Fritz berichtet von der japanischen Front im Weltkrieg gegen das Virus

Covid-Berichterstattung in deutschen Medien: Der normale Umgang mit einer Grippewelle als Kriegsbericht

Es gibt eine PDF-Datei zum ausdrucken.

Sehr viele meiner Korrespondenten gehen davon aus, dass die “ganze Welt” mit “Lockdown” auf das Wuhanvirus reagiert. Eine Korrespondentin hat mich auf den Bericht “Tokio ist kein Vorbild mehr” von Martin Fritz, in der Taz vom 2. Febr. 2021, hingewiesen. Ich gehe im Folgenden den Bericht Absatz für Absatz durch, um beispielhaft zu zeigen, wie deutsche Medien den normalen Umgang eines Landes mit der Wuhangrippewelle zu einer Weltkatastrophe überhöhen, indem sie die Form des Kriegsberichtes wählen, und ihre Konsumenten damit in die Irre führen.

Tatsächlich besteht der ganze angebliche “Lockdown” in Japan, laut dem Taz-Bericht, Mitte Februar 2021, einzig und allein darin, “Bars und Restaurants” “in den grossen Metropolen” “ab 20 Uhr” zu schliessen. That’s it.

1 “Nous sommes en guerre”

Lange galt Japans Corona-Abwehr als besonders effektiv. Jetzt wird der Lockdown verlängert, Impfungen starten frühestens Ende Februar.

“Nous sommes en guerre”, “Wir sind im Krieg”, sagte der französische Präsident Macron Anfang 2020. “Abwehr” – Japan ist in die Defensive geraten und versucht, die Stellung zu halten. “Lockdown” ist Englisch und bedeutet “einsperren”. Worin besteht der japanische “Lockdown”?

2 Normaler Alltag als “Lockdown”

Auf Anraten seiner Virusberater hat Japans konservativer Premierminister Yoshihide Suga den Ausnahmezustand in den großen Metropolen am Dienstag um einen Monat bis zum 7. März verlängert.

Der Premier hat “Virusberater”? Sind in seinem Beraterstab ausserdem Epidemiologen, Allgemeinmediziner, Fachleute für öffentliche Gesundheit, Wirtschaft, Gesellschaft, wie es für die Klärung einer gesellschaftlichen Lage üblich wäre? Wird in Japan eine Epidemie als Gesellschaftszustand verstanden, oder als virologisches Problem enggeführt? Wir erfahren es nicht.

Dem Bericht nach, wird nicht ein “Lockdown” verlängert, sondern ein “Ausnahmezustand”. Keineswegs im ganzen Land, sondern nur “in den grossen Metropolen”. Im Rest des Landes herrscht der normale Alltag. Was ordnen die japanischen Behörden ausnahmsweise an?

Die Neuinfektionen seien zwar zurückgegangen, nachdem Bars und Restaurants seit fast vier Wochen um 20 Uhr schließen müssen, sagte Suga, aber das Gesundheitswesen stehe weiter “unter Druck”.

Das Gesundheitswesen steht so sehr “unter Druck”, dass die einzige Massnahme im ganzen Land darin besteht, in “grossen Metropolen” Bars und Restaurants ab 20 Uhr zu schliessen. Es herrscht in Japan der ganz normale Alltag. Keine Schliessung von Geschäften, Vergnügungsstätten, Sportstätten, keine Kontaktverbote, Reisebeschränkungen, usw. Nichts. – Das nennt Fritz einen “Lockdown”.

3 Individuelles Pech als gesellschaftliche Katastrophe

Doch die Realität ist viel härter: Dutzende Ja­pa­ne­r:in­nen starben im Dezember und Januar an Covid-19, als sie zu Hause vergeblich auf ein freies Klinikbett warteten. Damit hat Japan seine Vorbildrolle bei der Virusbekämpfung verloren. “Unterm Strich wurden die potenziellen Auswirkungen der Pandemie unterschätzt”, meint der Mediziner Kentaro Iwata.

Die “Härte” – ein Krieg hat Opfer. “Duzende” starben innerhalb von zwei Monaten. Wieviele Menschen sterben in Japan insgesamt innerhalb von zwei Monaten? Laut Wikipedia hat des Land 126 Mio. Einwohner mit einer Lebenserwartung von 84.6 Jahren. Damit ergeben sich 126 Mio. / 84,6 Jahre = 1,5 Mio. Verstorbene pro Jahr, oder eine viertel Million während zweier Monate. Zwei Duzend von einer viertel Million sind einer von Zehntausend.

