Keimschleuderblues

Teil 2, Baseline, Japan, Jena. Weitere Fehler im Übersichtsartikel zum “Mund-Nase-Schutz” im Ärzteblatt

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Der “Mund-Nasen-Schutz” gaukelt eine Sicherheit vor, die nicht existiert und er ist eher eine “Keimschleuder” für verschiedenste Krankheitserreger, wenn er unsauber wird. (Drosten-Vorgänger Christian Krüger im April 2020)


Im Februar 2021 erschien im Ärzteblatt ein Übersichtsartikel zum “Mund-Nase-Schutz”. Die offensichtliche Falschbehauptung im Artikel, nämlich dass es keine randomisierte kontrollierte Studie zum Thema gebe, war Gegenstand von Teil 1, “Danmask”. In diesem Teil geht es um nicht ganz so offensichtliche Fehler.

1 Baseline. Wieviele Leute müssen Keimschleuder tragen, um eine Infektion zu vermeiden?

Bei einer medizinischen oder nichtmedizinischen Intervention zur Verhinderung von Infektionen ist die Frage interessant, wieviele das machen müssen, damit eine Infektion verhindert wird. Das ist die “NNT”, die “Number Necessary to Treat”. Diese Frage behandelt das Ärzteblatt nicht.

Der Laie muss sich anderswo umschauen, zum Beispiel im “Thesenpapier” Nr. 4 von Schrappe et al. Die “Maske” wird im Abschnitt 2.3 behandelt. Zur Beurteilung der Wirkung auf die Infektionsausbreitung verwenden Autoren eine Studie, die Grundlage der WHO-Empfehlungen ist, Chu et al. (die allerdings als ausgesprochen schlecht beurteilt wird). Die dänische Studie konnten Schrappe et al. noch nicht verwenden, weil sie noch nicht publiziert worden war.

Die im “Thesenpapier” verwendete WHO-Studie behauptet eine relativ deutliche Wirkung: Das relative Risiko, sich zu infizieren, soll um 80 Prozent gesenkt werden. Allerdings muss die Wahrscheinlichkeit, sich überhaupt anzustecken, hoch sein, damit die Maske eine nennenswerte Wirkung hat.

“Wenn das Basisrisiko, sich anzustecken, wie z.B. bei Chorproben, auf 50 Prozent geschätzt wird, verringert sich das Infektionsrisiko auf rund 10 Prozent. Wenn das Basisrisiko, sich anzustecken, bei 1% liegt, sinkt das Infektionsrisiko auf 0,2 Prozent. Diese Werte gelten für den einfachen und üblichen Mund-Nasen-Schutz. Letztlich hängt es also von der Baseline des Risikos ab, welcher Effekt mit dem Maskentragen erreichbar ist. Und diese Baseline, die über die lokale Epidemiologie des Infektionsrisikos bestimmt werden muss, ist bislang für Deutschland nicht differenziert genug bekannt. Die Autoren der Metanalyse weisen in einem Kommentar auf diesen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der unterschiedlichen Effektivität bei der Verringerung des Infektionsrisikos und der Baseline am Beispiel Norwegen hin (Schünemann et al. 2020): Danach wird geschätzt, dass 200.000 Menschen eine Maske tragen müssen, um pro Woche eine neue Infektion zu vermeiden. So könne eine 40prozentige Reduktion des relativen Risikos erreicht werden. Diese hohe Anzahl der Maskenträger ist wegen der niedrigen Prävalenz oder Baseline für ein Infektionsrisiko notwendig.”

So sieht also eine korrekte Diskussion der “Schutzwirkung” aus.

Es müssen im Alltag 200’000 Menschen eine Woche lang Maske tragen, um eine Infektion zu vermeiden? Nehmen wir an, es wären ein Zehntel, 20’000. Wenn dann alle 80 Millionen Deutschen eine Woche lang Maske tragen würden, würden sie ganze 4000 Infektionen vermeiden.

Angesichts von zum Teil über 100’000 Fällen pro Woche im Deutschland (und angenommen, alle diese Fälle seien echte Infektionen, womit wir allerdings ein Basisrisiko von weit weniger als 0,2% hätten), macht die, eher zu hohe Annahme von 4000 verhinderten Infektionen 4% aus. Das ist also selbst bei unrealistisch hoch angenommener Schutzwirkung und Infektionswahrscheinlichkeit vernachlässigbar. Im Freien ist die Infektionswahrscheinlichkeit nochmal geringer. Und die dänische Studie stellt die Schutzwirkung insgesamt in Frage.

Dass sich der Ärzteblatt-Artikel nicht auf eine Quantifizierung der Schutzwirkung einlässt, ist ein weiterer Hinweis auf seine wissenschaftliche Wertlosigkeit.

