Ebd., S. 103 und 105.

  123. Ebd., S. 112.

  124. Ebd., S. 108.

  125. Ebd., S. 113.

  126. Ebd., S. 114 und 116.

  127. Trikont-Verlagskooperative, Nachwort, in: Ebd., S. 118–121, hier S. 119.

  128. Zit. nach Emst Vogt, Israel-Kritik von links. Dokumentation einer Entwicklung, Wuppertal 1976, S. 61; die Zeitschrift „Diskussion“ wurde mit Heft 30/31 vom Dezember 1971 eingestellt.

  129. Interview with Isaac Deutscher: On the Israeli-Arab War, in: New Left Review 44/1967, S. 30–45. Die deutsche Übersetzung, nach der im folgenden zitiert wird, erschien im August 1968 als Voltaire Flugschrift 21 unter dem Titel „Der israelisch–arabische Konflikt“ mit einem Vorwort von Ulrike Marie Meinhof, Frankfurt/M./Berlin 1968. Zu Deutscher s.: Ludger Syre, Isaac Deutscher. Marxist, Publizist, Historiker. Sein Leben und Werk 1907–1967, Hamburg 1984. Syre, der in tradierter antizionistischer Manier gegen Deutscher argumentiert, hält immerhin fest, daß dieser „zu sehr Marxist (war), um sich unkritisch mit allen Befreiungsbewegungen, Emanzipationskämpfen und antiimperialistischen Kriegen zu identifizieren“. (S. 265).

  130. Isaac Deutscher, Der israelisch-arabische Konflikt, a.a.O., S. 9.

  131. Ebd., S. 9, 18 und 19.

  132. Ebd., S.17 und 18.

  133. Ebd., S. 27.

  134. Ebd., S. 23.

  135. Simcha Flapan, 5. Juni 1967. Der arabisch-israelische Krieg (Eine Antwort an Isaac Deutscher), Frankfurt/M. 1969. Im Vorwort verweist Heschi Rotmensch darauf, daß Deutschers Text „in linken Kreisen, welche bereits über die Beurteilung des Juni-Krieges und dessen Implikationen gespalten war(en), enormes Aufsehen (erregte)“ und daß – verstärkt dadurch, daß es sich bei Deutscher um einen „Marxisten jüdischer Abstammung“ handelte – „endlich all diejenigen aufatmen (konnten), die zwischen der aktuellen Situation, die durch die Aggression gegen Israel herbeigeführt wurde, und ihrem Wunsch nach Loyalität gegenüber dem sozialistischen Lager, der ‚Dritten Welt‘ und dem Ami-Imperialismus hin- und hergerissen wurden. Es leuchtet ein, Isaac Deutschers Veröffentlichung kam einem tiefen und subjektiven Bedürfnis der Linken entgegen.“ (S. 13/14). Auch Eike Geisel und Mario Offenberg sind der Ansicht daß „dieser Beitrag eine produktive Diskussion in der Linken überhaupt erst eingeleitet (hat)“ (Eike Geisel/Mario Offenberg, Die gegenwärtige Vergangenheit – Zur Aktualität von Isaac Deutschers Schriften zur jüdischen Frage, in: Isaac Deutscher, Die ungelöste Judenfrage, a.a.O., S. 105–142, hier S. 129). Eine weitere detaillierte Kritik an Deutscher findet sich bei Michael Landmann, Antwort an Isaac Deutscher, in: Ders., Das Israelpseudos der Pseudolinken, a.a.O., S. 36–80.

  136. Simcha Flapan, Die Geburt Israels. Mythos und Wirklichkeit, München 1988 (Neuauflage: o.O. (Neu–Isenburg) 2005).

  137. Ebd., S. 81; es muß nicht besonders ausgeführt werden, daß sich daran – wenn man z.B. die Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien oder Ägypten betrachtet – bis heute wenig geändert hat, auch wenn die Beziehungen zwischen den USA und Israel heute anders gelagert sein mögen als zu der Zeit, als Flapan seinen Text schrieb.

  138. Ebd., S. 35.

  139. Simcha Flapan, 5. Juni 1967, a.a.O., S. 32.

  140. Ebd. S. 51/52. Man muß nicht besonders darauf hinweisen, daß sich diese Vernichtungsrhetorik auch heute noch unverändert, eher noch zugespitzt, in den Verlautbarungen diverser palästinensischer oder sonstiger arabischer islamistischer Organisationen oder auch des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad findet – und daß es weiterhin antizionistische Solidarität mit solcherlei Vernichtungsphantasien gibt.