Von Zehntausend Japanern, die sterben, stirbt einer, weil er das Pech hatte, an einer schweren Grippe zu erkranken, und nicht schnell genug ins Krankenhaus zu kommen. Gab es eventuell “Duzende” (oder mehr?) Menschen, die wegen anderer Krankheiten ebenfalls “vergeblich auf ein freies Klinikbett warteten” und gestorben sind? Fritz macht aus individuellem Pech eine gesellschaftliche Katastrophe.

Welche Rolle der zitierte “Mediziner” in Japan während der Pandemie spielt, sagt uns Fritz nicht.

4 Abstieg im Weltgesellschaftspiel “Krieg gegen Covid”

Mit rund 6.000 Toten und 400.000 Infizierten steht die Inselnation zwar noch besser da als viele westliche Länder. Aber im Asienvergleich schneidet sie nun schlecht ab. Der Abstieg ist hausgemacht. Beim ersten Notstand im April 2020 ließ sich das Virus mit massenhaftem Maskentragen, konsequenter Kontaktvermeidung und einem Fokus auf Infektionscluster bald stoppen.

Von 1,5 Mio. 6000 innerhalb eines Jahres, das sind sind 0,4% aller Verstorbenen. “An” oder “mit”? Wurden die Verstorbenen obduziert? Die meisten werden, wie überall auf der Welt eine oder mehrere schwere Grunderkrankungen gehabt haben. Gibt es in den Grossstädten des dichtbesiedelten Landes andere Möglichkeiten als Covid, eine Krankheit “einzuatmen”?

“Asienvergleich”. Deutsche Medien vergleichen gerne mit “Nachbarstaaten”. Man muss jedoch demographisch ähnliche Staaten vergleichen. Schon im Sommer hat Tegnell zu Schweden gesagt, dass das Land demographisch mehr mit den Niederlanden vergleichbar ist, als mit seinen skandinavischen Nachbarn. Eigentlich müsste Japan deutlich schlechter dastehen, als Deutschland. Die Mortalität steigt bei Covid im Alter steil an und die Lebenserwartung ist in Deutschland drei Jahre niedriger, d.h. Japan hat prozentual viel mehr alte Menschen.

Das Land erlebt einen “Abstieg”? Abstieg, Aufstieg, Ligabetrieb. Es kommt Fritz nicht in den Sinn, dass Japan eventuell nicht mitspielt, beim Weltgesellschaftsspiel “Krieg gegen Covid”, sondern mit einer Grippewelle so umgeht, wie es normal ist.

Ob das “massenhafte Maskentragen” wirksam war? Die beste Studie zu diesem Thema, aus Dänemark im Juni 2020, hat keine Auswirkung nachweisen können, und die Influenza 2019 wurde in Japan nicht gestoppt, obwohl, jedenfalls der hiesigen Medienmeinung nach, die Japaner gewohnheitsmässige Maskenträger sein sollen (auf dem Bild im verlinkten Artikel sieht man keine Maskenträger).

Der Autor berichtet über den “Notstand” im April 2020, verweist allerdings auf seinen Artikel vom 25. November. Die “konsequente Kontaktvermeidung” erläutert er nicht näher, ebensowenig, was ein “Fokus auf Infektionscluster” ist.

5 Virus versus Wirtschaft – Krieg an allen Fronten

Auf diesen Lorbeeren ruhte sich die Regierung aber aus und bekämpfte danach lieber die Wirtschaftsschäden als die Pandemie selbst. Mit Subventionen für Restaurantbesuche und Inlandsreisen förderte Suga nicht nur Tourismus und Gastronomie, sondern auch die Ausbreitung des Virus. Diese Hilfen flossen bis in den Dezember, obwohl die Covidwelle längst rollte.

Er herrscht Krieg und die Regierung “ruht sich aus” auf “Lorbeeren”, die sie im Spiel “Krieg gegen Covid” geernetet hat. Der Premier föderte “die Ausbreitung des Virus”, “obwohl die Covidwelle längst rollte”. Infektionsausbreitung als Angriffswelle. Es gibt Wirtschaftsschäden, und die werden ebenfalls “bekämpft”. Krieg an allen Fronten.

6 Japan müsste Lockdown machen, Deutschland könnte entspannt sein – es ist umgekehrt

Nun zahlen die Ja­pa­ne­r:in­nen den Preis für Laisser-faire und Ignoranz: Maskentragen reicht nicht mehr. Das Winterwetter führt dazu, dass sich die bewährte Verhaltensregel, enge Räume zu meiden, schwerer einhalten lässt.

Hat der Autor Daten, die belegen, dass die “Verhaltensregel, enge Räume zu meiden” sich bewährt hat, und dass sich Menschen im dichtbesiedelten Japan an sie gehalten haben?

