Materialien zur Kriegskompetenz des Westens
Verkürz mal Deine Arbeitszeit
durch vorgetäuschte Übelkeit!
Lass doch den Alltag und die Sorgen sein!
Und wenn Du dann genesen bist,
dann geh zum nächsten Spezialist
und nutze Deinen Krankenschein
zum Schein.
(Rating, Klotzbach, und Thef 1999)
Verrüstet
habe sich der Westen, sagt Hauke Ritz, Autor von
Endspiel Europa (2022) und Der Niedergang des
Westens (2024). Man kann Darstellungen des
vielfachen Versagens der westlichen Rüstungsbemühungen als
Politikberatung verstehen: Wie können wir
es besser
machen
und die Welt weiter unterjochen, wie in den letzten 500 Jahren? Man kann
dergleichen jedoch auch als Inspiration begreifen: Wie lässt sich dem
Niedergang nachhelfen?
Materialien zu anderen Themen.
Rule, Britannia!(Flugzeugfreie Flugzeugträger)
Jährlich zum Abschluss der Promenadenkonzertsaison feiern die Engländer ihren Karneval und gröhlen patriotische Lieder, wie das 1744 von James Thomson getextete, von Thomas Arne vertonte und mit der Königlichen Marine assoziierte Stück mit dem Refrain (Blue 2024):
Beherrsch, Britannien, beherrsch die Wellen,
Briten werden nie Slawen sein.
(Sic! Der Russenhass hat in England eine noch längere Tradition als in Deutschland.)
Bericht Klarenberg (2024):
Für 8 Milliarden (Kosten für den lfd. Betrieb nicht eingerechnet) hat die wellenbeherrschende Royal Navy zwei Flugzeugträger angeschafft und ihre ganze Flottenpolitik drum herum organisiert. In einem Regierungsbericht über den ersten hiess es in gewohnt britischem Understatement:
Sie wird unsere Interoperabilität mit Alliierten und Partnern aufzeigen und unsere Fähigkeit, innovative militärische Kraft zur Unterstützung von Nato und internationaler Sicherheit zur See zu entwickeln. Ihre Indienststellung wird es der Regierung erlauben weltweit unsere diplomatischen und Wohlfahrtsverbindungen mit Allierten und Partnern zu vertiefen.
In Dienst gestellt 2017 und 2019 sind die Schiffe allerdings mehr auf der Werft als auf See. Als Flugzeuge sind amerikanische F-35 vorgesehen, die jedoch ebenfalls von allerlei technischen Problemen geplagt. Entsprechend fahren die Flugzeugträger, wenn sie fahren, oft ohne Flugzeuge über die Weltmeere und erschrecken so beispielsweise China.
Dort hat man gehandelt und, für den Fall dass die Flugzeugträger doch mal mit Flugzeugen ausgestattet sein sollten, Torpedos entwickelt, die hyperschallschnell sind und sich den zum Antrieb benötigten Sauerstoff aus dem Wasser ziehen. Entwicklungszeit von der Idee zum Prototyp: 3 Jahre. (Kerkow 2024)
Keine 10 Jahre nach Indienststellung diskutiert man in der britischen Admiralität nun über ein das Abwracken der stolzen Schiffe.
Veränderung?!
Dazu passt eine Szene aus einer klassischen britischen Fernsehserie (Jay und Lynn 1986):
Sir Humphrey Bernard, was ist der Sinn unserer Verteidigungspolitik?
Bernard Wooley Grossbritannien verteidigen?
Sir Humphrey Nein, Bernard. Ihr Sinn ist, die Leute glauben zu machen Grossbritannien sei verteidigt.
Bernard Wooley Die Russen?
Sir Humphrey Nicht die Russen, die Briten! — Die Russen wissen, dass es das nicht ist.
[…]
Sir Humphrey Bernard, wir haben einen magischen Zauberstab. Er heisst Trident. Niemand weiss was das ist, ausser dass es 15 Milliarden Pfund kostet, was bedeutet: es muss wunderbar sein, magisch. Alles was wir tun müssen ist: einen Scheck zeichnen und wir können uns entspannt zurücklehnen. Aber wenn die Leute in der Regierung anfangen darüber zu reden, weisst du was dann passiert?
