Typologie des Hysterikers

Panische und rationale Mit- und Gegenhysteriker

Der Austausch mit einigen Leuten, die aus dem intellektuellen Milieu stammen und mit Daten umghehen können (Physiker, Ingenieure, Soziologen und Philosophen) haben die folgenden Definitionsversuche motiviert. Sie stellen ausserdem den Versuch dar, die Überlegungen vom Arzt, Bewegungslehrer und Coach Helmut Jäger zur Angst in der Pandemie auf Personen zu erweitern, die zwar an die Wahrheit des “Killervirus” glauben, selber aber keine Angst haben.

Eine Einbildung sei eine Vorstellung, der kein Gegenstück in der Wirklichkeit entspricht, die dennoch aber für wirklich (wahr) gehalten wird. Eine vorgestellte, aber nicht wirklich vorhandene Gefahr ist eine eingebildete Gefahr. Wer sich eine Gefahr nur einbildet, sei als Hysteriker bezeichnet.

Eine Massenhysterie ist ein Gesellschaftzustand, in dem die Angehörigen einer Gesellschaft in ihrer Mehrheit hysterisch sind, derart, dass sie Institutionen zur “Bekämpfung” der eingebildeten Gefahr errichten oder “Massnahmen” ergreifen, die die Gefahr beseitigen sollen. Da die Gefahr jedoch nur eingebildet ist, entsteht der Gesellschaft grosser Schaden, aber kein Nutzen.

Zum Beispiel glauben viele Menschen an die Existenz gefährlicher Viren, die, wenn sie neu sind, um die Welt gehen und die ganze Gesellschaft bedrohen können, in Form einer “schweren Pandemie”, auf die man sich vorbereiten muss. [The Johns Hopkins Center for Health Security, World Economic Forum, and Bill & Melinda Gates Foundation Call for Public-Private Cooperation for Pandemic Preparedness and Response]

Im Jahr 2020 wurde von einem “neuartigen Coronavirus” (zunächst “unbekanntes Coronavirus”) berichtet. Die öffentliche Gefahr, gemessen an der Infiziertensterblichkeit, wurde schon im Februar auf das Mass einer normalen bis schweren Grippe korrigiert. [20815] Ein Sachverhalt der sich im weiteren Verlauf bestätigt hat und sich zum Beispiel aus dem für die Jahreszeit normalen Krankenstand ergibt. [Auslastung der Helios-Kliniken; Schrappe & al., Thesenpapier 7] Viele Menschen haben ihre ursprüngliche Vorstellung von einem “Killervirus” jedoch nicht entsprechend korrigiert. [Klaus Püschel, “Alle denken: ‘Killervirus’!”] Das eingebildete Virus wird durch Dauerpanikmache in Massenmedien und Socialmedia, sowie durch drakonische politische Massnahmen in einigen Ländern am Leben erhalten. So läuft die “erste moderne Panhysterie”, Stand Januar 2021, vorläufig weiter. [20817; Jäger, “Mehr desgleichen!”]

Jemand, der eine Massenhysterie mitmacht, erkennt nicht, dass es sich um einen hysterischen Gesellschaftszustand handelt.

Jemand, der die eingebildete Gefahr in der Massenhysterie für wirklich hält, sei als Mithysteriker (Co-Hysteriker) bezeichnet.

Man kann zwei Typen von Mithysteriken unterscheiden. Erstens diejenigen, die die engebildete Gefahr auf sich beziehen und wirklich Angst um sich oder ihre Angehörigen oder Freunde haben. Oder vor der Überflutung der Kliniken mit Opfern. Das wäre der panische Mithysteriker. Dieser Typus des Hysterikers wird ausführlich von Helmut Jäger behandelt. [“Angst machen!”]

Zweitens gibt es Mithysteriker, die keine Angst empfinden, sich aber trotzdem eine gesellschaftliche Gefahr einbilden. Das sind die rationalen Mithysteriker. In der Regel handelt es sich um Menschen, die grundsätzlich dazu fähig sind, die Daten, mit denen die Gefahr behauptet wird, selbständig zu prüfen und eigentlich feststellen müssten, dass eine wirkliche Gefahr nicht vorliegt.