Die starke Covidwelle überforderte die schon länger kaputtgesparten Gesundheitsämter. Ihre wenigen Mitarbeiter stellten die Nachverfolgung von Infektionsclustern ein. Bald waren die Krankenhäuser überfüllt, da Japan einen chronischen Mangel an Intensivbetten hat. Auf 100.000 Menschen kommen 13,5 Betten, in Deutschland sind es 34. Auch darum hatte Suga sich nicht gekümmert.

Überfordert eine besondere “Covidwelle” die Gesundheitsämer, oder allgemein die übliche, im Winter vermutlich höherere Zahl an Erkrankungen? Wie sieht eigentlich der Vergleich mit den vergangenen Jahren aus? (Zum Vergleich: In Deutschland ist die Belegung der Helios-Kliniken seit dem vierten Quartal 2020 um 20 bis Prozent niedriger, als im Vorjahr. Das heisst, in Deutschland hat es die beschworene Notlage zu keinem Zeitpunkt gegeben.) Was immer eine “Nachverfolgung von Infektionsclustern” sein mag, jedenfalls gab eswohl nie Einzelkontaktverfolgung.

Japan hat einen “chronischen” Mangel an Intensivbetten? Wir erfahren, dass Deutschland 2,5 mal mehr Intensivbettenkapazität hat, als Japan. Die japanische Bevölkerung ist drei Jahre älter. Eigentlich müsste Japan einen selbstzerstörerischen Lockdown machen, um “die Kurve flach zu halten”, während sich Deutschland entspannt zurücklehnen könnte. Es verhält sich umgekehrt.

7 Wer nicht in der Bevölkerung testet, vermeidet die Casedemic

Lieber stecken die Behörden den Kopf in den Sand, indem sie nur die Hälfte ihrer Testkapazität ausschöpfen. “Verstärktes Testen könnte die Kliniken überwältigen”, gestand Regierungsberater Hitoshi Oshitani ein. Private Testanbieter, die die Lücke füllen, müssen Positivergebnisse nicht melden. Die Kehrseite bilden abgewiesene Covidinfizierte, die qualvoll zu Hause sterben. Premier Suga sah sich letzte Woche unter Druck der Opposition gezwungen, sich für diese Zustände zu entschuldigen. Doch schnelle Abhilfe kann er nicht bieten.

Der Regierungsbeamte “gesteht”? Als ob es ein Versäumis wäre, eine durch massenhaftes sinnloses Testen verursachte “Casedemic” in Japan zu vermeiden. Die “Testkapazität” wird nicht “ausgeschöpft” und dazu melden die privaten Testanbieter ihre Daten nicht. Vermutlich gibt es im Land viel mehr “Covid” als gemeldet, aber warum sollte sich eine Gesundheitsbehörde für die Verbreitung eines Erregers interessieren, der nur in seltenen Fällen medizinisch relevante Erkrankungen hervorruft?

“Lücke”? Vielleicht stehen die vom Staat eingekauften Tests normalen Ärzten nicht zur Verfügung. Die privaten Testanbieter testen vermutlich auf Anordung eines Arztes, der bei seinem Patienten einen der seltenen schweren Verläufe beobachtet, und wissen wissen will, ob es sich um Covid handelt. So wird das Deutschland normalerweise bei Krankheiten ebenfalls gehandhabt. Gemeldet wird sowas in Deutschland bei anderen Krankheiten ebenfalls nicht.

Sterben nur “Covidinfizierte” “qualvoll zu Hause” oder auch Menschen mit anderen schweren Erkrankungen? Meint Fritz, Japan müsste viel testen, damit Covidpatienten bevorzugt eingewiesen werden? Wäre das gegenüber anderen Menschen mit schweren Erkrankungen gerecht?

Vermutlich werden viele Verstorbene in Japan nicht getestet und schlicht als an ihren Grunderkrankungen gestorben gezählt, während in Deutschland massenhaft getestet wird, und Tote als an “Covid” gestorben gelten, wenn der Test positiv ausfällt. Das könnte ein Grund sein, warum die Covidsterblichkeit in Japan niedrig ausfällt. Bei einem sehr alten Menschen hat man bei uns früher ebenfalls nicht gefragt, woran genau er gestorben ist.

8 Niemand leugnet, dass es eine Grippewelle gibt, und wenn die im Sommer vorbei ist, werden Olympische Spiele abgehalten

Das Gesundheitsministerium begnügt sich mit einer Prämie von umgerechnet 35.000 Euro für die Einrichtung eines neuen Intensivbettes. Auf die Idee, medizinische Masken zu verteilen, ist noch niemand gekommen. Lieber lenkte die Regierung die Aufmerksamkeit auf angebliche Sündenböcke.