2 Haben Keimschleudern in Japan Infektionen verhindert?

Es wird gerne in den hiesigen Medien behauptet, dass Menschen in ostasiatischen Ländern gewohnheitsmässige Keimschleuderträger sind. Stimmt das für Japan? Im Ärzteblatt steht:

“Schließlich legen Statistiken nahe, dass selbst bei einem größeren Anstieg der Infektionszahlen die Komplikations- und Todesraten in Ländern niedrig bleiben, in denen die Mund-Nasen-Bedeckung weit verbreitet ist (37, e1). Dies galt beispielsweise für Japan, Hong Kong und Süd-Korea, wo bereits vor der COVID-19-Pandemie das Tragen von Masken während der Erkältungssaison üblich war.”

In Referenz (e1), Prather et al., heisst es nur:

“From epidemiological data, places that have been most effective in reducing the spread of COVID-19 have implemented universal masking, including Taiwan, Japan, Hong Kong, Singapore, and South Korea.”

Eine Quelle für die “epidemiologischen Daten” wird nicht angegeben.

In Referenz (37), Ghandi et al 2020, ist etwas komplizierter. Der dortige Text verweist im Zusammenhang mit Japan auf Kai et al., einer Modellstudie und nur Preprint, welche dann Burgess/Horii 2012 referenziert. Das ist nun endlich ein Artikel über “Risk, ritual and health responsibilisation: Japan’s ‘safety blanket’ of surgical face mask‐wearing”. Dort wird in der Tat von einer verbreiteten Praxis des Tragens von “chirurgischen Gesichtsmasken” gesprochen. Wirken diese?

“Do masks work? Their widespread usage is clearly not driven by evidence of universal effectiveness. While uncertainty remains, an international consensus recognises only some possible effectiveness in reducing disease transmission in healthcare settings. (…) Mask‐wearing affirms that social responses to disease are rarely driven by scientific evidence alone; as we discuss below, historically, symbolic dimensions can be more important.” (Meine Hervorhebungen)

Will sagen, wenn wir eine Kette von drei Referenzen verfolgen, stossen wir auf einen Artikel über Japan, der gerade nicht von einer Wirksamkeit des gewohnheitsmässigen Masketragens ausgeht.

Bestätigt wird die Wirkungslosigkeit des allgemeinen Masketragens von einem Bericht über eine heftige Influenzawelle in Japan im Jahr 2019, Shim 2019. Es soll eine überdurchschnittliche Zahl von Einweisungen in Krankenhäuser gegeben haben. Das Gesundheitsministerium hatte häufiges Händewaschen und Masken empfohlen.

Der Bericht über die Influenzawelle 2019 zeigt allerdings ein Bild mit vielen dichtgedrängten Passanten auf dem niemand Keimschleuder trägt. Auch das Bild von Menschenmassen bei Silversterfeiern in Tokyo zeigt praktisch niemanden der Keimschleudern trägt.

Damit haben wir nun ein Problem. Entweder sind die Japaner wirklich gewohnheitsmässige Maskenträger, dann hat ihnen das nichts genutzt. Oder die Bilder haben recht und die Japaner tragen garnicht so viel Maske, wie die Autoren des Übersichtsartikels mutmassen. In jedem Fall wiederlegt die Influenzawelle die Aussage des Ärzteblattes über Japan zum regelmässigen Maskentragen oder Einfluss auf die Infektionsausbreitung.

Das japanische Gesundheitsministerium sieht von sich aus keinen Handlungsbedarf in Sachen “medizinische Masken”. Das entnehme ich einem Japan-Artikel in der Taz vom 2. Februar, Fritz 2021: “Auf die Idee, medizinische Masken zu verteilen, ist noch niemand gekommen.” – Könnte es sein, dass die japanischen Gesundheitsbehörden mit dem empirischen Befund zu den Keimschleudern vertraut sind, und deswegen von sich aus nichts unternehmen, um das zu propagieren? Das fragt Fritz nicht.

Jedenfalls ist klar, dass die Nachrichten aus Japan eher das Gegenteil dessen vermuten lassen, was im Ärzteblatt behauptet wird.

(Der Bericht von Fritz in der Taz stellt übrigens ein beispielhaftes Stück von verdrehtem Journalismus dar. Der Reporter schreibt einen wüsten Kriegsbericht über einen angeblichen japanischen “Lockdown”, das einzige, was Japan jedoch wirklich unternimmt, ist, Restaurants und Bars in grossen Metropolen um 20 Uhr zu schliessen. Ich habe den Bericht von Fritz ausführlich analysiert.)