Bernard Wooley Nein.
Sir Humphrey Am Ende werden sie darüber nachdenken. Sie werden die Probleme bemerken. Die Fehler in den Überlegungen. Die Nation wird beunruhigt. Agitation, Fragen, Kritik – Veränderung.
Bernard Wooley Veränderung?!
Sir Humphrey Veränderung!
Von CASSIS wird man blau(maritime
Sicherheit)
Wie seit Kaisers Zeiten will Deutschland mit den Briten mithalten und begeistert sich heute ebenfalls für schnell und billig versenkbare Marinetechnik. Und zwar, wie ebenfalls schon in den Weltkriegen I und II, in Form der U-Boot-Flotte (Aschmoneit 2024):
Lara Jäkel macht sich Sorgen um die stolze Seefahrernation Deutschland. Deren Fregatte
Hessenmußte bekanntlich wegen Munitionsmangels aus dem Roten Meer abgezogen werden und ihr SchwesterschiffBaden Württembergmied selbiges und fuhr nach seinem regelbasierten Einsatz vor Taiwan lieber wochenlang um das Kap der Guten Hoffnung.
Jäkel begeistert sich für die
neuen U‑Boote der Klasse 212CD, die Deutschland und Norwegen gemeinsam entwickelt und bestellt habenund die pro Stück 1,3 Milliarden Euro kosten.Die strategische Partnerschaft sei eine, zitiert sie Boris Pistorius. Vorerst blöd ist, daß die zerbrochene Ampel das Vorhaben nicht rechtzeitig durch den Bundestag gebracht hat.einzigartige Blaupausefür die Nato
Die Anschaffung wurde sodann kurz vor Weihnachten ’24 beschlossen. Kostenpunkt: 5 Mrd. Euro, Etat dafür: 0.
Vorführung der Kunstflugstaffel Russische Recken (Русские
витязи) mit Sukhoi Su-35 auf einer chines. Rüstungsmesse. Der
Militärjournalist Martyanov (2024c)
dazu: So sehr die F-18 Super Hornet ein grossartiges Flugzeug ist,
die Su-35 fliegt in einem anderen Universum.
– Die neue F-35 erwähnt
Martyanov erst garnicht.
Eine vollkommen einzigartige Situation
Anfangs des Ukrainekrieges berichtete die deutsche Presse von russischen Rüstungsunternehmen, die verzweifelt elektronische Chips aus Kühlschränken und Waschmaschinen ausbauen um sie für Waffen verwenden zu können. Dagegen Putin in einem Interview 2020, nachdem er erzählt, jahrzehntelang habe Russland immer nur gegen den Westen aufgeholt (Martyanov 2024a: 176):
Zum ersten mal haben Sie und ich offensive Waffensysteme geschaffen, die vorher nicht existiert haben. Jetzt müssen sie zu uns aufholen. Das ist eine vollkommen einzigartige Situation, das hat es vorher noch nie gegeben.
(Seinen eigenen Beitrag bei der Schaffung der offensiven Waffensysteme erläutert der Präsident der Russischen Föderation leider nicht.)
Martyanov meint, der Westen könne keinen konventionellen Krieg gegen einen gleichwertigen Gegner mehr gewinnen. Die Su-35 sei nur ein Beispiel, dergleichen russische Waffenüberlegenheit gebe es in allen Bereichen. Die Oreshnik-Hyperschallrakete sei ein anderes (2024b).
Yuzhmash ist nicht mehr, es hat nach dem Besuch der Oreshnik schlicht aufgehört zu existieren. Es war eine kolossale Anlage mit eigenem Busnetz. Nichts davon ist geblieben ausser Staub. Die Leute stehen unter Schock. Appartmentblocks in der Nähe von dem, was mal Yuzhmash war, sind aufgerissen. Hier war es: gebaut um selbst in einem Atomkrieg, nach einem Atomschlag in der Nähe, noch weiterzuarbeiten.