Das Gesundheitsministerium ist also nicht von der Notwendigkeit überzeugt, die Wuhan-Grippe mit übermässigen Mitteln zu bekämpfen. Niemand, der den wissenschaftlichen Befund zu den Masken kennt, würde auf die Idee kommen, welche zu verteilen. Wenn Japaner privat eine medizinisch sinnlose Maske tragen wollen, ist das ihre Sache.

Zuerst schloss sie erneut die Grenzen, als ob Ausländer die Virusträger seien. Am Montag beschloss das Parlament dann Geldstrafen bis zu 4.000 Euro, wenn ein Geschäft die Sperrzeit missachtet oder Infizierte einen Test verweigern. Dabei gibt es fast keine Coronaleugner. Und bei all dem hält die Regierung weiterhin an der Austragung der um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele von 23. Juli bis 8. August 2021 fest.

Grenzschliessungen kann eine Insel natürlich machen. Die Geldstrafen erscheinen verhältnismässig. Kein Vergleich zur völligen Irrealität der teilweise im Prinzip exorbitanten Strafen in Deutschland.

“Dabei gibt es fast keine Coronaleugner.” Was gibt es in einem Land zu “leugnen”, das eine Grippewelle als Grippewelle behandelt?

9 Sorgfältige Prüfung eines experimentellen Impfstoffes als “Desaster”

Das nächste Desaster wartet schon: Die Impfungen beginnen in Japan frühestens Ende Februar, weil zunächst klinisch geprüft wird, ob Ja­pa­ne­r:in­nen die Vakzine vertragen. Für weitere Verzögerungen hat der zuständige Minister schon einen Schuldigen ausgemacht: Die EU-Exportkontrollen für Vakzine würden den Impfplan durcheinander bringen.

Die japanischen Gesundheitsbehörden prüfen, ob ein experimentelles, bisher nie efolgreich eingesetztes Verfahren von Menschen vertragen wird. Für Fritz ist das eine Verzögerung bei der Bereitstellung einer Wunderwaffe. Entsprechend muss der “zuständige Minister einen Schuldigen ausmachen”, und handelt nicht etwa verantwortungsvoll, wenn er zum Beispiel beachtet, dass in der Vergangenheit im Schnellverfahren eingeführte Impfstoffe, bei wenig Nutzen, schwere Schäden verursacht haben.

10 Fazit

Fritz wähnt sich in einem Weltkrieg gegen ein Virus und schreibt wie ein Kriegsberichterstatter. Sein Bericht fokussiert ausschliesslich auf “Covid” und blendet alles andere aus. Die Sachverhalte, die er berichtet, belegen dagegen, dass dieser Krieg in Japan nicht stattfindet. Die japanischen Behörden behandeln die Epidemie einer normalen bis vielleicht schweren Grippe gemäss den Grundsätzen epidemiologischer Fachkunde. Der Krieg findet nur in der Einbildung des Reporters statt. Die absurde Überhöhung einer epidemischen Lage zum Krieg ist Teil der “Diskursverengung”, den die Thesenpapiere von Schrappe et al. beschreiben (Nr. 3 § 3.3 und Nr. 7 § 4). Die Thesenpapiere enthalten im übrigen für Laien, inklusive Politiker, verständliche Erläuterungen, wie fachkundig mit einer Epidemie umzugehen wäre.

Japan “bekämpft” lieber eine Wirtschaftskrise als ein Grippevirus. Das Land vermeidet massenhafte Verarmung durch die Vernichtung von Existenzen und die Verschlechterung der Zukunftsaussichten von Kindern und Jugendlichen durch Schulschliessungen und Eingriffe in ihr soziales Leben. Das kulturelle Leben ist praktisch nicht beeinträchtigt. Der weitgereiste und belesene Arzt und Bewegungslehrer Helmut Jäger kennt sich gut mit asiatischer Bewegungskunst und Kultur aus. Jäger hat seine umfangreichen Arbeiten zu den verschiedensten Aspekten von Covid nach Art japanischer Zenmeister so zusammengefasst (von mir leicht redigiert und in Zeilen gesetzt):

Wer also die Grippe,
ob mit Corona oder Influenza,
fürchtet,
der sollte auf jeden Fall
gut und genussvoll leben
und viel schlafen.

Könnte es sein, dass die Verantwortlichen in Japan der Ansicht sind, dass zu einem “guten und genussvollen Leben” eine prosperierende Gesellschaft gehört?

Der Wissenschaftsjournalist Peter Mayer liefert Beschreibungen des japanischen Vorgehens mit der “Pandemie”, die sich nicht dem Kriegsnarrativ unterwerfen.


weltexperiment.com・document 21111 (2021-02-12)・revision 21131 (2021-02-20)・Ulf Martin Mail Telegram