Kosten-Nutzen-Analyse der Corona-Massnahmen

CP/M 21.1 – Covid-Mail an Catherina Pieroth, 25. Jan. 2021

Es gibt eine PDF-Datei zum ausdrucken, 2 Seiten A4.

Seit dem “Lockdown” in Deutschland im März 2020, ist eines meiner Hobbys das Anschreiben von berliner Abgeordneten. Nur sehr gelegentlich habe ich eine Rückmeldung erhalten, einen wirklichen Austausch gab es nie. Die hier angeschriebene Catherina Pieroth, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, hatte mir im Juli einen “konstruktiven Austausch” angeboten.

Die CP/M-Mails sind online und gehen zusätzlich an alle Fraktionen.

Moin Frau Pieroth,

zum neuen Jahr erstmal ein Blick auf andere Orte, in denen Neujahr gefeiert wurde: Miami, Kiew, Tokyo, Wuhan. Ganz normal, mit Feuerwerk, ohne Abstand und “Nase-Mund-Bedeckung”, aka “Keimschleuder” (Drosten-Vorgänger Detlev Krüger). Gastro und Kultur überall geöffnet. Von einem Massensterben wird aus keiner der Städte berichtet. (Die Massendemos hier in Berlin waren, wie Sie wissen, ebenfalls epidemiologische Nullnummern.) – Sie irren sich, wenn Sie annehmen, dass überall auf der Welt noch ein Viruswahn herrscht, wie hier in Deutschland und einigen Nachbarländern. (Bericht im sehr empfehlenswerten Blog des Wissenschaftjournalisten Peter Mayer, Wien)

Nun habe ich eine Bitte. Bei politischen Massnahmen findet natürlich immer eine Güterabwägung statt. Bitte senden Sie mir unverzüglich die gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse zu, die Grundlage für Ihre Pandemiemassnahmen ist. Sie, bezeihungsweise der von Ihnen getragene Senat, hat sicherlich schon vor Beginn der Massnahmen im März so etwas gemacht, und dann laufend weitergepflegt. Eine Kosten-Nutzen-Analyse ist schliesslich immer die Voraussetzung für politisches und Verwaltungshandeln. Kosten und Nutzen natürlich nicht nur im finanziellen Sinne, sondern zum Beispiel auch in dem Sinne, dass geprüft wurde und wird, ob nicht die Massnahmen mehr gesundheitlichen Schaden anrichten, als sie nutzen. Als gesundheitspolitischer Sprecherin der Grünen liegt Ihnen dieses Material selbstverständlich vor.

Ich frage, weil der stockholmer Notarzt Sebastian Rushworth Studien vorgestellt hat, nach denen der Schaden der “Lockdowns” den Nutzen um Grössenordnungen übersteigt. In seinem Beitrag wundert er sich, dass solche Kosten-Nutzen-Analysen nicht gemacht werden. In Deutschland ist das doch wohl nicht der Fall, oder was sagen Sie? (Rushworth, mit dem ich mich ständig austausche, stellt auf seinem Blog Studien vor, die Gesundheitsthemen untersuchen. Der Witz seiner Beiträge besteht darin, dass er immer auch die Studienqualität beurteilt. Seine Standards dazu, hat er in einem eigenen Beitrag erläutert.)

Es gibt jetzt, seit Anfang Januar, eine Vergleichsstudie von John Ioannidis, Stanford, dem weltweit führenden Epidemiologen. Ioannidis vergleicht den Umgang mit der “Pandemie” in verschiedenen Staaten. “Lockdowns” werden ja gerade nicht überall gemacht, auch wenn man das nach der Berichterstattung in den Leitmedien vermuten würde. Sein Ergebnis: Die “Härte” des “Lockdowns” hat keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Staaten, die wenig bis nichts tun, stehen epidemiologisch genausogut da, wie harte Lockdown-Staaten (und wirtschaftlich und gesellschaftlich natürlich wesentlich besser).