Der rationale Mithysteriker kann oder will nicht glauben, dass “die ganze Welt verrückt werden kann”. Rationale Mithysteriker sind hysterieblind. Rationale Mithysteriker glauben nicht an die Wirklichkeit einer Massenhysterie, darum müssen sie an die Wirklichkeit der Gefahr glauben.

Warum sind rationale Mithysteriker hysterieblind? Ich biete folgende Erklärungsversuche an.

Fehlendes Nachempfindungsvermögen der panischen Mithysterie. Weil er selber keine Angst hat, kann sich der rationale Mithysteriker nicht vorstellen, dass die Angst das gesellschaftliche Geschehen antreiben kann, und nicht ein wirkliches Virus hinzukommen muss. “Das kann doch nicht alles nur eine Massenhysterie sein.” Dem wäre entgegenzuhalten, dass Massenhysterien ein in der Menschheitsgeschichte ziemlich häufiges Phänomen sind. [20817]

Falsche Alternative von echter Gefahr oder grossem Plan. Eine Variante des “sich eine Massenhysterie nicht vorstellen Könnens” ist, nur in der Alternative zu denken, entweder existiert eine wirkliche Gefahr oder es muss einen Plan dahiner geben. Das Geschehen müsse also in jedem Fall einen Sinn ergeben und nicht einfach ein Wahn-Sinn sein. Dies ist die Alternative zwischen rationaler Mit- und Gegenhysterie, siehe unten.

Die Annahme, dass es keine auf Wissenschaft gegründeten Massenhysterien geben kann. Wissenschaft gilt als rational, als das Gegenteil von Emotion, also Angst. Daher könne es keine Viren-Panik geben, denn der Virus und seine Gefahr sind doch Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis. Diese Auffassung ist in vielerlei Hinsicht falsch, am wichtigsten ist, dass Wissenschaften teilweise lang dauernde Irrwege beschreiten können. In der Medizingeschichte hatten solche Irrwege teilweise katastrophale Folgen. [Jäger, “Medizinische Katastrophen”] Es ist ohne weiteres denkbar, dass die Idee der Impfung gegen virale Infekte, wenn nicht sogar die der Impfung insgesamt, ein solcher Irrweg ist, weil sie die neueren Erkenntnisse vom Organismus als komplexes Ökosystem nicht berücksichtigt. [Corona-Fakten, “Die Herdenimmunität ist bloss eine fixe Idee!”; Jäger, “Mikrobiom: Die Entwicklung des Ökosystems Mensch”]

Rationale Mithysteriker scheinen unter den mathematisch und naturwissenschaftlich Gebildeten häufig vorzukommen.

Es gibt es verschiedene intellektuelle Strategien, mit denen der rationale Mithysteriker die Einbildung von einer gesellschaftlichen Gefahr aufrecht erhält.

Negierung des eigenen Urteilsvermögens. Der Imperativ der Aufklärung, sapere aude, “habe Mut dich deines Verstandes zu bedienen” (Kant, Was ist Aufklärung?), wird negiert und das Urteilsvermögen an einen Vormund (Regierung, Experte) abtreten, anstatt selber zu denken. “Ich kann das nicht beurteilen, ich bin kein Fachmann”, sagte ein Soziologie zu mir, den ich darauf hinwies, dass bei 80 Millionen Deutschen und einem mittleren Sterbealter von 80 Jahren ungefähr eine Million Sterbefälle pro Jahr normal wären (“80 / 80 = 1” kann oder will der Soziologe nicht nachvollziehen…).