3 Was zeigt die Keimschleuder-Studie zu Jena wirklich?

Im Ärzteblatt wird das Beispiel Jena als Beleg für die Wirksamkeit der einer “Maskenpflicht” angeführt. Dort

“sank wenige Tage nach Einführung einer städtischen Maskenpflicht am 06. 04. 2020 die Zahl der COVID-19-Neuinfektionen auf nahezu Null. … Auch in anderen Regionen Deutschlands war nach Einführung der Maskenpflicht eine Reduktion der Zahl der Neuinfektionen je nach Region um 15–75 % zu beobachten (29).”

Die angeführte Referenz (29), Mitze et al. 2020a, verweist auf eine Arbeit vom Dezember. Die gleichen Autoren haben schon im Juni eine Arbeit zu Jena publiziert, Mitze et al. 2020b. Die Juni-Studie behauptete schon, “Face Masks Considerably Reduce COVID-19 Cases in Germany”. Originellerweise zeigen die am Ende der Studie gezeigten Grafiken von einzelnen Städten, dass das Gegenteil der Fall ist. Es hat nur in Jena zeitgleich mit der Maskeneinführung eine Reduktion der Neuinfektionen gegeben. In der Arbeit vom Dezember fehlen die Staädtevergleichsgrafiken bezeichnenderweise.

Die Autoren verschweigen ausserdem, dass Jena zeitgleich eine strikte Quarantäne eingeführt hat, wie der MDR berichtet hat. Wenn die Masken anderswo wirkunglos waren, würde man dann nicht vermuten, dass es die Quarantäne war, die anfäglich die Infektionsausbreitung verhindert hat?

4 Winterliches Fazit

Das ist die Qualität der Keimschleuderforschung aus Deutschland. Studien, die im Titel das Gegenteil dessen behaupten, was sie im Inhalt zeigen, und im Standesjournal der Mediziner ein Übersichtsartikel von Autoren, die die wichtigste Abeit zu ihrem Gegenstand nicht behandeln, die Wirksamkeit nicht quantifizieren, und unbewiesene Aussagen über Länder machen, in denen vermutlich das Gegenteil des Behaupteten der Fall ist.

Der Laie kann allerdings, ganz ohne wissenschaftliche Studie, an einem kalten Wintertag sogar direkt sehen, warum die “Keimschleuder” wirkungslos sein muss: Wir atmen nämlich nicht durch sie hindurch, sondern durch den offenen Bereich zwischen Keimschleuder und Gesicht an ihr vorbei, und was ausgeatmet wird, verwirbelt sich in der Umgebung. Es spielt keine Rolle, welche Art Keimschleuder verwendet wird und wieviele man übereinanderlegt. (Video: “Double Masks, which ones are better?”)

Als Fazit zur Keimschleuder bleibt es beim Stand der Erkenntnis vom Januar 2020. Sie ist und bleibt sinnlos.

5 Hanseatischer Epilog

Einer der Autoren der “Thesenpapiere” ist Klaus Püschel, bis September 2020 Chef der hamburger Rechtsmedizin. In seinem Zeit-Interview vom 28. Mai sagte er zum “Mundschutz”:

“Ich stehe ihm sehr kritisch gegenüber: Man fasst sich ständig ins Gesicht, atmet gepresst und hat auch jede Menge Keime im sogenannten Schutz, das ist also für einen selbst gefährlich. Außer im Keller, bei den Obduktionen, sind wir in meinem Institut zurückhaltend mit den Masken.”

Und zur hamburger Politik zu den Themen im Bereich Seuchenbekämpfung:

“Die Hamburger Behörden arbeiten rational und lassen sich von jemandem wie mir beraten, der seit über vier Jahrzehnten für diese Themen steht.”

Neueste Nachricht vom NDR aus der Hansestadt vom 24. Februar 2021:

“Angesichts nicht sinkender Corona-Zahlen und eines steigenden Anteils von Mutations-Nachweisen weitet der Hamburger Senat die Maskenpflicht zum kommenden Wochenende aus.”

Eine nachweislich wirkungslose Massnahme wird ausgeweitet. Die Rationalität ist mittlerweile aus Hamburg verschwunden. Möglicherweise hat Clemens Heni recht und “Corona schädigt die Gehirne der Politiker”. (Die Polizei wurde ebenfalls vom viralen Gehirnschaden erfasst: Am 26. Februar hat sie ein Polizeiauto bei einer Verfolgungsjagd verschrottet. Verfolgt wurde ein 17-Jähriger, weil er in einem Park ohne Keimschleuder herumlief…)

Zum Teil 1, “Danmask”.


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