Martyanovs letztes Buch ist America’s Final War (2024a). Er stellt fest: Die westliche Kriegskonzeption ist dem ersten Zusammenstoss mit einem echten Gegner nicht gewachsen.
Nicht nur will Deutschland eine neue U-Boot-Flotte bauen, die ganze Gesellschaft soll sich rüsten, geistig-moralisch und organisatorisch! (Gontscharow 2025)
In letzter Zeit häufen sich die Dokumentationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm über den sogenannten Operationsplan Deutschland […]. Es wäre naiv zu glauben, dies diene nur der sachlichen Information des Bürgers über diese Angelegenheit und nicht auch (oder sogar hauptsächlich) dazu, sich an den Gedanken zu gewöhnen, Deutschland als Aufmarschgebiet der NATO zu betrachten.
Den Aufwand, im Kriegsfall einen Notstand auszurufen, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, wird man sich demnach allerdings ersparen.
Die Bürger sollten sich keinesfalls mit beruhigenden Erklärungen der für diesen Plan Verantwortlichen abspeisen lassen. Bodemann versichert zwar, in Deutschland würde dank der Planungen im Ernstfall ebenso wie jetzt in der kriegsgeplagten Ukraine das Leben weitergehen […], mit Schule und geöffneten Geschäften, der Möglichkeit, ins Restaurant zu gehen oder mal einen Kaffee zu trinken – dass man sich darauf allerdings nicht unbedingt verlassen sollte, zeigen die Äußerungen von Landeskommandochef Giss.
[…] wie jetzt in der kriegsgeplagten Ukraine […]
Eine
Trümmerlandschaft als Ziel deutscher Politik? Man hat damit begonnen.
Der wohlmeinende grosse Bruder sprengt die Ostsee-Pipeline. Was soll das
bedeuten? Da auszuschliessen ist, dass es sich um einen Kriegsakt
handelt, als den man die Zerstörung einer wirtschaftlich wichtigen
Versorgungsleitung normalerweise betrachten würde, muss es einen anderen
Sinn geben.
Die Antwort liegt auf der Hand: Auf diese Weise kann Deutschland üben
mit Versorgungsmangel umzugehen! Resilienz
lautet der
Fachbegriff, erläutert Bundeswehr-Stabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm,
der schon während der Pandemie
an führender Stelle Wichtiges
geleistet hat (2023):
Die Grundlage für Resilienz ist Bewusstsein für das, was uns bedroht. Das bedingt nämlich die Investitionen in Resilienz.
Wäre das von vornherein so kommuniziert worden, wäre viel überflüssiges Rätselraten und Ärger wegen der Sprengung vermieden worden.
Fähigkeitslücke
Zeise (2025) berichtet über einen neuen Kampfjet der Chinesen. Der wird wohl noch nicht auf den Rüstungsgütermessen beworben (Teryoshin 2023).
Deutsche Bank warnt vor
bedauerlichem Zustandder US-Luftwaffe.
Das chinesische Militär hat einen Kampfjet der sechsten Generation präsentiert. Die Militärpläne der USA im Indopazifik könnten so durchkreuzt werden.
Auf die USA könnten deutlich höhere Verteidigungsausgaben zukommen. Denn
einer der Gründe für erhöhte Verteidigungsausgaben während des Kalten Krieges war die Vorstellung, dass zwischen den USA und der Sowjetunion eine, heißt es in der Deutsche-Bank-Analyse.Bomberlückeund später eineRaketenlückebestandDiese wahrgenommenen Fähigkeitsdefizite wurden damals als Rechtfertigung für erhöhte Verteidigungsausgaben herangezogen. Wir glauben, dass diese Enthüllung im Kongress zu größerer Besorgnis führen könnte, dass das US-Militär zurückfällt, was wiederum zu einer verstärkten Unterstützung des Kongresses für erhöhte Verteidigungsausgaben führen könnte.