Selektive Wahrnehmung. Es werden nur diejenigen Sachverhalte wahrgenommen, die die Einbildung bestätigen. Zum Beispiel wird Schweden mit Deutschland oder den anderen skandinavischen Ländern vergleichen, anstatt mit dem der Demografie nach ähnlicheren Niederlanden. [Rushworth, “Why did Sweden have more covid deaths than its neighbors?”] Oder die Aufmerksamkeit verengt sich auf die testpositiven Fälle, während die viel grösseren Kollateralschäden der Massnahmen ausgeblendet werden. [Ivor Cummins, “Casedemic”; Peter Mayer, “Stanford Studie mit Top Medizin-Wissenschaftler Ioannidis zeigt keinen Nutzen von Lockdowns”]

Passende Definition der Gefahr. Die Gefahr wird so definiert, dass die Sachverhalte als ihre Bestätigung erscheinen. Zum Beispiel wenn anstatt der harten Daten, wie Einweisung ins Krankenhaus, in die Intensivstation, oder Tod, stattdessen schwere aber letztlich nicht tödliche Verläufe (de facto also Immunisierungen) herangezogen werden, die bei jedem viralen Infekt auftreten können. Oder es wird auf “langes Covid” verwiesen, das in Wirklichkeit nichts anderes ist, als ein ganz normales postvirales Syndrom. [Rushworth, “What is long covid?”]

Beiden Typen von Mithysterikern ist gemeinsam, dass sie den Urteilen der Anführer der Gesellschaft (Autoritäten) folgen und sich nach deren Anweisungen richten, in der Hoffnung, die Gefahr werde dadurch verschwinden. Da die Gefahr jedoch nur eingebildet ist, kann sie letztlich nur durch Änderung der Vorstellung enden, indem man die Wahrnehmung wieder auf die gesellschaftliche Gesamtlage erweitert wird, und die “Experten” als das (an-)erkennt, was sie sind: Fachidioten für Einzelfragen. Das bedeutet die Aufgabe der Autoritätshörigkeit und ein Ende der Angst. Die Angst lässt sich zum Beispiel in Neugier verwandeln und zu eigenen Recherchen motivieren.

Angst ist ein Gefühl. Es unterbricht Handlungen. Um innezuhalten und zu verstehen, was gerade geschieht. Es hilft dann, mit jemanden zu reden und Sicherheit zu erfahren. Dann kann sich Angst in Neugier wandeln. [Jäger, “Covid-19: Angst machen!”]

Neben den Mithysterikern gibt es Menschen, die erkennen, dass die Gefahr gar nicht wirklich ist, aber nicht (an-)erkennen, dass es sich um eine Massenhysterie handelt. Weil der Charakter des Gesellschaftszustandes als reiner Massenhysterie nicht erkannt wird, wird versucht, dem Geschehen, dem Wahn-Sinn, einen “wirklichen” Sinn zu geben (Sinngebung des Sinnlosen): “Es kann doch nicht sein, dass das einfach nur eine Massenpanik ist, da muss doch etwas dahinter stecken!”

Eine typische Sinngebungsstrategie ist die “Verschwörungstheorie”, die Annahme, hinter dem Geschehen stecke ein grosser Plan dunkler Mächte. Indem diese Vorstellung ihrerseits irreal ist, handelt es sich wiederum um eine Einbildung. Und da die dunklen Mächte böses planen, handelt es sich um eine eingebildete Gefahr, also um eine Hysterie. Diese Hysterie richtet sich gegen die eigentliche Massenhysterie, sie ist eine Gegenhysterie (Contra-Hysterie).

Auch hier lassen sich zwei Typen unterscheiden.

Der panische Gegenhysteriker hat Angst um sich und wähnt sich verfolgt und unternimmt daher allerlei um nicht in die Fänge der dunklen Mächte zu geraten bzw. deren Treiben zu entfliehen. (“Verfolgungswahn”)

Der rationale Gegenhysteriker hat keine Angst um sich (zum Beispiel hat er einen Internetauftritt mit vollem Namen), er bemüht sich darum eine möglichst umfassende Theorie des Geschehens zu entwickeln, die das Geschehen als ein vernünftiges, zielbewusstes ausweist. Rationale Gegenhysteriker sind, wenn sie so handeln, “eigentliche Verschwörungstheoretiker”. (Im Gegensatz von Menschen, die von panischen Mithysterikern als “Verschwörungstheoretiker” bezeichnet werden, weil sie deren Glauben an die Gefahr infrage stellen, und daher von ihnen auch als “Leugner” bezeichnet werden. [21003])