  141. Ebd.‚ S. 99/100.

  142. Nathan Weinstock, Das Ende Israels?, a.a.O. Weinstock hat sich in der Zwischenzeit von seinem früheren antizionistischen Engagement distanziert. In einem in deutscher Übersetzung auf der Website Hagalil zugänglichen Text verweist er darauf, daß „das Fehlen jeglicher revolutionärer Perspektive im Westen uns angespornt hat, unsere enttäuschten Hoffnungen auf eine weitgehend imaginäre Dritte Welt zu projizieren“ und resümiert seine antizionistischen Erfahrungen wie folgt: „Ich wurde auf den einzigen Platz gestellt, der für jüdische Gegner Israels reserviert ist. Des ‚nützlichen Idioten‘… Immer mehr wurde es mir unmöglich einen heimtückischen und allgegenwärtigen Antisemitismus zu ignorieren, der durch alle feurigen Unterstützungserklärungen und blinden Verurteilungen durchsickerte.“ (Nathan Weinstock, Das Bekenntnis eines ehemaligen Antizionisten, eingestellt auf Hagalil, Zugriff am 1.8.2011). Zudem hat er in einem auf der Website Emperor’s Clothes einsehbaren Brief „An die Redaktion“ (Zugriff am 1.8.2011) klargestellt, „daß ich mich in aller Form und explizit von all diesen Pseudoanalysen distanziere, die, direkt oder indirekt versuchen, die Liquidation Israels (um die Dinge beim Namen zu nennen) zu rechtfertigen und dabei ganz nebenbei implizit auch diejenige der Israelis in Kauf nehmen. „Deshalb“, so Weinstock weiter, „habe ich meinem Verleger verboten, mein Buch ‚Le Sionisme contre Israel‘ (Der Zionismus gegen Israel) neu herauszugeben… Das Buch diente lediglich dazu, das gute Gewissen von bekennenden und unbewußten Antisemiten zu nähren.“

  143. Ebd.‚ S. 235, 238, 239.

  144. Ebd.‚ S. 249, 246. In einem auf den 2. Juni 2003 datierten und auf der Website Emperor’s Clothes (ebenfalls zugänglich auf der Website Infopartisan) eingestellten Text „Geschichte von Hunden“ (Zugriff am 1.8.2011) verweist Weinstock darauf, daß in islamischen Gesellschaften Juden (neben Anhängern anderer Konfessionen) „in einen Status der strukturellen und im eigentlichen Sinne diskriminierenden Erniedrigung gezwängt waren – in den Status der ,Dhimmis‘“ und – auf der Basis entsprechender Nachweise in dem 1999 erschienenen ersten Band von Henry Laurens’ „La question de Palestine“, dem in der Zwischenzeit zwei weitere gefolgt sind – daß der Konflikt zwischen einheimischen Arabern und zuwandernden Juden seit dem frühen 20. Jahrhundert „gar nichts mit bäuerlicher Landnahme, mit dem Problem der Landkäufe oder dem zionistischen Projekt an sich zu tun hatte“, sondern damit, daß der jüdische Dhimmi, der doch „darauf verwiesen (ist), unter dem Schutz der Muselmanen zu leben“, sich von diesem Status emanzipiert zeigt. Zum Verständnis des palästinensisch-israelischen Konflikts ist es, so Weinstock, unumgänglich, „diesen strukturellen Faktor zu berücksichtigen, der seit Beginn die arabische Wahrnehmung des Juden, ob er nun Israeli sei oder nicht, gefärbt hat und es weiterhin, bis zum heutigen Tag tut. Die ‚arabische Verweigerung‘ gegenüber der Tatsache Israel und gegenüber der Legitimität eines jüdischen Staates in Palästina durchzieht die Geschichte des Konflikts wie ein roter Faden. Dieser abgrundtiefe Haß auf Israel, dieses unerträgliche Gefühl der Demütigung, die dieser Staat hervorruft, erklärt sich aber nicht, wie oft versichert wird, durch das Drama der palästinensischen Flüchtlinge, denn dieser Haß datiert von viel früher.“ Folglich bedarf es „zuallererst eine(r) Revolution der Mentalitäten“, ehe sich eine wie auch immer geartete politische Lösung des Konflikts als auf Dauer tragfähig erweisen kann.

  145. Isaac Deutscher, Die ungelöste Judenfrage, a.a.O.

  146. Eike Geisel/Mario Offenberg, Einleitung der Herausgeber, in: Nathan Weinstock, Das Ende Israels, a.a.O., S. 9–24, hier S. 10.