Die Deutsche Bank hat die Aktie von Lockheed Martin auf ein Kursziel von 523 US-Dollar statt 611 US-Dollar herabgestuft.
Chinas Bemühungen zur Modernisierung von Kampfflugzeugensind der Grund für die Entscheidung.
Bei der Betrachtung all der westlichen
Rüstungs-Pleiten-Pech-und-Pannen stellt sich die Frage: Hat sich der
Westen wirklich verrüstet
, wie Ritz meint, oder ist der Sinn der
westlichen Rüstung nicht ein anderer? Womöglich verrät der letzte Absatz
der zitierten Passage von Zeise den eigentlichen –
Wozu dient nun all die westliche Rüstung, die auf Rüstungsbasaren angeboten wird? Kriegführen kann es mangels Eignung nicht sein. Orlov (2023):
Die Nato ist ein Zwangskundenverein [captive buyer’s club] für amerikanische Waffen. Daher musste sich die Ukraine den vielgerühmten Nato-Standards unterwerfen um sich als Wert zu erweisen, eine Einladung für die Mitgliedschaft zu erhalten. Um die Standards einzuhalten, müssen die Waffen hauptsächlich aus amerikanischer Produktion stammen. Das ist auch der Grund für die Wahl der verschiedenen Kriege, von Serbien über Irak, Afghanistan, Lybien zu Syrien: Es handelt sich um Demonstrationsprojekte für US-Waffen, mit dem zusätzlichen Ziel Waffen und Munition zu verbrauchen, damit Pentagon und Nato sie wieder neu anschaffen müssen.
Amerikanische Rüstungsgüter: Das schliesst Produkte von deutsch klingenden Erzeugern keineswegs aus, gehört doch beispielsweise ein Konzern wie Rheinmetall zu guten Teilen amerikanischen Kapitalorganisatoren wie Blackrock, Vanguard & Co. (Rügemer 2023b)
Als falsch erwies sich Orlovs Vorhersage, der Krieg in der Ukraine werde wegen der immer offensichtlicher werdenden Unzulänglichkeit westlicher Waffen als Waffen schnell abgebrochen.
Amerikanische Rüstungsunternehmen müssten ziemlich ungeduldig werden damit der Strom negativer Werbung für ihre Produkte sofort aufhört, bevor ihre Reputation endgültig ruiniert ist. Daher die unziemliche Eile, mit der das ganze Ukrainie-Projekt verlassen wird.
Der Haken ist beim derzeitigen Stand der Dinge (Ende Januar ’25), dass ein verlorener Krieg in der Ukraine ebenfalls keine gute Werbung wäre.
Werner Rügemer hat mir nach Veröffentlichung dieses Textes geschrieben, dass Amerika Kriege nie mit dem Ziel führt, sie irgendwann zu beenden. Die Rüstungsindustrie lebt davon, dass Kriege immer weitergehen. Deren Verlängerung sei das Ziel, schon im Ersten Weltkrieg. Ausgeführt hat er diesen Gedanken in seinem Buch Verhängnisvolle Freundschaft (Rügemer 2023a).
Wie zur Bestätigung berichtet Klarenberg (2025) einen Tag später über einen
Artikel in der Times
wo es heisst, ein Sieg der Ukraine sei nie
das Ziel von Amerika gewesen. Stattdessen wollte man (meine
Interpretation in Klammern):
souveränes, demokratisches Landzu bleiben,
frei seine Integration in den Westen fortzusetzen. (Sich weiter zu qualifizieren, westliche Rüstungsgüter in Empfang zu nehmen und Land & Leute den Kapitalorganisatoren Blackrock, Vanguard & Co. zu überlassen.)
Das bedingt nämlich die Investitionen in Resilienz.)