Dass der Verdacht besteht, die Lockdowns würden selbst im Bereich der öffentlichen Gesundheit mehr Schaden anrichten, als sie Nutzen, ist Ihnen vermutlich seit März bekannt, seit der zuständige Fachreferent im BMI, Andreas Kohn, sein “Fehlalarm”-Papier erstellt hat. (Das sehr zu empfehlende Online-Magazin Achgut hat das Papier im Mai veröffentlicht.) Vergleiche ich die seinerzeitigen Feststellungen Kohns mit den oben genannten Informationen (es gäbe viel mehr), dann finde ich, dass der Fachreferent glänzend bestätigt wird. Was wäre Ihr Kenntnisstand?

Sie setzen den “Lockdown” durch, weil Sie eine “Überlastung des Gesundheitswesens vermeiden” wollen. Gibt es diese Überlastung? Ich schaue mir den Krankenstand anhand der Auslastungsdaten der Helios-Kliniken an. Was ich sehe ist, dass seit Oktober, unabhängig von allen Massnahmen, die Belegungszahlen in den insgesamt 86 Kliniken um 20 bis 25 Prozent unter denen des Vorjahres liegen. Seit Anfang Januar, also lange vor den jetzigen Verschärfungen, wird sogar die Belegung wegen “Covid” weniger. Merkwürdige “Überlastung”, mit weniger Kranken und sinkenden Covidzahlen vor der Verschärfung. Finden Sie nicht, dass das gut zu der Feststellung von Ioannidis passt, nach der der “Lockdown” keinen Effekt auf den Krankenstand hat?

Erwarten Sie überhaupt, dass noch ein Rutsch an Erkrankten kommt? Auf die Thesenpapiere von Matthias Schrappe, Klaus Püschel u.a. habe ich sie vor langer Zeit und wiederholt hingewiesen. Die Autoren sind namhafte Fachleute aus den verschiedenen, bei einer Epidemie relevanten Fachgebieten. Ich finde in den Papieren viele hervorragende Informationen über die verschiedenen Aspekte der “Pandemie”. Dem aktuellen Papier vom 10. Januar entnehme ich, dass Sie und Ihre Kollegen in den Volksvertretungen der anderen Bundesländer seit Juni zugelassen haben, dass über 6000 Intensivbetten abgebaut wurden. Wie passt das zu der von Ihnen erwarteten Notlage?

Klaus Püschel kennen Sie? War bis September Chef der hamburger Rechtmedizin und hat dort alle Covidtoten obduzieren lassen, kennt sich mit den klinischen Verläufen also bestens aus. Püschel hat schon Anfang April festgestellt, dass es sich “in den meisten Fällen jedoch (um) eine überwiegend harmlos verlaufende Virusinfektion” handelt. Die aktuellen Helios-Daten bestätigen diesen frühen Befund eigentlich sehr gut. Wie erkennen Sie darin eine “epidemische Lage”?

Glauben Sie, dass der “Lockdown” wenigstens denen, die Sie zu schützen beabsichtigen, etwas nützt? Im Thesenpapier Nr. 7 finde ich dazu diese Feststellung:

Es besteht die paradoxe Situation, dass eine mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbundene Lockdown-Politik durchgesetzt wird, ohne andere Optionen in Betracht zu ziehen und über einen dringend notwendigen Strategiewechsel überhaupt nur nachzudenken, obwohl die am stärksten Betroffenen, die höheren Altersgruppen und PflegeheimbewohnerInnen, durch einen Lockdown nicht geschützt werden.

Da Sie weiter die Massnahmen vertreten und sogar verschärfen, nehme ich an, dass Sie bessere Informationen haben. Ich bitte darum, mir diese mitzuteilen, vielen Dank!

Mit fragenden Grüssen, Ahoi,
Ulf Martin, Berlin

(Ich schicke das auch an andere Abgeordnetenkollegen, damit die was beisteuern können, wenn sie wollen.)


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