  147. Eike Geisel/Mario Offenberg, Die gegenwärtige Vergangenheit – Zur Aktualität von Isaac Deutschers Schriften zur jüdischen Frage, in: Isaac Deutscher, Die ungelöste Judenfrage, a.a.O., S. 105.

  148. Eike Geisel/Mario Offenberg, Einleitung der Herausgeber, a.a.O., S. 15.

  149. Ebd., S. 23/24.

  150. Ebd., S. 24.

  151. Eike Geisel/Mario Offenberg, Die gegenwärtige Vergangenheit, a.a.O., S. 130, Fußnote 40 und S. 141. Die zionistische Gleichsetzung von Zionismus und Judentum, so Geisel/Offenberg an anderer Stelle, hat zur Folge, daß „der pauschale Antisemitismusvorwurf gegen die Linke… sich unter anderem von den in der antizionistischen Kritik selbst wieder zum Vorschein kommenden Resten zionistischer Ideologie (nährt)“. (Eike Geisel/Mario Offenberg, Einleitung der Herausgeber, a.a.O., S. 23).

  152. S. Martin W. Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, a.a.O., S. 220 ff. (Ausgabe Frankfurt/M. 1994). Kloke dokumentiert im Faksimile zwei Seiten des „Grünen Kalenders 1983“, in dem es unter der Überschrift „Israel die Mörderbande“ in nicht mehr nur bloß antizionistischer, sondern offen antisemitischer Diktion u.a. heißt: „Jüdische Söldner bereiten die ‚Endlösung der Palästinenserfrage‘ vor… Angesichts der zionistischen Greueltaten verblassen jedoch die Nazigreuel und die neonazistischen Schmierereien, und nicht nur ich frage mich, wann den Juden endlich ein Denkzettel verpaßt wird, der sie aufhören läßt ihre Mitmenschen zu ermorden“ (ebd., S. 229).

  153. Eike Geisel, Alle sind Sieger, in: Ders., Lastenausgleich, Umschuldung. Die Wiedergutwerdung der Deutschen. Essays Polemiken Stichworte Berlin 1984, S. 9–34, hier S. 23. S. auch Eike Geisel, Die Banalität der Guten. Deutsche Seelenwanderungen, Berlin 1992; ders.‚ Triumph Guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer. Die Nationalisierung der Erinnerung Berlin 1998.

  154. Ebd., S. 25.

  155. Ebd., S. 23.

  156. Ebd., S. 33.

  157. Michael Landmann, Das Israelpseudos der Pseudolinken, a.a.O., S. 8.

  158. Eike Geisel/Mario Offenberg, Die gegenwärtige Vergangenheit, a.a.O., S. 136.

  159. Ebd; S. 137.

  160. Ernst Vogt, Israel – Kritik von links. Dokumentation einer Entwicklung, Wuppertal 1976.

  161. Ebd., S. 7.

  162. Henryk M. Broder, Antizionismus – Antisemitismus von links?, a.a.O., S. 32.

  163. Ebd.‚ S. 34.

  164. Ebd.‚ S. 45.

  165. Henryk M. Broder, Der ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls, a.a.O. S. auch Henryk M. Broder, Linker Antisemitismus?, in: Karlheinz Schneider/Nikolaus Simon (Hg.), Solidarität und deutsche Geschichte. Die Linke zwischen Antisemitismus und Israelkritik. Dokumentation einer Arbeitstagung in der Evangelischen Akademie Amoldshain, August 1984, Berlin 1984, S. 21–60.

  166. Henryk M. Broder, Der ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls, a.a.O. S. 67–69 (Ausgabe Berlin 2005).

  167. Martin W. Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, a.a.O.‚ S. 300 (Ausgabe Frankfurt/M. 1994). Ein Beispiel für neurechten Antizionismus bietet die umfangreiche Arbeit von Claus Nordbruch, Machtfaktor Zionismus. Israels aggressive Außenpolitik, Tübingen 2008.

  168. Ebd.‚ S. 299/300.

  169. Eine Analyse zu Geschichte und Hintergründen dieses geplanten Attentats findet sich bei: Wolfgang Kraushaar, Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005; das Flugblatt, das auch in der Zeitschrift „Agit 883“ (40/13. November 1969, S. 9) abgedruckt wurde, ist bei Kraushaar auf den S. 47/48 dokumentiert.