Alle Operationsziele (die in Klammern) wurden bisher soweit erreicht und entsprechend fährt Amerika seine Unterstützung möglicherweise zurück. Nach der Analyse von Rügemer (2024) vor den Wahlen in Amerika 2024 waren die Kapitalinteressen hinter den Kandidaten im Wesentlichen die geichen, nur was den Ukraine-Konflikt angeht, gab es unterschiede:
Ukraine-Krieg: Trump will beenden, Harris nicht
Hier besteht ein wichtiger Unterschied: Die Trump-Milliardäre sind mit ihren Unternehmen nicht global aktiv, sind keine führenden Aktionäre in Rüstungs- und Energiekonzernen, verdienen nichts an Kriegen. Trump/Vance wollen an der globalen Militärpräsenz (Stützpunkte, Bündnisse, Manöver) nicht rütteln, aber teure und erfolglose Kriege wie im Irak, in Afghanistan usw. verhindern, den Krieg der Ukraine jetzt möglichst schnell beenden –innerhalb von 24 Stunden, so Trump. Diese Kriege seien zu teuer, schädigen auch die europäischen Verbündeten, die als Stütze fürAmerica firstnötig sind. Harris/Walz dagegen wollen die bisherige Kriegspolitik fortsetzen.
Jetzt darf bei den bellizistischen europäischen Politikern nur nicht
ein Wir schaffen das! – Auch ohne die Amis
durchgehen. Es sieht
so aus, als ob für Trump und seinen Kapitalherren Musk Alice Weidel von
der AfD die passende Vasallenstaatskanzlerin wäre und deswegen so
gepusht wird (Neu 2025).
Eigentlich reicht es, einen Atomkrieg zu vermeiden
Der Historiker Emmanuel Todd hat, wie Ritz, ein Buch über den Niedergang des Westens veröffentlicht, fast zeitgleich im Herbst ’24 (Todd 2024). Aus beider Bücher Cover wird deutlich: Der Niedergang des Westens trägt die Farbe bläuliches Lila.
In seinem Gespräch mit Oskar Lafontaine meint Todd (2024):
Eigentlich besteht die Lösung darin, dass man einfach die Niederlage akzeptiert – die Lösung liegt im Nichtstun. Wie machbar das ist, zeigt ja gerade das deutsche Beispiel: In letzter Zeit gab es viele empörte Kommentare zum Zustand der Bundeswehr und darüber, wie Deutschland sein Militär verkümmern lässt. Ich persönlich finde, dass dies die genialste und subtilste politische Handlung der jüngeren Geschichte ist. Stellen Sie sich vor, in welcher Situation wir wären, wenn Deutschland über eine starke Armee verfügen würde. Das hätte Angst verbreitet und vielleicht wären die Russen unter diesen Umständen nicht so lange ruhig geblieben. Also eigentlich bedeutet Nichtstun sehr viel tun. […]
Ich verstehe, wie schwierig diese Situation für die Deutschen ist, und ich denke, dass sie für die Franzosen auch nicht einfach ist. Aber ich denke, dass die Situation für Deutschland wirklich besonders kompliziert ist, und zwar in einem wirklich psychologischen Sinne. Ich kann nur beten, dass Deutschland uns durch seine Passivität retten wird.
Wege zu Wissen und Wohlstand
Wie wäre eine Steigerung der von Todd angemahnten Passivität möglich?
In den 70er und 80er Jahren wusste man: Stell dir vor es ist Krieg
und keiner geht hin!
Der Medizinphilosoph Dr. med. Helmut Jäger
(2025) stellt eine Broschüre von Ende der
1970 mit dem Titel: Wege zu Wissen und Wohlstand: Lieber krankfeiern
als gesund schuften!
vor.
Für Soldaten, die eingefangen werden, um wenig später an der Front für die Interessen anderer zu sterben, kann es lebensrettend sein, schwer zu erkranken. Am besten an einer Krankheit die überzeugt: z. B. einer Infektion oder deren Langzeit-Folgen. Für Arbeits- und Kriegsdienstverweigerer schrieben 1980 anarchische Studenten eine brauchbare Anleitung. Sie schlossen mit der zeitlosen Erkenntnis:
Krank machen ist gut. Nie mehr krank werden ist besser.