Eine typische Strategie der Gegenhysteriker zur Aufrechterhaltung der eingebildeten Gefahr ist die selektive Wahrnehmung. Es werden Hinweise ignoriert, die der Vorstellung von einem grossen Plan widersprechen. Zum Beispiel Hinweise darauf, dass eben nicht die ganze Welt mitmacht, sondern die verschiedensten Umgangsformen mit der ausgerufenen “Pandemie” existieren. Oder dass kein globaler “Reset” stattfinden wird, sondern stattdessen die Kurse steigen, das “Krisengeld” Gold sinkt, und in Ostasien eine zwei Milliarden Menschen umfassende Freihandelszone geschaffen wurde.

Den panischen Mit- und Gegenhysterikern ist ihr Dogmatismus eigen.

Angst (Mittelhirn) verlangt nach Sicherheit. Wenn es die nicht gibt, werden Menschen aggressiv oder sie rennen weg (Stammhirnreaktion). Hilft das auch nicht, folgt der Zusammenbruch, Erstarrung, Depression.

Sicherheit entsteht, wenn jemand sagt, was zu tun ist. Dem folgt man dann beruhigt und hofft, dass es wieder gut wird. Wer lange hofft und brav geglaubt hat, kann dieses Sicherheitsdogma nicht einfach hinterfragen. Ein andere Sicherheitsstrategie ist es, den Herrschenden nicht zu glauben, aber um so intensiver die Wahrheiten der Minderheitengruppe zu glauben. Und so leben wir gerade in einer Hochkonjunktur des Dogmatismus (auf allen Seiten). Selber-Denken hat zur Zeit keine Konjunktur, eher entstehen neue religiöse Varianten. (Jäger, private Mitteilung) [Jäger, “Fratelli Tutti: Religiöse Renaissance?”]

Über die Zeit stellt sich der von Mausfeld beschriebene Abschliessungseffekt ein: Indem das Dogma durch bestätigende oder die Panik steigernde Nachrichten immer weiter verfestigt wird, bildet sich ein geschlossenes Wahnsystem aus. [20817]

Jedem Dogmatismus ist die Grundregel der wissenschaftlichen und journalistischen Hypothesenbildung entgegen zu halten: Man muss nicht nur diejenigen Informationen zur Kenntnis nehmen, die die eigenen Vorstellungen bestätigen, sondern aktiv danach suchen, sie zu widerlegen. Eine gute Hypothese ist eine, die harten Widerlegungsversuchen widerstanden hat und disparate Informationen erklären kann. [21003; Jäger, “Selber denken in der Krise”; ders., “Selber-denken (Skepsis)”]

Man kann fragen, ob es sinnvoll ist, von einer “rationalen Hysterie” zu sprechen. Hysterie und Rationalität gelten gemeinhin als einander entgegengesetzt. Man kann den Begriff “rationale Handlung” jedoch neutral und relativ zum Handelnden verstehen, als “sinnvolle Handlung in Bezug auf ein für richtig gehaltenes Ziel”. Der Mensch, der sich eine Gefahr einbildet, bildet sich ein, sein Handeln sei sinnvoll um sie zu beseitigen. Im Rahmen der Einbildung ist die Handlung für ihn rational. Irrational ist die Handlung für denjenigen, der die Vorstellung des Handelnden als Einbildung erkannt hat, weil er sieht, dass sie nicht zum Ziel führen kann, weil das das Ziel selbst nur in der Einbildung einen Sinn ergibt.

Über den Dingen befinden sich diejenigen, die den Charakter des Gesellschaftszustandes als Massenhysterie erkannt haben, die selber denkenden Nichthysteriker. Sie müssen nur zu ihrem Leidwesen mitten in der Massenhysterie leben…


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