  170. Zit. ebd., S. 66/67.

  171. Palästina-Komitee Frankfurt, Erklärung zum Bombenattentat auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin, in: SDS Info 25/1. Dezember 1969, S. 29–30 (zuerst in: Sozialistische Correspondenz Info 22/22. November 1969, S. 11–12).

  172. Israelisch Revolutionäres Aktionskomitee im Ausland – ISRACA, Frankfurt, Die israelische Linke, in: Sozialistische Correspondenz Info 30/24.1.70, S. 23–25; Flugblatt zum Besuch Abba Ebans, in: Ebd., 33/ 14.2.70, S. 16–18. Abba Eban war seinerzeit der Außenminister Israels, dessen zuerst 1968 unter dem Titel „My People. The Story of the Jews“ erschienenes Buch 1970 auch in deutscher Übersetzung erschien: Dies ist mein Volk. Die Geschichte der Juden, Zürich 1970. Jahre später kam Dan Diner in einem Eli Löbel gewidmeten Text eher beiläufig auf die ISRACA zu sprechen: „Eli Löbel gehörte der Israca an – der Auslandsorganisation von Matzpen. Die Namensgebung simulierte Revolutionsromantik und hatte etwas von jener Inszenierung an sich, von der das Jahrzehnt nach 1968 voll war. Das Akronym Israeli Revolutionary Action Committee Abroad spielte nicht zufällig und vom Klang her an auf die bolschewistische Iscra. … Rückblickend handelte es sich bei Israca weit eher um eine Organisation, die sich um die Verbreitung von Informationen über von Israel in den besetzten Gebieten begangene Verletzungen von Menschenrechten verdient gemacht hatte, als um den sozialrevolutionären Umsturz. Ihre Stärke lag aber vor allem darin, eine durchaus realitätsgerechte Interpretation des Konflikts mitgeliefert zu haben, die sich nach und nach allenthalben durchgesetzt hat – weltweit und nicht zuletzt auch in Israel.“ (Dan Diner, Was bleibt?, in: Micha Brumlik (Hg.)‚ Mein Israel. 21 erbetene Interventionen, Frankfurt/M. 1998, S. 156–162, hier S. 159). Micha Brumlik seinerseits erinnert sich wie folgt: „So fand ich mich, als junger, linker, binational gesonnener jüdischer Antizionist nach Deutschland zurückgekommen, plötzlich am Rande eines Zirkels sich ebenso linksradikal wie zionistisch gebärdender Medizin- und Jurastudenten wieder, die den Austromarxisten Otto Bauer und seine Auslassungen zur Nationalitätenfrage im österreichisch-ungarischen Kaiserreich studierten, die Werke des merkwürdigen marxistisch-zionistischen Ideologen Ber Borochov hochhielten und sich unter Berufung auf ihn den zeitgemäßen Slogan: ,Be a Zionist in revolution and a revolutionary in Zionism‘ gegeben hatten“; „Cheftheoretiker der Gruppe“, der „ganz zu Unrecht des Antizionismus Verdächtigte(n)“, der „Borochovisten“ war, so Brumlik, Dan Diner. (Micha Brumlik, Kein Weg als Deutscher und Jude. Eine bundesrepublikanische Erfahrung, München 1996, S. 101 und 104). Von Eli Löbel erschien seinerzeit ein Text über „Die Juden und Palästina“, in: Sabri Geries/Eli Lobel, Die Araber in Israel, München 1970, S. 4–91.

  173. Flugblatt zum Besuch Abba Ebans, a.a.O., S. 18.

  174. Israelisch Revolutionäres Aktionskomitee im Ausland – ISRACA, Frankfurt, Die israelische Linke, a.a.O., S. 24.

  175. Ebd., S. 23.

  176. Ber Borochov, Die Grundlagen des Poalezionismus, Frankfurt/M. 1969. Der Text Borochovs ist in dieser Ausgabe ohne entsprechende Angaben der Herausgeber gegenüber dem Original, das neun Kapitel enthält, um zwei Kapitel gekürzt. Dieser gekürzte Text entspricht der Übersetzung, die unter gleichem Titel in dem eine Auswahl von Borochovs Schriften in deutscher Sprache versammelnden Band erschien: Ber Borochov, Sozialismus und Zionismus. Eine Synthese. Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Mendel Singer, Wien 1932 (S. 77–161). Der in der Ukraine geborene und aufgewachsene Borochov (1881–1917) war Anfang des letzten Jahrhunderts Mitbegründer der „Poale Zion“ und entwickelte auf dem Hintergrund der sozialen und politischen Lage des osteuropäischen jüdischen Proletariats die These, daß dieses zwecks Schaffung einer Basis für eine soziale Emanzipation im Sinne einer sozialistischen Revolution sich nicht in die jeweiligen Gastgesellschaften zu integrieren und dort zu assimilieren, sondern den Klassenkampf auf der Basis einer nationalen Selbständigkeit in Palästina zu führen habe.