Kann ein Sich-dem-Hamsterrad-verweigern gesellschaftsverändernd wirken? Dafür sprach, dass die Broschüre 1982 verboten wurde, weil sie das Ethos der Leistungsgesellschaft zu zersetzen drohte.
Verboten wurde die Broschüre allerdings erst nachdem schon mehrere
zehntausend Exemplare im Umlauf waren. Und das Verbot rief eine
umfassende Diskussion über Pressefreiheit und Zensur hervor, an der sich
Zeitungen wie die taz
beteiligten, die seit der
Seucheninszenierung dem Faktencheck
das Wort reden und vor
Fehlinformationen
warnen. (Mende
1982, enthält zu Dokumentationszwecken die komplette
Broschüre)
Jedenfalls wäre wohl eine Kombination aus Blaumachen und Dienst nach Vorschrift für viele sicherlich eine lebbare Form des Widerstands gegen die Kriegsertüchtigung. Im künstlich herbeigeführten Seuchenwahn galt:
Der deutsche Michel ist krank, hat Angst und möchte am liebsten im Bett bleiben.
Suchen Sie ihren Arzt nicht auf.Zwei Jahre galt das als vorbildlich. Die Medikalisierung des Alltagslebens hatte triumphiert.
Darauf lässt sich doch aufbauen! Vielleicht finden sich medizinisch
Gebildete, die die Broschüre von 1980 aktualisieren wollen. Der rasende
Fortschritt der medizinischen Wissenschaft
gerade der letzten 5
Jahre sollte genügend Material bieten.
Triumph der Medizin
Voraussetzung dafür, sich ärztliche Leistungen zum eigenen Nutzen dienstbar zu machen machen ist die Herrschaft der Medizin, die Iatrokratie, die über die Einsatzbereitschaft des Einzelnen im Krieg für den Fortschritt, d.h. für den Profit des Kapitals entscheidet. Visionär hat dies Jules Romains in seinem Werk vorweg genommen.
Ängste schüren ist nur dann wertvoll und dauerhaft, wenn sie den ganzen Menschen in der ganzen Tiefe seiner Persönlichkeit erreicht. Der Mensch muss das verehren, was ihn unterdrückt. […] Man muss eine sanfte und gefügige Form der Machtausübung finden. Stellen Sie sich einmal vor, wie es wäre, wenn alle Völker der Welt der Leidenschaft der Musik oder des Briefmarkensammelns verfallen würden. […] Wir haben eine Art von Macht, die all diese Bedingungen erfüllt. Und das ist die Macht der Medizin. Sie ist von universeller Kraft, kein Mensch, der von seiner Natur her eben aus Fleisch und Blut ist, kann sich ihr entziehen. Sie ist so allumfassend wie keine andere. Sie erfasst den ganzen Menschen, überall. Die Medizin verfügt wie keine andere Macht über alle Spielarten von Angst, Schrecken, fixen Ideen, Hoffnungen und Erlösungsphantasien, und das nicht in einer fernen Zukunft oder im Jenseits, sondern hier und jetzt, in der Gegenwart. […] Iatrokratie ist ein mächtiges Wort, so wie Demokratie, Aristokratie, oder Theokratie. Es ist ein Programm. (Romains (1949), zitiert nach Nolte (2024))
Laborbestätigtes Krankfeiern würde das Regime mit seinen eigenen Mitteln unterlaufen. Taiji nennt sich im Chinesischen die Kunst, die Kraft des Gegenübers gegen diesen selber zu wenden. (Jäger 2024a)
Titelbild aus: Jäger (2024b). Andere Bilder aus den
angegebenen Artikeln, einiges von Teryoshin (2023) – Autor gefunden in der Neuen
Berliner Illustrierten Zeitung (Teryoshin 2024) –, und Wikimedia. Im
Original engl. Zitate selbst übersetzt. Die Vertonung der Broschüre
durch Rating,
Klotzbach, und Thef (1999) entstand um 1980 und geht zur
Melodie Versuchs mal mit Gemütlichkeit
(Disney
1967).
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