  177. Dany Diner, Vorwort, in: Ber Borochov, Die Grundlagen des Poalezionismus, a.a.O., S. 7.

  178. Ebd., S. 8 und 7.

  179. Ebd., S. 8

  180. Ebd.

  181. Ebd., S. 9.

  182. Diner bezog sich dabei auf Fanons Werk „Peau noir, masques blancs“, das in Frankreich zuerst 1952 erschienen war und erst 1980 ins Deutsche übersetzt wurde: Frantz Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken, Frankfurt/M. 1980. Seinerzeit wichtiger, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Begeisterung fiir die Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt und somit gewissermaßen zur Basisbibliothek der ’68er gehörend, war ein anderes, in Frankreich zuerst 1961 erschienenes Werk von Fanon: Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt/M. 1966.

  183. Ebd., S. 12.

  184. Ebd., S.15, 19, 20, 22.

  185. Ebd., S. 23.

  186. Ebd., S. 24.

  187. Dan Diner, Was bleibt?, a.a.O., S. 156/157.

  188. Dany Diner, Vorwort, in: Ber Borochov, Die Grundlagen des Poalezionismus, a.a.O., S. 24.

  189. Symptomatisch für eine solche Position ist z.B. die österreichische „Antiimperialistische Koordination“ (AIK)‚ deren Positionen von Werner Pirker seit Jahren regelmäßig auch in der Berliner Tageszeitung „junge welt“ vertreten werden. Seit Dezember 2000 gibt die AIK die Zeitschrift „Intifada. Zeitschrift für antiimperialistischen Widerstand“ heraus, von der bis zum Frühjahr 2011 33 Ausgaben sowie zwei Sondernummern zum Irak erschienen sind. In dem in Heft 27/2008 (S. 27–29) erschienenen Beitrag „Die Lüge von der israelischen Selbstverteidigung. Strategische Ziele der israelischen Aggression“ von Wilhelm Langthaler, der auch Redakteur der Zeitschrift ist, stellt dieser die antiisraelischen, einen jeglicher Demokratie hohnsprechenden und einen islamistischen Gottesstaat anstrebenden „Widerstandsbewegungen Hamas und Hisbollah, sowie die vielgestaltige und fragmentierte irakische Guerilla“ in den Kontext eines weltweiten Befreiungskampfes und sieht „gute Chancen…‚ dem Zentrum des imperialistisch-kapitalistischen Weltsystems einen Schlag zu versetzen und das American Empire zu Fall zubringen“. Als dessen Vorposten gilt nach wie vor Israel und so heißt es konsequenterweise weiter: „Die Hamas repräsentiert die Kontinuität des antikolonialen Widerstands der Palästinenser, der eine jahrzehntelange Tradition aufweist. Die Hamas vernichten zu wollen, bedeutet die Palästinenser als Teil der arabischen Nation auszulöschen. Zweifellos ist das das historische Ziel des Zionismus und der gegenwärtige Angriff ein Versuch es zu erreichen… Nicht nur deswegen stehen wir fest auf der Seite des palästinensischen Widerstands und der Hamas, Die Solidarität mit den Unterdrückten für das Recht auf Selbstbestimmung und gegen den Kolonialismus ist auch ein elementares demokratisches Prinzip.“ Dieser krude, sich u.a. auch auf völkische Bewegungen stützende Antiimperialismus hat es in der Zwischenzeit auch zu den üblichen nichtssagenden akademischen Ehren gebracht: Wilhelm Langthaler, Befreiung weltweit. Revolutionäre Subjekte jenseits der Arbeiterklasse. Wege aus dem „Krieg der Kulturen“, Wien 2010; s. auch: Wilhelm Langthaleer/Werner Pirker, Ami go home. Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus, Wien 2003.

  190. Dany Diner, Fragmente von unterwegs. Über jüdische und politische Identität in Deutschland, in: Ästhetik und Kommunikation 51/1983 (14. Jg.)‚ S. 5–15, hier S. 15.

  191. Zu einer die Gründungsmythen des Zionismus und des Staates Israel grundlegend ausleuchtenden Kritik s. Micha Brumlik, Kritik des Zionismus, Hamburg 2007.

  192. Dan Diner, Israel in Palästina. Über Tausch und Gewalt im Vorderen Orient, Königstein/Ts. 1980, S. 22.

  193. Ebd., S. 268.

  194. Zu einem frühen Konzept eines binationalen Staates in Palästina s.: Dietmar Wiechmann, Der Traum vom Frieden. Das binationale Konzept des Brith-Schalom zur Lösung des jüdisch-arabischen Konfliktes in der Zeit von 1925-1933, Schwalbach/Ts. 1998.

  195. Ebd., S. 271.

  196. Ebd., S. 272.

  197. In einem Jahre später veröffentlichten Artikel skizziert Diner drei mögliche Begründungsvarianten für die Legitimität der Existenz des Staates Israel: Zum einen die religiöse, von ihm als „israelisch-zionistische“ Variante bezeichnete „Berufung auf die Bibel“, zum zweiten die als „israelisch-jüdische“ Variante bezeichnete Berufung auf die von Abba Eban „Grenzen von Auschwitz“ genannte Grenzlinie von 1948 und zum dritten schließlich die als „israelisch-israelisch“ bezeichnete, die sich aus der „bloße(n) Faktizität“ ergibt, daß Israel existiert. Von dieser dritten Variante spricht Diner als „der einzigen realpolitisch tauglichen“, mit einem bedenkenswerten Vorbehalt allerdings: „Seitens der Araber bedürfte es allein der Anerkennung der Faktizität Israels – und das unabhängig von allen innerisraelischen Selbstbegründungen, ob sie sich nun auf die Bibel oder auf Auschwitz beziehen“ (Dan Diner, Sprachlos am Zaun. Israels Existenz hat drei Begründungen. Nur eine kann das Überleben des jüdischen Staates sichern, in: Die Zeit, 31/25.7.2002).

  198. Durchaus ähnlich stellten und stellen sich die Probleme der Legitimiät im Hinblick auf neue, zumeist auf ethnischer Basis ausgerufene Staaten, die z.B. aus der Konkursmasse der am Ende des Ersten Weltkrieges auseinandergebrochenen österreichisch-ungarischen Monarchie, des ursprünglich aus dieser Konkursmasse stammenden, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges neu konstituierten jugoslawischen Staates in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts und schließlich der Sowjetunion, insbesondere in der Kaukasusregion, hervorgegangen sind.

  199. Dan Diner, Der Sarkophag zeigt Risse, in: Doron Rabinovici/Ulrich Speck/Natan Sznaider (Hg.), Neuer Antisemitismus?, a.a.O., S. 310–328, hier S. 328/329. Hannah Arendt hatte 1945, nachdem amerikanische Zionisten auf ihrer Jahresversammlung im Oktober 1944 in Atlantic City Anspruch auf ganz Palästina erhoben hatten, geschrieben, daß damit alles getan worden war, „um jenen ‚tragischen Konflikt‘ entstehen zu lassen, der nur durch das Zerschlagen des gordischen Knotens beendet werden kann (Hannah Arendt, Der Zionismus aus heutiger Sicht, in: Dies., Die Krise des Zionismus. Essays & Kommentare 2. Herausgegeben von Eike Geisel und Klaus Bittermann, Berlin 1989, S. 7–59, hier S. 9).

  200. Dan Diner, Täuschungen: Israel, die Linke und das Dilemma der Kritik, in: Micha Brumlik/Doron Kiesel/Linda Reisch (Hg.)‚ Der Antisemitismus und die Linke, Frankfurt/M. 1991, S. 73–81, hier S. 75.

  201. Dan Diner, Israel und das Trauma der Massenvernichtung. Über Elemente jüdischer Deutungsmuster im Palästinakonflikt, in: Dietrich Wetzel (Hg.)‚ Die Verlängerung von Geschichte. Deutsche, Juden und der Palästinakonflikt, Frankfurt (Main) 1983, S. 25–42, hier S. 41.

  202. Benny Morris, Der zweite Holocaust, in: Die Welt, 6.1.2007. S. auch: Yaacov Lozowick, Israels Existenzkampf. Eine moralische Verteidigung seiner Kriege, Hamburg 2006; Alan M. Dershowitz, Plädoyer für Israel. Warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen. Mit einem Vorwort von Henryk M. Broder, Hamburg/Leipzig/Wien 2005; Alexandra Kurth (Hg.), Insel der Aufklärung. Israel im Kontext, Giessen 2005.